Biene sitzt auf Weintraube
Reuters/Arnd Wiegmann
„Grüner Bericht“

Biolandwirtschaft ein Grund für Pestizidanstieg

Ein aktueller Bericht von Eurostat hat diese Woche für Aufsehen gesorgt: Darin hieß es, dass der Verkauf von Pestiziden in Österreich von 2011 bis 2018 um 53 Prozent gestiegen ist. Der „Grüne Bericht“ des Landwirtschaftsministeriums zeigt aber, dass die Zunahme zu einem Teil auch dem steigenden Bioanteil in der österreichischen Landwirtschaft geschuldet ist.

Während in der EU die Verkäufe von Pestiziden stabil blieben, stiegen sie hierzulande von 3,5 Millionen Kilogramm (2011) auf 5,3 Millionen Kilogramm (2018). Österreich habe mit plus 94 Prozent damit nach Zypern EU-weit den höchsten Anstieg zu verzeichnen, so Eurostat am Mittwoch.

Auffallend ist, dass Österreich aber auch bezogen auf den Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen an der landwirtschaftlich genutzten Fläche nach wie vor an der Spitze aller EU-Staaten ist. In Österreich beträgt dieser 22 Prozent. In Italien liegt der Anteil indes nur bei 14,5 Prozent, in Spanien bei 8,7, in Deutschland bei 7,5 und in Frankreich sogar nur bei 5,5 Prozent. Zusammengenommen sind die vier Länder für zwei Drittel der Pestizidverkäufe verantwortlich.

Ein Traktor fährt mit Spritzgerät in einem Feld
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Österreich liegt, was den Anteil an Biolandwirtschaft betrifft, an der Spitze der EU – ohne Pestizide geht es aber auch hier nicht

Kohlendioxid als ausschlaggebender Faktor?

2018 fiel über die Hälfte der 5.300 Tonnen Schädlingsbekämpfungsmittel für die biologische Produktion an oder war zumindest für diese zugelassen – rund ein Viertel davon in Form von Kohlendioxid. Die starken Zunahmen beziehen sich laut der Landwirtschaftskammer dabei aber nicht auf chemisch-synthetische Wirkstoffe (diese sind sogar zurückgegangen), sondern fast ausschließlich auf CO2 sowie auf die Wirkstoffe Schwefel und Kupfer.

Pestizide & Bio?

Im Bioanbau sind chemisch-synthetische Pestizide verboten. Biobauern und Biobäuerinnen setzen daher auf biologische Pflanzenschutzmittel wie Kupfer, Schwefel oder Kohlendioxid.

CO2 wurde laut Josef Siffert, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer Österreich, zudem erst seit 2016 in der Statistik angeführt. „Dieser Schritt erhöhte jedoch in der Statistik den Insektizid-Anteil von 149 Tonnen im Jahr 2011 auf 1.580 Tonnen im Jahr 2018“, so die Landwirtschaftskammer in einer Aussendung von Mittwoch.

Ähnliches ist auch im „Grünen Bericht“ zu lesen: „Die Erhöhung der Verkaufsmenge ist insbesondere auf die Vermarktung eines inerten Gases (Kohlendioxid, Anm.) im Vorratsschutz zurückzuführen, welches 2016 neu zugelassen wurde.“ Das entspreche einem Anstieg im Vergleich zu 2016 um 30 Prozent.

Bio Austria: „Kein eindeutiger Zusammenhang“

In einer Stellungnahme von Bio Austria hieß es am Donnerstag allerdings, dass es 2018 lediglich zu einem Wachstum der Biolandwirtschaft um fünf Prozent gekommen sei (Acker plus 5,6 Prozent, Weingärten plus Prozent, Obstanlagen plus drei Prozent). Diese Tatsache zeige, dass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Bioflächenwachstum und Zunahme von Pestizideinsatz gegeben sei, so der Branchenverband. In der biologischen Landwirtschaft werden laut Angaben von Bio Austria nur auf etwa sechs bis sieben Prozent der Fläche Pflanzenschutzmittel verwendet – mehr als 90 Prozent der Bioflächen seien demnach frei von jeglicher derartiger Anwendung.

Ähnlich sieht das Jürgen Friedel vom Institut für Ökologischen Landbau an der Universität für Bodenkultur (BOKU). Im Gespräch mit ORF.at sagte er am Freitag: „Diese Inertgase haben nach meinem Wissen nichts mit dem Biolandbau zu tun.“ Dass der Anstieg des Verkaufs von Pestiziden in Österreich vor allem mit dem hohen Bioanteil zu tun habe, könne er „auf dieser Datengrundlage nicht nachvollziehen“.

Schwefel „zeigt starkes Wachstum der Biobewirtschaftung“

Anders als beim Kohlendioxid dürfte Friedel zufolge vor allem die Menge an Schwefel mit dem Biolandbau zu tun haben. Denn Biobauern und Biobäuerinnen greifen neben CO2 vor allem zu Kupfer- und Schwefelpräparaten zum Pflanzenschutz. Deren Einsatz stieg von 2011 bis 2018 um 70 Prozent. Der Anstieg der Menge an Schwefel von 675 Tonnen im Jahr 2011 auf 1.151 Tonnen im Jahr 2018 zeige laut Landwirtschaftskammer „eindeutig das gleichzeitige starke Wachstum der Biobewirtschaftung in der Landwirtschaft“.

Im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln sei Schwefel deutlich umweltfreundlicher, da erstere je nach Gruppe eine erbgutschädigende, hormonelle oder krebserzeugende Wirkung hätten, so Friedel. Ein Teil jener künstlichen Pestizide könne zudem auch mit dem Bienensterben in Verbindung gebracht werden. „Das heißt, selbst wenn die Wirkstoffmengen bei Schwefel durch mehr Biolandbau zunehmen, aber bei den chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln dadurch abnehmen, dann wäre das gut für die Umwelt und auch für uns“, so Friedel.

CO2 als Nebenprodukt

Das CO2 wird zudem laut dem Landwirtschaftskammer-Referatsleiter für pflanzliche Erzeugnisse, Günther Rohrer, nicht extra hergestellt, sondern entstehe als Nebenprodukt. Eingesetzt werde es hauptsächlich gegen Vorratsschädlinge in der Lagerhaltung und nicht auf dem Feld. Verwendet werde es zum sauerstoffdichten Abschluss, damit zum Beispiel ein Apfel länger frisch bleibt und Saatgut vor Befall geschützt werden kann.

Friedel warnt jedoch vor dem Trugschluss, dass Biolandbau höhere CO2-Emissionen bedeuten würde. Generell würde bei der Produktion von Pestiziden zwar CO2 freigesetzt, jedoch um ein Vielfaches weniger als bei der Produktion von mineralischem Stickstoffdünger, der in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werde.

Bio bietet „Reihe von Vorteilen“

„Abgesehen davon bietet Biolandbau eine Reihe von Vorteilen, beispielsweise eine geringere Belastung des Grundwassers mit Nitrat und Pestiziden sowie eine höhere Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten“, so Friedl. Biologisch bewirtschaftete Flächen würden dadurch einen höheren Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten.

Da es zudem zu keiner Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen komme und in den Lebensmitteln auch keine Pestizidrückstände enthalten seien, würden diese auch eine höhere Produktqualität aufweisen – etwa „geringere Nitratgehalte in Gemüse oder mehr Omega-3-Fettsäuren in Biomilch“, so der Experte.

Auch Biopflanzen „müssen geschützt werden“

Durch Maßnahmen wie Fruchtfolge, Kulturartenvielfalt, Anbau von Futtergemengen, Zwischenfrüchte und Untersaaten sowie den Einsatz organischen Düngers würden im Biolandbau auch weniger Unkräuter auftreten als im konventionellen Landbau, sagte Friedel. Dadurch könne wiederum auf mineralische Stickstoffdünger und Herbizide verzichtet werden.

Eine Kuh steht auf einer Weide
APA/Barbara Gindl
Friedel rät zu „mehr Qualität und weniger Quantität“ – etwa um 75 Prozent weniger Fleisch essen und dafür bio

Ganz ohne Pflanzenschutzmittel scheint man dennoch nicht auszukommen: „Es ist ein Faktum, dass auch Biopflanzen geschützt werden müssen, wenn man Lebensmittel ohne Verpilzungen und Gifte wie etwa Mykotoxine erzeugen will“, hieß es in einem Statement der Landwirtschaftskammer gegenüber der APA.

Warum ist Österreich bei Bio führend?

„Biolandbau hat sich in Österreich durch Biopioniere früher als in anderen Ländern entwickelt. Auch der Absatz in Supermärkten ab den 1990er Jahren in Österreich war früher als in anderen Ländern und hat einen Umstellungsboom zur Folge gehabt. Zudem wird Bio in Österreich seit Jahren durch das Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft gefördert!“ so Friedel.

EU will Pestizideinsatz halbieren

Friedel rät vor diesem Hintergrund zu „mehr Qualität und weniger Quantität“: „Der Verzehr von Zucker und Fleisch ist in Österreich bei einem Vielfachen dessen, was gesund ist. Wenn man zum Beispiel nur 25 Prozent der durchschnittlichen Fleischmenge verzehrt und dafür Biofleisch kauft, hat man etwas für die Gesundheit, für die Umwelt und für den Geldbeutel getan.“ Gleichzeitig warnt der Experte davor, bio und regional zu verwechseln: Denn regional erzeugte Produkte seien zu einem Großteil nicht bio.

Die EU-Kommission will bis zum Jahr 2030 den Einsatz von Pestiziden halbieren. Der Anteil des Ökolandbaus soll im Gegenzug von derzeit rund acht Prozent auf 25 Prozent steigen. Die EU-Kommission sieht das auch als Baustein für das Erreichen ihrer Klimaziele, stammen doch rund zehn Prozent des in der EU ausgestoßenen Klimagases CO2 aus der Landwirtschaft.