Tirols Landeshauptmann Günther Platter
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Landeshauptmann Platter

„Wir sind in Tirol immer vorausgegangen“

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat die Entscheidungen nach Ausbruch der Coronavirus-Krise am Sonntag in der „Pressestunde“ verteidigt. Mit dem Wissen von damals habe man richtig gehandelt. Die Entwicklung zeige „eine Erfolgsgeschichte“. Personelle Konsequenzen gibt es in Tirol nicht.

Das Nachrichtenmagazin „profil“ hatte am Samstag berichtet, dass mehrere Apres-Ski-Lokale in Ischgl auch noch offen blieben, nachdem am 10. März eine behördliche Schließung angeordnet worden war. Der Bericht berief sich auf den 1.000-seitigen Zwischenbericht, den das Landeskriminalamt Tirol im Auftrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck erstellte. Die Polizei sei allerdings nicht sofort gegen die Verstöße vorgegangen.

Wenn sich jemand nicht an die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft gehalten habe, „wenn es tatsächlich so war“, müsse man auch Strafen aussprechen, so Platter am Sonntag.

Es sei unbestritten, dass das Virus, das sich auf der ganzen Welt ausgebreitet hat, nicht in Tirol entstanden sei. Am Höhepunkt habe das Bundesland 3.500 Erkrankte gezählt, nun seien es zehn. „Da sieht man, wie hier gearbeitet wurde“, so Platter. „Das ist eine Erfolgsgeschichte, die ich mir nicht schlechtreden lasse“, sagte Platter.

„Schwerste Entscheidung“

Immer wieder war Kritik laut geworden, Tirol habe mit seinen Maßnahmen gegen das Virus zu lange zugewartet, um Touristiker und Seilbahnbetreiber nicht zu verärgern. „Wir in Tirol sind immer vorausgegangen“, antwortete Platter. Am 7. März habe man den ersten positiven CoV-Fall in Ischgl gehabt, und innerhalb von fünf Tagen sei die Skisaison beendet worden. Die Isolation Tirols sei „die schwerste Entscheidung“ gewesen, so Platter. „Da sind eineinhalb Milliarden einfach so weg.“ Es habe auch viel Kritik am vorzeitigen Ende der Skisaison gegeben, da es in einigen Teilen Tirols zu diesem Zeitpunkt noch keine CoV-Fälle gegeben habe. Er sei aber froh, dass die Entscheidung damals so fiel, um einen Urlauberwechsel zu vermeiden.

Zum Krisenmanagement in Tirol

LH Platter verteidigte sich am Sonntag in der „Pressestunde“ gegen Kritik an den pandemiebedingten Entscheidungen.

Für Aufregung hatte auch die Entscheidung gesorgt, die Gäste aus dem Paznauntal und aus St. Anton am Arlberg am 13. März abreisen zu lassen. Viele Gäste packten innerhalb weniger Stunden ihre Koffer und verließen Tirol, um der Quarantäne zu entgehen. Eine Alternative habe es nicht gegeben, so Platter. „Was glauben Sie, was da losgewesen wäre, wenn wir 10.000 Gäste im Paznauntal eingesperrt hätten?“ Deshalb habe man die Ausreise mit dem Gesundheitsministerium so vereinbart.

Warnungen aus Island

Platter verteidigte sich auch gegen die Kritik, man habe die Warnungen aus Island nicht ernst genommen. Island hatte Ischgl am 5. März zum Risikogebiet erklärt. Platter sagte, als man Kenntnis darüber erlangte, habe man alle notwendigen Schritte veranlasst. Die isländischen Gäste, die sich in Tirol infiziert hatten, seien zu diesem Zeitpunkt aber schon abgereist gewesen. „Aber man kann nicht hinter jedem Gast einen Polizisten hinterherschicken“, so Platter. Durch das Außenministerium habe man sich um Kontakte zu den Personen bemüht und Testungen veranlasst. Auch in Tirol sei getestet worden, und zwar mehr als damals verordnet. So habe man überhaupt den ersten positiven Fall entdeckt. Sukzessive habe man dann die Fälle ausfindig machen können.

Zur Zukunft des Tourismus in Tirol

Platter kann sich eine Eingrenzung des Apres-Ski-Betriebs vorstellen.

Abermals beteuerte Platter, dass man „mit dem damaligen Wissensstand“ richtig gehandelt habe. „Ein Buch von hinten zu lesen ist recht einfach.“ Es habe sich um eine Ausnahmesituation gehandelt, da würde wohl niemand in der Rückschau sagen können, dass alles ohne „prekäre Situationen“ abgelaufen sei. Damals habe er nach „bestem Wissen und Gewissen“ entschieden.

Kommission soll „ohne Rücksicht“ arbeiten

Nun habe man eine Expertenkommission unter der Leitung des ehemaligen Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ronald Rohrer, eingesetzt. Sie solle alles genau aufarbeiten, „ohne Rücksicht auf Personen und Institutionen“, wie Platter sagte. Rohrer habe viel Erfahrung, er werde sich zunächst Daten und Unterlagen besorgen und dann mit Anhörungen fortsetzen. Platter rechnet mit einem Bericht der Kommission nicht vor Oktober.

Liege der Bericht einmal auf dem Tisch, könne man eine Bewertung vornehmen. Einen Austausch in der Tiroler Landesregierung sah Platter auch nach der scharfen Kritik an Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) vorerst nicht. Man wolle zunächst den Kommissionsbericht abwarten. Tilg hatte gleich zu Beginn der COV-Krise darauf bestanden, dass das Land Tirol keine Schuld treffe. „Ich halte fest an meinem Team, ich brauche erfahrene Leute“, so Platter am Sonntag – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Zur Entgleisung von Josef Geisler

Geislers Entgleisung sei inakzeptabel gewesen, einen Rücktritt gibt es aber nicht.

Das Image, das sich in den vergangenen Monaten von Tirol als Urlaubsort gebildet habe, sei falsch, so Platter. Die Menschen würden ansonsten nicht immer wiederkommen. In Zukunft wolle man aber noch mehr auf Nachhaltigkeit und Ganzjahrestourismus setzen. „Tourismus in Tirol ist nicht nur Apres-Ski.“ Ganz ohne Partygäste gehe es aber auch nicht. Deshalb werde nun eine zeitliche Begrenzung für den Apres-Ski-Betrieb überlegt, um ihn einzudämmen.

Frauenbild ist „absolut in Ordnung“

Zu verteidigen hatte Platter auch eines seiner Regierungsmitglieder an anderer Front: seinen Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP). Auch er war in die Schlagzeilen geraten, ganz abseits der COV-Krise, als er eine WWF-Aktivistin vor laufender Kamera „widerwärtiges Luder“ nannte. Platter sprach von einer inakzeptablen Entgleisung. Geisler habe sich entschuldigt, es werde kommende Woche auch noch eine direkte Aussprache mit der Aktivistin geben. „Ich weiß, dass es ihm unglaublich peinlich ist, dass ihm das passiert ist“, so Platter. Geisler sei aber ein gutes Regierungsmitglied, auf das man sich verlassen könne. „Das Frauenbild, das wir haben, ist absolut in Ordnung, aber das war eine Entgleisung“, sagte Platter. Ein Rücktritt sei auch bei Geisler nicht angebracht, zumal es keine Mehrheit für einen Misstrauensantrag gebe.

Platter, der am Sonntag seinen 66. Geburtstag feierte, sah keinen Anlass, über eine Nachfolge zu reden. Gerüchte, wonach Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) seine Nachfolge antreten könnte, wollte er nicht kommentieren. Er sei 2018 für fünf Jahre gewählt worden. Ob er dann nochmals anzutreten gedenke, werde er rechtzeitig bekanntgeben.