Mehrere US-Demokraten gingen im Kongress neun Minuten auf die Knie.
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Kniefall im Kongress

US-Demokraten wollen Polizei reformieren

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz haben die US-Demokraten im Kongress einen Gesetzesentwurf gegen Polizeigewalt vorgestellt. Vor der Pressekonferenz zum Thema gingen führende US-Demokraten im Gedenken an Floyd im Kongress fast neun Minuten auf die Knie.

Der Entwurf sehe unter anderem eine einfachere Strafverfolgung bei polizeilichem Fehlverhalten vor, sagte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bei einer Pressekonferenz am Montag im Kongress. Polizeigewalt solle außerdem etwa durch den verstärkten Einsatz von Körperkameras bekämpft werden. Umstrittene Polizeimethoden wie Würgegriffe bei Festnahmen sollten verboten werden.

Pelosi sagte, Polizeigewalt spiegle „ein tief verwurzeltes System der Rassenungerechtigkeit in Amerika“ wider. Der Gesetzesentwurf sei nur ein erster Schritt dagegen. Notwendig sei ein Strukturwandel. Pelosi sprach von einem „Märtyrertod“ Floyds und anderer Opfer von Polizeigewalt. Die Erfolgsaussichten des Gesetzesentwurfs sind unklar: Die Demokraten kontrollieren das Repräsentantenhaus, der Senat wird jedoch von den Republikanern von US-Präsident Donald Trump dominiert.

„Geburt einer neuen Bewegung“

Die Abgeordnete Karen Bass zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass der Entwurf zum Gesetz wird. Die Vorsitzende des Congressional Black Caucus – einer Vereinigung afroamerikanischer Abgeordneter – begründete das unter anderem mit den Protesten, die sich weit über die Grenzen der USA ausgebreitet haben. „Die Welt wird Zeuge der Geburt einer neuen Bewegung in unserem Land“, sagte Bass. Sie betonte mit Blick auf die Polizei: „Ein Beruf, in dem man die Macht hat zu töten, sollte ein Beruf sein, der gut ausgebildete Beamte erfordert, die der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig sind.“

Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, sagte, womöglich erhöben Republikaner ihre Stimme nicht gegen Polizeigewalt, weil sie hofften, dass das Thema wieder verschwinde. „Ich verspreche ihnen: Das wird es nicht.“ Schumer forderte den Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, dazu auf, eine Debatte in der Parlamentskammer zuzulassen.

Demokraten hielten 8:46 Minuten inne

Vor der Pressekonferenz erinnerten Parlamentarier der oppositionellen US-Demokraten mit einem Kniefall und minutenlangem Schweigen an den getöteten Afroamerikaner Floyd. Prominente Oppositionsvertreter wie Pelosi und Schumer hielten 8:46 Minuten lang schweigend inne. So lange hatte ein weißer Polizist in Minneapolis sein Knie auf Floyds Nacken gedrückt, obwohl der Afroamerikaner wiederholt klagte, er bekomme keine Luft mehr.

Die demokratischen Vertreter von Repräsentantenhaus und Senat kamen in der Emancipation Hall des US-Kongresses zusammen. Der Saal erinnert an Sklaven, die beim Bau des Kapitolgebäudes im 18. Jahrhundert eingesetzt wurden.

Protestform nach Football-Spieler bekannt

Floyds gewaltsamer Tod vor zwei Wochen hat in den USA für Entsetzen und Empörung gesorgt und landesweite Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus ausgelöst. Auch in Österreich und zahlreichen weiteren Staaten gab es Demonstrationen. Dabei gingen Demonstranten immer wieder auf die Knie.

Die Protestform wurde durch den afroamerikanischen Football-Spieler Colin Kaepernick bekannt. Der damalige Quarterback der San Francisco 49ers begann 2016 damit, vor NFL-Spielen bei der Nationalhymne auf die Knie zu gehen, um gegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner zu protestieren. Das führte zu einer erhitzten politischen Debatte.

US-Präsident Donald Trump.
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Trump hält einige Punkte der demokratischen Gesetzesreform für „inakzeptabel“

Trump prüft verschiedene Vorschläge

Trump prüft seiner Sprecherin zufolge mehrere Vorschläge, die als Reaktion auf den gewaltsam Tod Floyds gemacht wurden. Der von den Demokraten vorgelegte Gesetzentwurf gegen Polizeigewalt enthalte jedoch inakzeptable Punkte, sagte Kayleigh McEnany am Montag. Der Präsident sei zudem entsetzt über die Bewegung, die eine Kürzung der Gelder für die Polizei fordere, sagte sie weiter. Gleichwohl sei Trump der Meinung, dass es Fälle von Rassismus bei der Polizei gebe.

Zuvor warf Trump den Demokraten vor, den Polizeibehörden im Land die Finanzierung zusammenzustreichen und die Polizei „abschaffen“ zu wollen. Der Präsident schrieb in Großbuchstaben auf Twitter: „Recht und Ordnung“. Er fügte hinzu: „Die radikalen linken Demokraten sind verrückt geworden!“ Die Demokraten „würden Amerika zerstören“.

Polizeireformen in Bundesstaat New York

Auch der Bundesstaat New York will nun Teile seiner Polizeiarbeit ändern. Unter anderem sollen die Ergebnisse von Disziplinarverfahren gegen Polizisten künftig besser öffentlich zugänglich sein und Würgegriffe durch Einsatzkräfte verboten werden, kündigte der Gouverneur des Staates, Andrew Cuomo, an. Diese Veränderungen könnten das Repräsentantenhaus und der Senat des Staates noch diese Woche beschließen, hieß es weiter.

Eine Million Dollar Kaution für Ex-Polizisten

Indes wurde die Kaution für den hauptbeschuldigten Ex-Polizisten Derek Chauvin auf eine Million Dollar festgelegt. Der inhaftierte 44-Jährige wurde am Montag erstmals per Video in einen Gerichtssaal in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota zugeschaltet.

Richterin Jeannice Reding setzte die Kaution auf eine Million Dollar (rund 885.000 Euro) fest und nannte zudem eine Reihe weiterer Bedingungen für eine vorläufige Haftentlassung Chauvins. Der entlassene Polizist darf bei einer Freilassung den Bundesstaat Minnesota nicht verlassen, darf keinen Kontakt zur Familie Floyds aufnehmen und muss Schusswaffen in seinem Besitz abgeben. Der nächste Gerichtstermin wurde für den 29. Juni festgesetzt. Drei weitere an der Festnahme beteiligte Polizisten wurden ebenfalls entlassen und der Beihilfe beschuldigt.

Trauerfeier für George Floyd
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Vor Floyds Beisetzung nahmen Hunderte Menschen an einer Trauerfeier in Houston teil

Am Tag vor der Beisetzung Floyds nahmen überdies Trauernde im texanischen Houston Abschied von ihm. In der Stadt, in der Floyd aufgewachsen war, säumten am Montag US-Flaggen den Weg zur Kirche Fountain of Praise, wo sein Sarg aufgebahrt war. Hunderte Menschen standen vor dem Gotteshaus Schlange.

Biden sieht „Wendepunkt in Geschichte der USA“

Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten in den USA, Joe Biden, traf sich zudem mit Floyds Familie, darunter dessen sechs Jahre alte Tochter Gianna. Sie hatte kürzlich gesagt, ihr Vater habe die Welt verändert. „Ich glaube, ihr Vater wird die Welt verändern“, sagte Biden dem Sender CBS in Anspielung auf Giannas Aussage. „Ich glaube, was hier passiert ist, ist einer dieser großen Wendepunkte in der amerikanischen Geschichte, was bürgerliche Freiheiten, Bürgerrechte und die gerechte Behandlung von Menschen mit Würde betrifft“.

Biden sprach sich klar gegen die drastische Kürzung der Finanzierung der Polizeibehörden aus – eine Forderung, die bei den Protesten seit Floyds Tod zunehmend Widerhall findet. Vielmehr unterstütze er, Bundesmittel an Bedingungen zu knüpfen, nämlich daran, ob die Polizei „bestimmte grundlegende Standards von Anstand und Ehrenhaftigkeit“ erfülle, sagte Biden. Konkreter wurde er nicht. CBS zeigte nur einen Ausschnitt aus dem Interview, das zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt werden soll.