Das britische Mädchen war 2007 im Alter von fast vier Jahren aus einer Appartementanlage in Praia da Luz verschwunden. Diese Woche hatten das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) und die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekanntgegeben, dass ein mehrfach vorbestrafter 43 Jahre alter Deutscher unter Mordverdacht steht. Die Ermittler gehen davon aus, dass „Maddie“ tot ist.
Der Beschuldigte Mann lebte zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve, darunter einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Immer wieder pendelte er zwischen Deutschland und Portugal, wurde in beiden Ländern mehrmals straffällig.
Die „Magdeburger Volksstimme“ berichtete am Freitag über Verbindungen des Beschuldigten auch nach Sachsen-Anhalt. Dort war die fünfjährige Inga vor fünf Jahren aus einem Wald bei Stendal verschwunden. Sie hatte mit ihrer Familie einen Ausflug gemacht, man wollte Holz für ein Lagerfeuer suchen. Nachdem Inga nicht zurückgekehrt war, begann eine große Suchaktion auf dem gut 3.500 Hektar großen Gelände, Hubschrauber wurden eingesetzt, ebenso Suchhunde. Nun prüfen die Ermittler, ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gibt.
Noch kein Haftbefehl möglich
Der verdächtige 43-Jährige soll ein Grundstück im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt besessen haben. Dort fanden Beamte den Informationen der Zeitung zufolge im Februar 2016 einen Stick mit Kinderpornografie. Die „Magdeburger Volksstimme“ berichtete ebenfalls von einem Vorfall des Mannes auf einem Autobahnparklatz bei Helmstedt im benachbarten Bundesland Niedersachsen einen Tag vor Ingas Verschwinden am 2. Mai 2015. Der Beschuldigte im Fall McCann sei zwischen Braunschweig und Börde gependelt. Der Ort, an dem Inga verschwand, liegt mit etwa 100 Kilometern in nordöstlicher Richtung abseits der Route.
Die Hinweise auf den Mann verdichteten sich zuletzt zunehmend. „Für einen Haftbefehl oder eine Anklage reicht es noch nicht aus“, sagte aber Hans Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Freitag. Laut „Spiegel“ weist das Strafregister des Mannes insgesamt 17 Einträge auf. Er sitzt derzeit in Kiel eine alte Haftstrafe ab, die das Amtsgericht Niebüll bereits 2011 gegen ihn verhängt hatte. Dabei ging es um Handel mit Betäubungsmitteln.
Zeitweise aus Haft entlassen
Parallel ist wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet. Denn zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig am 16. Dezember 2019 wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft. Er hatte 2005 in Praia da Luz eine damals 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision liegt beim Bundesgerichtshof.
Der Verdächtige wurde laut Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ vor knapp zwei Jahren in Schleswig-Holstein zeitweise aus der Haft entlassen. Er habe sich anschließend frei in Europa bewegen können und sei nach Italien gereist. In Braunschweig hatte er seinen letzten deutschen Wohnsitz, weshalb auch die dortige Staatsanwaltschaft zuständig ist. Aus Gerichtsunterlagen geht hervor, dass der Mann ab Dezember 2012 zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin einen Kiosk in Braunschweig eröffnete. Nach der Trennung führte er das Geschäft allein weiter, bis er nach etwa eineinhalb Jahren den Kiosk und die angrenzende Wohnung aufgrund eines Burn-out aufgab.
Eine Stellungnahme lehnten die Verteidiger des Mordverdächtigen ab. Wann mit einer solchen zu rechnen sei, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, teilte einer der beiden Verteidiger, Jan-Christian Hochmann, der Deutschen Presse-Agentur mit.
Ermittlungen „Hoffnungsschimmer“
„Maddies“ Familie bezeichnete die neuen Mordermittlungen laut ihrem Anwalt als „Hoffnungsschimmer“. Die neue Spur erscheine ihm „solider“ als frühere von den Behörden verfolgte, sagte der Anwalt Rogerio Alves am Freitag.
„Es gibt Elemente, die mir ermutigend erscheinen.“ In der Vergangenheit seien Maddies Eltern häufig misstrauisch gegenüber Spuren gewesen, die eine Lösung des Falls versprochen hätten. Die jüngsten Entwicklungen seien dagegen eindeutig „ein Hoffnungsschimmer“. Zur Einschätzung der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die von „Maddies“ Tod ausgeht, sagte der portugiesische Anwalt: „Das ist eine Möglichkeit.“ Er glaube jedoch nicht, dass die deutsche Staatsanwaltschaft Beweise für den Tod des Mädchens habe.