Heinz-Christian Strache
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„Ibiza“-Ausschuss

Strache will „kaum Fragen“ beantworten

Mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache steht die Hauptfigur des „Ibiza-Videos“ Donnerstagnachmittag dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort. „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk gab zuvor Einblicke in ein „Sittenbild der Macht“ und einen „Korruptionstanz“ Straches. Strache kündigte in seinem Eingangsstatement an, „kaum Fragen“ beantworten zu wollen.

Er wolle sich erst vollständig äußern, wenn er vollständige Einsicht in sämtliche Akten habe, so Strache, der sich auf Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention berief. Es gebe eine Tätergruppe, die einen „langjährigen Plan“ verfolge, ihn zu „vernichten“. Er verlange vollständige Akteneinsicht, auch in alle WhatsApp- und Signal-Nachrichten, die auch von ehemaligen Mitarbeitern gesammelt wurden. Im weiteren Verlauf der Befragung antwortete Strache aber durchaus auf gestellte Fragen.

Es habe sich nicht um einen „philosophischen Abend“ auf Ibiza gehandelt, so Strache auf die Fragen von Verfahrensrichterin Ilse Huber, und stellte einmal mehr in den Raum, unter dem Einfluss von bewusstseinsverändernden Substanzen gestanden zu sein. Er habe auch keinerlei rechtswidrige Angebote gemacht, vielmehr habe er nur Möglichkeiten gezeigt, wie man in Österreich spenden könne.

Heinz-Christian Strache
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Strache erschien mit Maske vor dem Ausschuss

Strache: „Heidi“-Termin war Tochter, nicht Horten

Gefragt nach Spenden für die FPÖ sagte Strache, es habe sich niemand getraut, für die FPÖ zu spenden, aus Angst, deswegen Nachteile zu bekommen. Ein Termin mit „Heidi“ in seinem Kalender habe sich auf seine Tochter bezogen, nicht auf Kaufhauserbin Heidi Goess-Horten. Er könne sich auch nicht daran erinnern, Kontakt zum ehemaligen Casinos-Vorstand Dietmar Hoscher im Rahmen einer Beeinflussung des Glücksspielgesetzes gehabt zu haben, allerdings habe Hoscher den Kontakt zu ihm gesucht und den Eindruck erweckt, ein FPÖ-Kandidat zu sein. Das habe auch ihn verwundert.

Verwundert zeigte sich SPÖ-Abgeordneter Andreas Kollross wie im Vorfeld des Ausschusses auch die FPÖ, dass keinerlei Nachrichten zwischen Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Straches Handy und somit in den Auswertungen in den Akten zu finden sind. Er habe sehr wohl mit Kurz auch über SMS und WhatsApp kommuniziert, er könne sich nicht erinnern, ob und wie er Nachrichten gelöscht habe, so Strache.

Fragen zu ÖVP-FPÖ-Regierung

Auf eine Reihe von Fragen der Abgeordneten will Strache dann doch nicht antworten, mit der Argumentation, es sei nicht Inhalt des U-Auschusses – etwa auf seine Beziehung zum damaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel und Finanzminister Hartmut Löger (beide ÖVP). Dass die FPÖ das Gesundheitsministerium wollte, verneint Strache – man habe in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP auf dem Innenministerium, dem Ministerium für öffentlichen Dienst und Sport bestanden, der Rest habe sich aus den Wünschen der ÖVP ergeben.

Heinz-Christian Strache
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Strache hat mit Kurz auch über SMS und WhatsApp kommuniziert – davon findet sich in den Akten laut den Abgeordneten aber nichts

Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus hatten im heimlich aufgenommenen Video mit einer – zumindest für Strache – fremden Frau, die sich als reiche Oligarchennichte ausgegeben hatte, über Staatsaufträge, verdeckte Parteispenden und eine Medienübernahme gesprochen. Das Gesagte brachte Ermittlungen wegen Postenschacher samt mutmaßlichen Gesetzeskaufs ins Rollen, Strache trat einen Tag nach Veröffentlichung des Videos als FPÖ-Chef und Vizekanzler zurück. Gudenus soll nach Strache vor dem Ausschuss erscheinen.

Klenk erzählte über „Ibiza-Video“

Klenk, eine der wenigen auskunftsbereiten Personen, die das „Ibiza-Video“ in mehr oder weniger voller Länge sehen konnten, erzählte als erste Auskunftsperson im Ausschuss über Inhalte des Videos, das dem Ausschuss bisher nicht vorliegt. Man sehe darin einen „Korruptionstanz“. In einer Szene, so Klenk, hätten die Beteiligten – Strache, Gudenus und die vermeintliche reiche Oligarchennichte – ihre Handys abgegeben. Man habe wohl nicht gewollt, dass etwas aufgenommen werde, schlussfolgerte die Auskunftsperson.

Die Szenen seien auch nicht aus dem Kontext gerissen, so Klenk, Strache habe vielmehr ein „Sittenbild der Macht“ in Österreich skizziert, etwa als er der vermeintlichen Oligarchennichte ausgeführt habe, wie man mit Hilfe der „Krone“ Druck auf die Politik ausüben könne, etwa beim Kauf von Grundstücken in Wien. Anders als auf dem Balkan müsse man in Österreich nicht korrupt sein, zitierte Klenk – wenn man die „Krone“ habe, habe man die Macht.

„Mischung aus Sackbauer, ‚Kottan‘ und ‚Pulp Fiction’“

„Wenn (David, Anm.) Schalko das skripten würde, würden alle glauben, das ist absurd. Eine Mischung aus Edmund Sackbauer, ’Kottan‘ und ‚Pulp Fiction‘ trifft es schon ganz gut“, antwortete Klenk auf die Frage von Kai Jan Krainer (SPÖ), ob das Video eher nach Popcorn oder einem „Speibsackerl“ verlange. Es gebe Momente, wo Strache staatsmännisch agiere, aber auch welche, wo er auf der Couch lümmle und sehr privat sei und sehr private Meinungen vertrete.

Florian Klenk
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„Falter“-Chefredakteur Klenk beantwortet die Fragen im Ausschuss

Es habe sich auch gezeigt, dass alles, was Strache in dem Video sagt, wahr sei, etwa die Vereine als versteckte „blaue Kassen“. Auch wenn Strache am Abend sichtlich Zweifel habe, sei er nie aufgestanden, sondern habe immer weiterverhandelt. Die Beteiligten seien auch „weit entfernt“ vom Vollrausch gewesen, so Klenk auf die Frage von Christian Hafenecker (FPÖ).

Nehammer und Zadic sollen kommen

In ersten Statements der Abgeordneten vor dem Ausschusslokal wurde allgemein erklärt, dass man auf lückenlose Aufklärung hoffe. ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl sagte, es gehe um den größten Vertrauensbruch in der Zweiten Republik, man wolle auch wissen, wer aller Teil des FPÖ-Netzwerkes sei.

Stefanie Krisper von NEOS sagte, mit der Verhaberung müsse Schluss sein, „wir sind nicht so, zumindest nicht alle“. Krainer (SPÖ) erklärte, die Akten würden zeigen, dass „bestellt, gespendet, geliefert“ wurde. Die beiden Oppositionsvertreter erklärten, für den Freitag Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) laden zu wollen, um zu klären, wie der Ausschuss an das „Ibiza-Video“ kommen könne.

Zahlreiche Themen

Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist „die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre“. Im Fokus stehen unter anderem die Vollziehung des Glücksspielgesetzes, die Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, die Umstrukturierung der Finanzaufsicht (Oesterreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG, die Bestellung von Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen mit Bundesbeteiligung und die straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen rund um das „Ibiza-Video“.

Ausschuss bekommt Video später

Der U-Ausschuss wird das vollständige Video in frühestens zwei Wochen sehen. Das Material liegt derzeit im Bundeskriminalamt, also im Innenministerium. Dort wird es bleiben, bis die Abschrift des Videos fertig ist. Erst dann geht das Video an die Staatsanwaltschaft Wien und die WKStA. Beide sollen prüfen, ob in dem Video Persönlichkeitsrechte betroffen sind. Das Justizministerium kann das Material schließlich an den U-Ausschuss übermitteln.

Für Freitag waren drei Auskunftspersonen vorgesehen – alle drei sagten aber ab: Sowohl Milliardärin Goess-Horten als auch Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf führten gesundheitliche Gründe – und dass sie zur Covid-19-Risikogruppe gehören – an. Der Ausschuss wird darüber debattieren, wie sie dennoch befragt werden können.