Alma Zadic
ORF.at/Lukas Krummholz
Fund des „Ibiza“-Videos

Zwei Ministerien, viele Wege zur Erkenntnis

Ein Minister und eine Ministerin haben am Freitag dem „Ibiza“-U-Ausschuss darüber Auskunft geben müssen, wieso die Übermittlung des „Ibiza-Videos“ so lange dauert. Dabei trat zutage, dass in der Kommunikation zwischen Innenministerium und Justizministerium ausgerechnet der Fund des Videos ausgespart wurde. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) erfuhr davon erst aus den Medien.

Bereits bei der Befragung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wurde ein Bild der Nichtkommunikation gezeichnet. So gab er etwa an, Zadic lediglich über „Ermittlungserfolge“ informiert zu haben – dass das „Ibiza-Video“ durch die „SoKo Ibiza“ sichergestellt wurde, erwähnte er im Zuge einer Unterredung mit der Ministerin nicht.

Zadic – sie stand dem Ausschuss nach Nehammer Rede und Antwort – bestätigte das und gab darüber hinaus an, am Mittwoch (27. Mai) aus den Medien von der Sicherstellung des vollständigen Materials im Umfang von zwölf Stunden erfahren zu haben („Die Medienberichte sind aufgeschlagen, dann sind alle in mein Büro gestürmt“).

Karl Nehammer
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Nehammer hat „andere Sorgen“ als den Ausschuss: „Aufregung über Status des Videos hält sich in Grenzen“

Zadic schilderte, dass Nehammer sie zwar im Vorfeld auf eine mögliche öffentliche Darstellung der „Ermittlungserfolge“ angesprochen und den Vorschlag geäußert habe, eine gemeinsame Pressekonferenz dazu abzuhalten. Das gab auch Nehammer bei seiner Befragung zu Protokoll – doch vervollständigte Zadic die Darstellung: Sie habe nämlich einen vorgeschlagenen gemeinsamen Auftritt verneint, weil das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Pilnaceks Wissensstand

Doch auch im eigenen Ressort schien Zadic nicht die Erste gewesen zu sein, die von der Sicherstellung des Videos Wind bekam: So gab die Ministerin an, dass ihr über Medien zugetragen worden sei, dass ihr Büro schon am Montag (25. Mai) von dem Video erfahren habe – das habe sie sehr überrascht.

„Ich habe dann natürlich sofort zum Telefon gegriffen, um das aufzuklären.“ Im Zuge dessen habe sich herausgestellt, dass bereits am 25. Mai (also dem Montag, zwei Tage vor ihrem letztlichen Erkenntnisgewinn in Sachen Video) eine Besprechung mit ihrem Kabinett, konkret Sektionschef Christian Pilnacek und einem Abteilungsleiter, stattgefunden habe. Es sei davon die Rede gewesen, dass „die SoKo Tape (SoKo Ibiza, Anm.) ein Hintergrundgespräch mit Journalisten plant“.

Pilnacek habe dazu geraten, dass auch ein Mediensprecher der Staatsanwaltschaft daran teilnehmen sollte. Am Rande dieses Gesprächs im Ministerium soll auch von der Existenz des Videos gesprochen worden sein. Es hätten sehr viele Menschen an dieser Besprechung teilgenommen, manche hätten das Wort Video gehört, manche nicht.

SPÖ: „Fürchterliches Schauspiel“

Doch Zadic war sichtlich bemüht, den Ball flach zu halten: Es mache keinen Unterschied, ob sie nun am Montag oder am Mittwoch von der Existenz des Videos erfahren hat. Auch erwarte sie nicht, dass der Innenminister sie zu dieser Sache informiert. Zudem berichte die Staatsanwaltschaft nur über „bedeutende“ Verfahrensschritte. Ob der Fund des ganzen Materials bedeutend sei oder nicht, ließ die Ministerin offen.

Bekannt wurde ferner, dass um den 20. April herum dem Staatsanwalt bereits Sequenzen des damals frisch sichergestellten Videos vorgespielt worden sind. SPÖ-Fraktionsvorsitzender Kai Jan Krainer fand es „absurd“, dass eine Justizministerin erst einen Monat nach der Beschlagnahmung des Videos davon erfährt.

Alma Zadic
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Zadic hat erst aus den Medien von der Sicherstellung des Videos erfahren

Die SPÖ sah ein „fürchterliches“ Schauspiel, wie das Innenministerium und Teile des Justizministeriums in der Sache agiert hätten. Letztlich gehe es wohl darum, dass die ÖVP entscheide, wer wann vom Video erfahre. Auch die FPÖ schloss sich dieser Darstellung an. Der Auftritt des Innenministers im Ausschuss habe dieses Bild einmal mehr gezeichnet.

Nehammer lange zu keiner klaren Aussage bereit

Nehammer hatte bei seiner Befragung im Ausschuss Wirbel ausgelöst, weil er erst im Zuge vielfacher Nachfrage bereit war, mehr oder weniger klar zu sagen, dass er Zadic nicht über den Videofund informierte. Überhaupt sei es nicht seine Aufgabe, die Justizministerin über Ermittlungserfolge zu informieren. Nehammer dazu: „Die Justizministerin hat die Staatsanwaltschaft ja in ihrem Haus.“

Höchst bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Bundeskriminalamt nur eine von zwei beauftragenden Staatsanwaltschaften über den Fund des Videos informiert hat – auch das war Thema im Ausschuss und sorgte vor allem bei der SPÖ einmal mehr für Kopfschütteln. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die die Beschaffung des „Ibiza-Videos“ ebenfalls beauftragt hat, erfuhr wie Zadic aus den Medien vom Ermittlungserfolg.

SoKo muss „Ibiza-Video“ erst „in Form bringen“

Thema in beiden Befragungen war freilich auch die schleppende Lieferung des Videos an den U-Ausschuss, was konkret auch dazu führt, dass das Gremium über eine Vielzahl von Informationen, die für die parlamentarische Untersuchung nötig wären, gar nicht verfügt. Die Entscheidung, welche Beweismittel dem Ausschuss vorzulegen sind, sei Angelegenheit der Staatsanwaltschaft, gab Zadic an. Noch liege der „Soko Ibiza“ keine Abschrift des „Ibiza-Videos“ vor, es werde derzeit von der Kriminalpolizei „ausgewertet“.

Es werde, so keine Gründe dagegen sprechen, in der Folge dem Ausschuss vorgelegt werden – einen Zeithorizont konnten weder Nehammer noch Zadic angeben. „Ich kann nicht beurteilen, wie lange das dauern wird“, so Zadic. Die „SoKo Ibiza“ brauche Zeit, „alles in Form zu bringen“ – das betreffe etwa Übersetzungen und unverständliche Stellen. Nehammer sprach von einer „komplexen Auswertung“ – es werde jedenfalls „mit Hochdruck“ daran gearbeitet.

Warum den Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ und des „Spiegels“ in dreieinhalb Tagen die Transkription gelang, wollte Nehammer nicht beurteilen: „Ich verlasse mich auf die Angaben meiner Beamten.“ Generell halte sich seine Aufregung über den Status des Videos in Grenzen, so Nehammer, schließlich habe er innerhalb der vergangenen Wochen mit der Coronavirus-Krise einen anderen Fokus gehabt.

Neue Ladung für Milliardäre angekündigt

Zadic und Nehammer sprangen quasi als Auskunftspersonen ein. Ursprünglich geladen waren für Freitag die im „Ibiza-Video“ als Spender genannten Milliardäre Heidi Goess-Horten, Johann Graf und Gaston Glock. Alle drei haben aus gesundheitlichen Gründen – und unter Verweis auf Zugehörigkeit zur Covid-19-Risikogruppe – abgesagt. Goess-Horten und Graf sollen nochmals geladen werden, darüber gebe es quer durch die Fraktionen Einigkeit, hieß es. Beim Waffenproduzenten Gaston Glock sei der Entschuldigungsgrund glaubhaft.