Sonnenuntergang mit Bergen im Hintergrund
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Weltumwelttag

Klimakrise drückt auf Gesundheitssystem

Klimaschutz als Gesundheitsschutz haben Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) anlässlich des Weltumwelttags am Freitag in den Fokus genommen. Weil die Klimakrise immer mehr Menschen gefährde, würden auch die Kosten für das Gesundheitssystem enorm steigen, so die Minister. Gemeinsam will man nun verstärkt Maßnahmen umsetzen.

Die Klimakrise wirke sich direkt auf die Gesundheit der Menschen und in Milliardenhöhe auch auf das Gesundheitssystem aus, sagte Gewessler bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Anschober am Freitag. Bis 2030 kämen Mehrkosten von 2,3 Milliarden Euro jährlich auf das Gesundheitssystem zu, bis 2050 sollen sich die Kosten zumindest verdoppeln. Viele Faktoren seien aber noch gar nicht bekannt und daher nicht quantifizierbar, es seien auch Zusatzkosten bis zu zehn Milliarden Euro möglich, so Gewessler.

Die steigenden Temperaturen würden sich direkt auf die Sterblichkeit auswirken, so Anschober. Bis 2013 habe es durch Hitze 500 Todesfälle pro Jahr gegeben, mittlerweile sind es laut Gewessler 700 pro Jahr – mehr Menschen, als jährlich bei Verkehrsunfällen sterben. Da ältere Menschen besonders betroffen seien, würden die Zahlen auch weiter steigen. Das Monitoring von durch Hitze ausgelöster Übersterblichkeit durch die AGES soll nun ausgebaut und regionalisiert werden.

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Hans Punz
Umweltmediziner Hutter, Klimaschutzministerin Gewessler und Gesundheitsminister Anschober (v. l. n. r.) bei der PK

Auswirkung auf viele Bereiche

Es gebe viele Auswirkungen, die zahlreiche Bereiche betreffen, darunter die Wirtschaft: Weil die Produktivität der Menschen bei Hitze sinke, würden auch die Firmen direkt unter den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise leiden, sagte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Universität Wien. Auch psychische Probleme würden bei Hitze zunehmen. Weiters steige die Gefahr durch bisher auf die Tropen beschränkte Infektionskrankheiten wie Dengeue-Fieber und das West-Nil-Virus. Es gebe hier ein „enormes Wirkungsgefüge“, so Hutter.

Hutter wies auch darauf hin, dass Hochwasser und Vermurungen nicht nur Gebäude beschädigen, sondern auch bei Menschen Spuren hinterlassen, etwa posttraumatische Belastungsstörungen. Eine hohe Luftverschmutzung wirke sich auch direkt auf Epidemien aus, wie man beim Coronavirus gesehen habe. Hohe Ozonwerte durch viel Sonnenschein wirken laut Hutter nicht nur auf die Atemwege, Ozon verstärke auch die Belastung durch Pollen für Allergiker. Es sei bekannt, was dagegen zu tun sei, nun müsse das auch umgesetzt werden.

Gesundheitssystem soll CO2 sparen

Anschober und Gewessler kündigten an, sich gemeinsam dem Kampf gegen die Klimakrise widmen zu wollen. Das Gesundheitssystem soll selber dazu beitragen, den Ausstoß von Treibhausgas zu reduzieren. Aktuell liege der Anteil am jährlichen CO2-Ausstoß bei sieben Prozent, Anschober will das halbieren. Erreicht werden soll das etwa durch lokale Energieproduktion bei großen Gebäuden wie Krankenhäusern und durch die grundsätzliche Reduktion des Energieverbrauchs.

Länder und Kommunen sollen bei regional angepassten Überwachungsplänen unterstützt werden, zudem soll es Schutzmaßnahmen für besondere Risikogruppen bei längeren Hitzeperioden geben. Es gebe auch viele kleine Maßnahmen, die jeder selber umsetzen könne, die gut für Umwelt und Gesundheit seien, so die Minister. Wer weniger Fleisch esse und mehr zu Fuß gehe oder mit dem Rad fahre, tue etwa sich und der Umwelt Gutes.

Gezielte Investitionen nötig

Für die Fortbewegung ohne Auto, gerade im ländlichen Raum, brauche es gezielte Investitionen, so Gewessler, die auf das vor Kurzem aufgelegte 40-Mio.-Paket für mehr Fahrradinfrastruktur verwies. Davon würden auch kleine Firmen bei der Umsetzung profitieren, und es werde für diese leichter, aus der Coronavirus-Krise herauszukommen. Stadtplanung und Wohnen müssten ebenfalls anders gesehen werden, so Anschober und verwies auf Initiativen, Städte wie Wien kühler zu machen.

Felder im Frühjahr
ORF.at/Günther Rosenberger
Der Frühling war in Österreich durch besonders wenig Niederschlag geprägt

Die Klimakrise habe während der Coronavirus-Pandemie keine Pause gemacht, verwies Gewessler etwa auf einen der trockensten Frühlinge in Österreich. Die Coronavirus-Krise habe aber auch gezeigt, dass ein gemeinsames Handeln sehr wohl etwa bewirken könne, so Anschober. Es brauche allerdings ein gemeinsames Bekenntnis, so Hutter. Gewessler will bis 2040 Klimaneutralität erreichen, Ende des Jahres soll eine erste Stufe beim Klimaschutzgesetz erreicht werden. In Arbeit ist laut Gewessler auch eine Studie über die wirtschaftlichen Schäden in Österreich durch Nichthandeln im Klimaschutz.

Appell von Van der Bellen

Mit einem gemeinsamen Appell setzten sich auch die Bundespräsidenten Österreichs, Deutschlands und der Schweiz, Alexander Van der Bellen, Frank-Walter Steinmeier und Simonetta Sommaruga, anlässlich des Weltumwelttages für Klima- und Umweltschutz und „Arbeitsplätze mit Zukunft“ ein. Man müssen nach Wochen im Coronavirus-Krisenmodus wieder an Gegenwart und Zukunft denken. Der Alltag in Europa sei "schon lange geprägt durch extreme Hitzesommer, Überschwemmungen und Dürren. Diese Wetterausschläge sind Folge des Klimawandels“, so Van der Bellen, Sommaruga und Steinmeier. Das Coronavirus habe das „aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt“.

Doch die Klimakrise sei nicht verschwunden, und es werde auch keinen Impfstoff dagegen geben. "Dass die Weltklimakonferenz wegen der Coronavirus-Pandemie verschoben werden muss, heißt nicht, dass die Klimapolitik verschoben werden kann“, so die drei Politiker. Wie bei der Pandemie gelte in der Klimapolitik die Strategie „flatten the curve“, um den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu reduzieren.

Kein „Weiter-so nach eingefahrenen Mustern“

Es sei richtig gewesen, dass Staaten mit viel Geld Hunderttausende von Arbeitsplätzen retten, es dürfe aber kein „Weiter-so nach eingefahrenen Mustern“ geben. „Wir brauchen einen Neustart für unsere Wirtschaft mit Innovationen, die konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind“, so die gemeinsame Forderung. „Eine gesunde Wirtschaft, die wegkommt von Kohle, Öl, Gas und Abfallbergen, schafft Wachstum und Arbeitsplätze mit Zukunft.“

Erfolgreiche Klimapolitik müsse man mit der Bevölkerung gestalten, hieß es weiter. Dazu müssten die Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Einkommen klimaverträglich leben können. Es brauche Investitionen in saubere Mobilität, bessere Zugsverbindungen, Fernwärmenetze und in energieeffiziente Häuser und Wohnblocks. Ein klimaverträglicher Alltag sei auch durch Videokonferenzen und Homeoffice möglich, wie sich der Coronavirus-Krise gezeigt habe.

UNO startet Klimaschutzinitiative

Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen startete unterdessen eine neue Initiative im Kampf gegen die Erderwärmung. Die Kampagne steht unter dem Motto „Race to Zero“ – gemeint ist das Ziel, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase wie Kohlendioxid möglichst auf null zu senken.

Den Angaben zufolge haben sich inzwischen knapp 1.000 Unternehmen, 458 Städte, 24 Bundesstaaten und Regionen, 500 Universitäten und 36 Großinvestoren verpflichtet, bis spätestens 2050 ihre Emissionen auf netto null zu drücken. Unter den Unternehmen sind Rolls-Royce, Nestle und Inditex (Zara). Inzwischen haben sich auch mehr als 120 Staaten dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden.