Florian Klenk
ORF.at/Lukas Krummholz
„Ibiza“-Ausschuss

„Ibiza-Video“ als „Sittenbild der Macht“

Tiefe Einblicke in das „Ibiza-Video“ und ein darin skizziertes „Sittenbild der Macht“ hat „Falter“-Redakteur Florian Klenk Donnerstagmittag zum Auftakt des „Ibiza“-Untersuchungsausschuss gegeben. Die Beteiligten seien „weit entfernt“ vom Vollrausch gewesen, im Anschluss sei es auch in die Disco gegangen.

Klenk gehört zu jenen wenigen auskunftsbereiten Personen, die das „Ibiza-Video“ in mehr oder weniger voller Länge sehen konnten. Am Donnerstag sagte er, dass er freilich nicht wisse, welche Videos die „SoKo Ibiza“ Ende April beschlagnahmt hatte. Er selbst habe sieben Stunden gesehen, die Sonderkommission hatte erklärt, zwölf Stunden Material gefunden zu haben. Die Tonqualität sei schlecht gewesen, so Klenk.

„Das Video teilt sich in drei Szenen: Kennenlernen, Essen und Absprachen“, sagte der Journalist. Man sah darin, einen „Korruptionstanz“. In einer Szene, so Klenk, hätten die Beteiligten – Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und die vermeintliche reiche Oligarchennichte – ihre Handys abgegeben. Thema sei der Kauf der „Kronen Zeitung“ gewesen. Man habe wohl nicht gewollt, dass diese Szene irgendwie aufgenommen wird, schlussfolgerte die Auskunftsperson.

Florian Klenk
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„Falter“-Chefredakteur Klenk beantwortet die Fragen im Ausschuss

Krone als Mittel zur Macht?

Die Szenen seien auch nicht aus dem Kontext gerissen, so Klenk auf Frage von ÖVP-Abgeordnetem Wolfgang Gerstl unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht. Strache habe ein „Sittenbild der Macht“ in Österreich skizziert, etwa als er der vermeintlichen Oligarchennichte ausgeführt habe, wie man mit Hilfe der „Krone“ Druck auf die Politik ausüben könne, etwa beim Kauf von Grundstücken in Wien. Anders als auf dem Balkan müsse man in Österreich nicht korrupt sein, zitierte Klenk, wenn man die „Krone“ habe, habe man die Macht.

Strache sage immer wieder, dass alles ganz legal sein müsse, die Oligarchennichte habe auch immer wieder darauf gedrängt, was ihr etwa der Kauf der „Krone" bringe. Finalisiert sei nichts worden, auch wenn Strache später zu Gudenus offenbar gesagt habe: „Mach das klar!“ Am Ende sei die Gruppe in die Disco gegangen.

„Mischung aus ‚Kottan‘ und ‚Pulp Fiction’“

„Wenn (David, Anm.) Schalko das skripten würde, würden alle glauben, das ist absurd. Eine Mischung aus ’Kottan‘ und ‚Pulp Fiction‘ trifft es schon ganz gut“, antwortete Klenk auf die Frage von Kai Jan Krainer (SPÖ), ob das Video eher nach Popcorn oder einem „Speibsackerl“ verlange.

Es gebe schon auch komische Momente, aber auch welche, bei denen Regierungskriminalität begangen werde. Auch wenn Strache am Abend sichtliche Zweifel habe, sei er nie aufgestanden, sondern habe immer weiterverhandelt. Drogen habe er keine gesehen, es sei darüber auch nicht gesprochen worden, die Beteiligten seien „weit entfernt“ vom Vollrausch gewesen, so Klenk auf die Frage von Christian Hafenecker (FPÖ).

Wer in dem Video Edmund Sackbauer, Hauptfigur im „Mundl“, sei, wollte Nina Tomaselli (Grüne) wissen. Klenk antwortete darauf, dass Tomselli das sehen werde, wenn sie das Video selber sehe. Es gebe Momente, wo Strache staatsmännisch agiere, aber auch welche, wo er auf der Couch lümmle und sehr privat sei und sehr private Meinungen vertrete. Es habe sich auch gezeigt, dass alles, was Strache in dem Video sagt, wahr sei, etwa die Vereine als versteckte „blaue Kassen“.

Strache und Gudenus am Nachmittag

Am Nachmittag werden die Hauptakteure des Videos, Strache und Gudenus dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. Sie hatten im heimlich aufgenommenen Video mit einer – zumindest für Strache – fremden Frau, die sich als reiche Oligarchennichte ausgegeben hatte, über Staatsaufträge, verdeckte Parteispenden und eine Medienübernahme gesprochen. Das Gesagte war der Stein, der Ermittlungen wegen Postenschacher samt mutmaßlichen Gesetzeskaufs ins Rollen brachte. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt, die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück, für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Nehammer und Zadic sollen kommen

In ersten Statements der Abgeordneten vor dem Ausschusslokal wurde allgemein erklärt, dass man auf lückenlose Aufklärung hoffe. ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl sagte, es gehe um den größten Vertrauensbruch in der Zweiten Republik, man wolle auch wissen, wer aller Teil des FPÖ-Netzwerkes sei.

Stefanie Krisper von NEOS sagte, mit der Verhaberung müsse Schluss sein, „wir sind nicht so, zumindest nicht alle“. Jan Krainer (SPÖ) erklärte, die Akten würden zeigen, dass „bestellt, gespendet, geliefert“ wurde. Die beiden Oppositionsvertreter erklärten, für den Freitag Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) laden zu wollen, um zu klären, wie der Ausschuss an das „Ibiza-Video“ kommen könne.

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker begrüßte die Ladung der Minister, auch zeigte er sich über die Nichtverfügbarkeit des Videos entrüstet. Er stellte zudem in den Raum, dass es einen „ÖVP-Filter“ im Innenministerium gebe und Akten bereinigt worden seien. Aber auch die FPÖ wolle alles für eine volle Aufklärung leisten.

Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung

Strache und Gudenus verließen nach Bekanntwerden des Videos FPÖ und Politik – Strache allerdings nur vorübergehend. Einen Tag nach der Veröffentlichung des Videos trat Strache als FPÖ-Parteichef und Vizekanzler zurück, die Regierung zwischen ÖVP und FPÖ zerbrach, eine Neuwahl folgte. Seit Mitte Mai dieses Jahres ist Strache offiziell Obmann des Teams Strache, vormals DAÖ (Die Allianz für Österreich), das aus Teilen der FPÖ Wien entstanden ist.

Gudenus zog sich auch aus der Öffentlichkeit zurück, wurde zuletzt aber bei einer Demonstration der FPÖ auf dem Wiener Heldenplatz gegen den „Corona-Wahnsinn“ der türkis-grünen Bundesregierung gesichtet. Ein Comeback in der FPÖ schloss FPÖ-Chef Norbert Hofer kurz darauf aus. Auch Gudenus selbst soll das laut Hofer ausgeschlossen haben.

Zahlreiche Themen

Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist „die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre“. Im Fokus stehen unter anderem die Vollziehung des Glücksspielgesetzes, die Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, die Umstrukturierung der Finanzaufsicht (Oesterreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG, die Bestellung von Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen mit Bundesbeteiligung und die straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“.

Ausschuss bekommt Video später

Der U-Ausschuss selbst wird das vollständige Video in frühestens zwei Wochen sehen. Das Material liegt derzeit im Bundeskriminalamt, also im Innenministerium. Dort wird es bleiben, bis die Abschrift des Videos fertig ist. Erst dann geht das Video an die Staatsanwaltschaft Wien und die WKStA. Beide sollen prüfen, ob in dem Video Persönlichkeitsrechte betroffen sind. Das Justizministerium kann das Material schließlich an den U-Ausschuss übermitteln.

Für Freitag waren drei Auskunftspersonen vorgesehen – alle drei sagten aber ab: Sowohl Milliardärin Heidi Goess-Horten als auch Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf führten gesundheitliche Gründe – und dass sie zur Covid-19-Risikogruppe gehören – an. Der Ausschuss wird darüber debattieren, wie sie dennoch befragt werden können.