Familie und Rechtsanwalt von George Floyd
AP/Jim Mone
US-Justiz reagiert

Floyds Familie begrüßt weitere Anklagen

Nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz hat die US-Justiz neue Anklagen gegen die beteiligten Beamten erhoben. Floyds Familie sowie die Demonstrierenden, die sich erneut gegen Rassismus und Polizeigewalt starkmachten, hießen die Ankündigung der Justiz willkommen.

Die Staatsanwaltschaft im US-Bundesstaat Minnesota klagte am Mittwoch (Ortszeit) drei an Floyds Festnahme beteiligte Ex-Polizisten wegen Mittäterschaft an und ließ sie festnehmen. Die Anklage gegen den Polizisten, der für den Tod Floyds verantwortlich gemacht wird, wurde verschärft. Ihm droht nun eine deutlich längere Haftstrafe. Die vier Polizisten waren nach Bekanntwerden des Vorfalls entlassen worden.

Bei dem Einsatz in der Stadt Minneapolis hatte ein weißer Polizist sein Knie fast neun Minuten lang auf Floyds Nacken gedrückt – trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen. Der Ex-Polizist muss sich nun wegen Tötung zweiten Grades vor Gericht verantworten. Dabei handelt es sich um ein Tötungsdelikt mit bedingtem Vorsatz, worauf in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft stehen. Zudem wird ihm Tötung dritten Grades vorgeworfen, worauf bis zu 25 Jahre Haft stehen.

George Floyds Sohn Quincy Mason
APA/AFP/Getty Images/Stephen Maturen
Floyds Angehörige, darunter sein Sohn Quincy Mason, hatten die Anklagen gegen alle beteiligten Polizisten seit Tagen gefordert

Auch wirft ihm die Justiz Totschlag vor, wofür ihm zehn Jahre Haft drohen. Zuvor waren ihm nur Tötung dritten Grades und Totschlag vorgeworfen worden. Den drei früheren Polizisten, die an der Festnahme Floyds am Montag vergangener Woche ebenfalls beteiligt gewesen waren, wird nun Mittäterschaft in einem Tötungsfall zweiten Grades vorgeworfen. Damit droht auch ihnen bei einer Verurteilung eine lange Haftstrafe.

Demonstranten fordern Verurteilungen

Der Anwalt von Floyds Familie, Benjamin Crump, begrüßte die Ankündigung der Justiz. Die Familie sei dankbar, dass nun alle vier Ex-Polizisten angeklagt und festgenommen seien, schrieb er auf Twitter. Die Angehörigen hatten das seit Tagen gefordert. Crump sagte, Floyd sei von den Polizisten „zu Tode gefoltert“ worden. Am Donnerstag (20.00 Uhr MESZ) soll es in Minneapolis eine Gedenkveranstaltung geben. Der 46-Jährige war festgenommen worden, weil er verdächtigt worden war, mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Auch die Demonstrantinnen und Demonstranten hießen die Neuigkeiten willkommen, berichtete die „New York Times“. Zufrieden sind diese dennoch nicht – es brauche Verurteilungen und systematische Veränderungen, so der Tenor. Der „New York Times“ zufolge zeigten sich manche Demonstrierende zudem enttäuscht, dass jener Polizist, der auf Floyds Hals kniete, nur Tötung zweiten Grades und nicht Tötung ersten Grades – vorsätzlicher Mord – vorgeworfen wird. Außerdem bedauern viele, dass erst gut eine Woche nach Floyds Tod Anklage gegen die drei weiteren beteiligten Ex-Polizisten erhoben wurde.

Anwälte Keith Ellison und Mike Freeman
Reuters/Eric Miller
Der Justizminister des Bundesstaats, Keith Ellison, sagte, die Strafverfolgung in Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze sei zu lange ungenügend gewesen.

Der Justizminister des Bundesstaats, Keith Ellison, sagte, die Strafverfolgung in Fällen von Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner sei zu lange ungenügend gewesen. Die Vergangenheit könne nicht geändert werden, aber er verspreche, die Justiz werde ihr „Bestes tun, um in dieser Lage Gerechtigkeit zu schaffen“. Das sei das Land Floyd und dessen Familie schuldig. Gouverneur Tim Walz sagte, der Bundesstaat und das ganze Land müssten Floyd zu Ehren nun hart daran arbeiten, „systematischen Rassismus“ zu bekämpfen. Die Wut hinter den Protesten zeige, dass es um mehr gehe. „George Floyds Tod ist das Symptom einer Krankheit.“

Floyd mit CoV infiziert

Einer offiziellen Autopsie zufolge war Floyd mit dem Coronavirus infiziert gewesen. Die Infektion stand jedoch nicht in Zusammenhang mit seinem Tod, zumal sie seit April bekannt war und er „höchstwahrscheinlich“ keine Symptome mehr hatte, wie es in dem am Mittwochabend veröffentlichten Autopsiebericht hieß. Floyds Familie habe der Veröffentlichung zugestimmt, hieß es.

Erneut Märsche im ganzen Land

Bei Protesten in den US-Städten New York, Los Angeles, Atlanta, Houston, Minneapolis und Washington sowie in vielen weiteren Orten forderten am Mittwoch erneut Tausende friedliche Demonstranten Gerechtigkeit für Floyd und ein Ende des Rassismus. In New York, Washington und Los Angeles setzten sich jeweils Hunderte Demonstranten auch über die abendliche Ausgangssperre hinweg und demonstrierten bis in die Nacht. In New York kam es Berichten zufolge zu Dutzenden Festnahmen. Die Ausgangssperren waren verhängt worden, um Ausschreitungen zu vermeiden.

Demonstration in Los Angeles
AP/Ringo H.w. Chiu
Bei Protesten in Dutzenden US-Städten forderten am Mittwoch erneut Tausende friedliche Demonstranten Gerechtigkeit für Floyd und ein Ende des Rassismus.

In Los Angeles trotzten Demonstranten am Abend sogar einem Erdbeben. In Washington hielt ein Demonstrant in der Nähe des Weißen Hauses ein Plakat mit der Aufschrift „Rassismus ist auch eine Pandemie“ in die Höhe. Auf vielen anderen stand „Black Lives Matter“. Im Zentrum Washingtons waren vielerorts Hunderte Sicherheitskräfte im Einsatz, darunter Soldaten der Nationalgarde und Beamte verschiedener Bundesbehörden.

Mattis übt heftige Kritik an Trump

Der frühere US-Verteidigungsminister James Mattis stellte sich indes hinter die Proteste und kritisierte Präsident Donald Trump als Spalter. Dieser sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, das Land zu einen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten, schrieb Mattis im US-Magazin „The Atlantic“. „Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung“, schrieb der pensionierte General. Die Ereignisse dieser Woche hätten ihn „wütend und entsetzt“ zurückgelassen, erklärte der 69-Jährige.

Der frühere US-Verteidigungsminister James Mattis
AP/Richard Drew
Ex-Verteidigungsminister James Mattis bezeichnete Trump als Spalter

Mattis bezeichnete die von Trump gewünschte Militarisierung der Einsätze gegen die Proteste als unnötigen Fehler. Ein Einsatz der Streitkräfte gegen zivile Proteste drohe, einen Konflikt zwischen Bevölkerung und Militär zu provozieren, warnte er. „Wir müssen uns hinter einem gemeinsamen Ziel versammeln. Und das beginnt mit der Garantie, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind“, so Mattis. Mattis war wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump Anfang 2019 nach zwei Jahren als dessen Verteidigungsminister zurückgetreten, hatte den Präsidenten seither aber nicht öffentlich kritisiert.

US-Verteidigungsminister Mark Esper sprach sich zuvor gegen einen Militäreinsatz bei den derzeitigen Protesten aus, wie ihn Trump angedroht hatte.

Lebende Ex-US-Präsidenten verurteilen Rassismus

Die vier noch lebenden früheren US-Präsidenten haben inzwischen den systematischen Rassismus in den USA verurteilt. Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama kritisierten in Stellungnahmen die anhaltende Ungleichheit und die Benachteiligung Schwarzer in den USA. Bei allen klang auch – mehr oder weniger direkt – Kritik an der Regierung durch. Trump hat Floyds Tod mehrfach verurteilt. Ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis zu zeigen für den Zorn über anhaltende Diskriminierung.

Obama – der bisher einzige afroamerikanische US-Präsident – äußerte sich seit Floyds Tod bereits mehrfach. Am Mittwoch sagte er, die von breiten Gesellschaftsschichten unterstützten Proteste seien ein Zeichen der Hoffnung, dass es im Land den Willen zur Veränderung gebe. Am Montag hatte er erklärt, die Proteste seien Ausdruck einer echten und legitimen Enttäuschung über ein „jahrzehntelanges Versagen“ bei der Reform von Polizei und Strafjustiz.