Polizisten in Minneapolis
Reuters/Eric Miller
Rassismus in USA

Minneapolis gründet Polizei völlig neu

Als Konsequenz aus dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd soll die Polizeiarbeit in der US-Großstadt Minneapolis völlig neu organisiert werden. Der Stadtrat beschloss am Sonntag, die örtliche Polizeibehörde komplett aufzulösen und eine neue Struktur für die Polizeiarbeit zu schaffen, wie Mitglieder des Rats mitteilten.

In dem Gremium habe Einigkeit darüber geherrscht, dass die Polizeibehörde „nicht reformierbar“ sei, schrieb das Mitglied Alondra Cano auf Twitter. Die Stadtratsvorsitzende Lisa Bender sagte im Nachrichtensender CNN, in Minneapolis solle ein „neues Modell der öffentlichen Sicherheit“ geschaffen werden, „das unsere Gemeinde tatsächlich sicher hält“. Die vergangenen Jahrzehnte hätten gezeigt, dass die Polizei nicht reformierbar sei. Wie die bisherige Polizeibehörde ersetzt werden soll, werde der Stadtrat noch diskutieren.

Die Entscheidung fiel mit neun der 13 Stimmen und kann damit laut „New York Times“ nicht durch ein Veto gestoppt werden. Für viele Aktivistinnen und Aktivistinnen, die seit Jahren eine grundlegende Reform fordern, sei das ein „Wendepunkt“. Die Ankündigung entspricht auch den Forderungen quer durch die USA, die Aufgaben und das Vorgehen der Polizei zu überdenken. Demonstranten hatten bei den Protesten auch immer wieder „defund the police“ (etwa: Weniger Budget für die Polizei, Anm.) skandiert.

„Polizeilose Zukunft“

„Wir anerkennen, dass wir nicht alle Antworten darauf haben, wie eine polizeilose Zukunft aussehen wird, aber unsere Gemeinschaft hat sie“, hielten die neun Stadtratsmitglieder in einem vor Demonstranten verlesenen Statement fest, berichtete die Zeitung „Star Tribune“ (Onlineausgabe). Man wolle nun mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern, die dazu bereit seien, darüber reden, „wie sie sich Sicherheit vorstellen“.

Mehrere Stadtratsmitglieder deuteten laut der Zeitung aber mögliche Wege an, etwa, dass zu gewissen Notfällen nicht die Polizei, sondern Sozialarbeiter oder Rettungsleute geschickt werden. Noch am Wochenende hatte sich der liberale Bürgermeister Jacob Frey gegen eine komplette Auflösung der Polizei ausgesprochen.

Demonstranten beim Tatort
AP/Bebeto Matthews
Protest und Gedenken am Tatort, an dem Floyd, auf dessen Hals ein Polizist minutenlang kniete, starb

Landesweite Protestwelle gegen Rassismus

Der Vorfall löste landesweite Proteste in den USA sowie zahlreiche Demonstrationen auch in anderen Ländern gegen Polizeigewalt und Rassismus aus, unter ihnen Österreich. Die Proteste in den USA gingen am Sonntag weiter. Sie fanden unter anderem in New York und Washington statt.

Bei den Märschen durch die Metropolen war die Stimmung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer überwiegend fröhlich und hatte nichts mehr mit den Ausschreitungen voller Wut und Gewalt der vergangenen zwei Wochen gemein. Grund für den Stimmungswechsel ist, dass die Forderungen der Demonstranten nach Polizeireformen unter anderem in Minneapolis und New York Gehör fanden.

In New York marschierten am Sonntagnachmittag mindestens ein halbes Dutzend lose organisierte Gruppen bei strahlendem Sonnenschein durch Manhattan. Sie trugen handgefertigte Schilder, auf denen zu lesen war: „Finanziert die Schulen, nicht die Polizei“ („Defund the police, fund schools“).

New York: Weniger Geld für Polizeiarbeit

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio hatte zuvor die Aufhebung der Ausgangssperre für Sonntag angekündigt, einen Tag früher als geplant. Es stehe nun eine Reihe von Reformen an, um das Vertrauen zwischen den Bewohnern der Stadt und der Polizei wieder aufzubauen, sagte de Blasio. Dafür sollen Teile des Polizeibudgets künftig in Jugend- und Sozialdienste fließen.

Auch die Verfolgung von illegalen Straßenhändlern werde nicht mehr in den Händen der Polizei liegen, da die Vorschriften in der Vergangenheit oftmals zur Diskriminierung von Minderheiten missbraucht worden seien, so der Bürgermeister.

Demokraten legen Kongress Reformpaket vor

In Washington teilten afroamerikanische Kongressabgeordnete der oppositionellen Demokraten mit, dass sie am Montag eine Gesetzesvorlage für eine stärkere Kontrolle der Polizeibehörden in das Repräsentantenhaus einbringen wollten.

Vorgesehen ist darin unter anderem, dass Beamte leichter für brutale Einsätze mit tödlichen Folgen juridisch verfolgt werden können. Auch sollen Festhaltetechniken wie jene, die zu Floyds Tod führten, verboten werden. Ferner soll der Gesetzesinitiative zufolge eine Datenbank zum Fehlverhalten von Polizisten eingerichtet werden.

Kniender Protest vor Weißem Haus

In Washington knieten am Sonntagnachmittag nach Berichten in Sozialen Netzwerken Tausende Demonstranten auf der Straße vor dem Weißen Haus und skandierten „Ich kann nicht atmen“. Am neu errichteten Zaun um den Regierungssitz des US-Präsidenten Donald Trump wurden von Demonstranten Schilder angebracht, auf denen unter anderem zu lesen stand: „Black Lives Matter“ und „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“ („No justice, no peace“).

Trump will am Montag im Weißen Haus mit Polizei und Sicherheitskräften sprechen, sein Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl, Joe Biden, hingegen Floyds Familie treffen. Einen Tag vor der Beerdigung des Afroamerikaners in Houston im US-Staat Texas will Biden die Angehörigen zu einem Gespräch treffen, berichteten mehrere US-Medien übereinstimmend. Biden werde aber am Dienstag nicht selbst an der Beerdigung teilnehmen.