Journalisten beim Ibiza-Ausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Klenk, Strache, Gudenus

Erste Befragungen in „Ibiza“-U-Ausschuss

Zum Auftakt des „Ibiza“-U-Ausschusses soll Florian Klenk, Chefredakteur des „Falter“, Donnerstagvormittag den Abgeordneten über den Inhalt des mehrstündigen „Ibiza-Videos“ berichten. Ihm folgen am Nachmittag die Hauptakteure des Videos, Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus. Der Start verzögerte sich.

Klenk gehört zu jenen wenigen auskunftsbereiten Personen, die das „Ibiza-Video“ in mehr oder weniger voller Länge sehen konnten. Strache und Gudenus hatten im heimlich aufgenommenen Video mit einer – zumindest für Strache – fremden Frau, die sich als reiche Oligarchennichte ausgegeben hatte, über Staatsaufträge, verdeckte Parteispenden und eine Medienübernahme gesprochen.

Das Gesagte war der Stein, der Ermittlungen wegen Postenschacher samt mutmaßlichen Gesetzeskaufs ins Rollen brachte. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt, die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück, für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Nehammer und Zadic sollen kommen

In ersten Statements der Abgeordneten vor dem Ausschusslokal wurde allgemein erklärt, dass man auf lückenlose Aufklärung hoffe. ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl sagte, es gehe um den größten Vertrauensbruch in der Zweiten Republik, man wolle auch wissen, wer aller Teil des FPÖ-Netzwerkes sei.

Stefanie Krisper von NEOS sagte, mit der Verhaberung müsse Schluss sein, „wir sind nicht so, zumindest nicht alle“. Jan Krainer (SPÖ) erklärte, die Akten würden zeigen, dass „bestellt, gespendet, geliefert“ wurde. Die beiden Oppositionsvertreter kündigten an, für den Freitag Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) laden zu wollen, um zu klären, wie der Ausschuss schneller an das „Ibiza-Video“ kommen könne. Es würden Beweismittel zurückgehalten.

Krainer beklagte eine Behinderung der Aufklärungsarbeit. Es dürfe nicht sein, dass das Innenministerium auf Akten sitze und diese geheim halte. Neben dem Video gehe es dabei um eine „Reihe von anderen Akten und Unterlagen“. Krisper entschuldigte sich angesichts der zahlreichen Journalisten und Journalistinnen zudem auch für die beengten Platzverhältnisse.

FPÖ sieht „ÖVP-Filter“

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker begrüßte die Ladung der Minister, auch er zeigte sich über die Nichtverfügbarkeit des Videos entrüstet. Er stellte zudem in Raum, dass es einen „ÖVP-Filter“ im Innenministerium gibt und Akten bereinigt wurden. So seien bei der Untersuchung von Straches Handy keinerlei Nachrichten von oder an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gefunden worden. Auch die FPÖ wolle alles für eine volle Aufklärung leisten.

Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen, will Licht in „dunkle Flecken“ wie Korruption, Postenschacher und Gesetzeskauf bringen. Sie sieht einen „roten Faden“ in der bisherigen Recherche, wonach Postenschacher und Gesetzeskauf unter Türkis-Blau „eher normal war“. Gerstl sagte darauf angesprochen, dass es keine Hinweise auf Rechtswidrigkeiten in der ÖVP-FPÖ-Regierung gibt.

Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach von einem „guten Tag für den Parlamentarismus“. Der U-Ausschuss sei ein „starkes Instrument“, aber kein Gericht oder gar Strafgericht.

ORF.at-Berichterstattung

ORF.at berichtet über den U-Ausschuss direkt aus dem Sitzungslokal in der Hofburg.

Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung

Strache und Gudenus verließen nach Bekanntwerden des Videos FPÖ und Politik – Strache allerdings nur vorübergehend. Einen Tag nach der Veröffentlichung des Videos trat Strache als FPÖ-Parteichef und Vizekanzler zurück, die Regierung zwischen ÖVP und FPÖ zerbrach, eine Neuwahl folgte. Seit Mitte Mai dieses Jahres ist Strache offiziell Obmann des Teams Strache, vormals DAÖ (Die Allianz für Österreich), das aus Teilen der FPÖ Wien entstanden ist.

Gudenus zog sich auch aus der Öffentlichkeit zurück, wurde zuletzt aber bei einer Demonstration der FPÖ auf dem Wiener Heldenplatz gegen den „Corona-Wahnsinn“ der türkis-grünen Bundesregierung gesichtet. Ein Comeback in der FPÖ schloss FPÖ-Chef Norbert Hofer kurz darauf aus. Auch Gudenus selbst soll das laut Hofer ausgeschlossen haben.

Zahlreiche Themen

Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist „die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre“. Im Fokus stehen unter anderem die Vollziehung des Glücksspielgesetzes, die Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, die Umstrukturierung der Finanzaufsicht (Oesterreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG, die Bestellung von Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen mit Bundesbeteiligung und die straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“.

Ausschuss bekommt Video später

Der U-Ausschuss selbst wird das vollständige Video in frühestens zwei Wochen sehen. Das Material liegt derzeit im Bundeskriminalamt, also im Innenministerium. Dort wird es bleiben, bis die Abschrift des Videos fertig ist. Erst dann geht das Video an die Staatsanwaltschaft Wien und die WKStA. Beide sollen prüfen, ob in dem Video Persönlichkeitsrechte betroffen sind. Das Justizministerium kann das Material schließlich an den U-Ausschuss übermitteln.

Für Freitag waren drei Auskunftspersonen vorgesehen – alle drei sagten aber ab: Sowohl Milliardärin Heidi Goess-Horten als auch Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf führten gesundheitliche Gründe – und dass sie zur Covid-19-Risikogruppe gehören – an. Der Ausschuss wird darüber debattieren, wie sie dennoch befragt werden können.