Ein Adidas Geschäft in Manhattan in New York City.
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Rassismus

Mitarbeiter entlarven Großkonzerne

In den USA, Europa und Australien gehen seit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd Hunderttausende Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße. Auch unzählige Konzerne zeigten sich seither solidarisch mit den Demonstrierenden – und sorgten damit für Irritationen bei ihren eigenen Mitarbeitern.

„Wir stehen Seite an Seite mit der schwarzen Gemeinschaft“, teilte der US-Kosmetikkonzern Estee Lauder Anfang Juni über seinen Instagram-Account mit. Den Instagram-Auftritt des deutschen Sportartikelherstellers adidas ziert seit Ende Mai das durchgestrichene Wort „Rassismus“ in weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund. In Sozialen Netzwerken gehen die Reaktionen auf solche Bekenntnisse, die das Internet aktuell überfluten, auseinander: Sie reichen von Lob bis zu Rufen nach echter Veränderung.

Geht es nach einigen Angestellten jener Konzerne – aber auch einiger anderer –, dann handelte es sich beim Image der Unternehmen sowie der tatsächlichen Unternehmenskultur bis zuletzt um zwei verschiedene Paar Schuhe. Bei adidas sei Letztere alles andere als gerecht, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“) noch Anfang der Woche mit Verweis auf einige afroamerikanische adidas-Angestellte.

Konkret geht es den Mitarbeitern vor allem auch darum, dass es gerade für Schwarze schwer sei, in führende Postitionen aufzusteigen. Zudem schickte eine Gruppe schwarzer Mitarbeiter eine Präsentation mit dem Titel „Unser Notstand“ an die Unternehmensführung. Darin wurde der Sportartikelhersteller aufgerufen, den Anteil schwarzer und lateinamerikanischer Mitarbeiter bis 2021 auf jeder Ebene des Unternehmens auf 31 Prozent zu erhöhen. Adidas wurde darin auch aufgefordert, 50 Millionen Dollar an afroamerikanische Communitys und NGOs zu spenden.

Adidas beugt sich der Kritik

Die Kritik trug offenbar erste Früchte: Am Dienstag teilte adidas mit, bei Neueinstellungen in den USA künftig 30 Prozent der Jobs an Afroamerikaner und Latinos zu vergeben. Die jüngsten Ereignisse hätten die Firma zum Nachdenken darüber veranlasst, was gegen Rassismus unternommen werden könne, so adidas-Chef Kasper Rorsted. Unklar ist, ob das auch Topjobs betrifft. Aktuell befinden sich weder im sechsköpfigen Vorstand noch im 14-köpfigen Aufsichtsrat des Unternehmens Schwarze.

Adidas kündigte auch an, seine Programme zur Unterstützung der afroamerikanischen Minderheit auszuweiten. Die Mittel dafür sollen über die kommenden vier Jahre auf 20 Millionen Dollar (17,6 Millionen Euro) aufgestockt werden. Dabei handelt es sich etwa um die Förderung von Sportaktivitäten in mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnten Gegenden.

Unmut auch bei Nike-Angestellten bereits seit Jahren

Abgesehen von adidas sehen sich auch andere Sportartikelhersteller wie die US-Unternehmen Nike und Under Armour bereits seit Jahren mit Kritik aus den eigenen Reihen konfrontiert. Konkret geht es darum, dass die Unternehmen zwar mit schwarzen Sportstars werben und so Kunden anlocken, es bei ihnen jedoch kaum Afroamerikaner in Führungspositionen gibt.

So finden sich aktuell auch bei Nike keine Schwarzen an der Konzernspitze. Für Kritik sorgte das auch jüngst, nachdem Nike ein Anti-Rassismus-Video veröffentlichte. Darin heißt es: „Ausnahmsweise einmal, tu’s nicht.“ Gemeint ist, dass Nike-Kunden das Rassismusproblem der USA zur Abwechslung nicht ignorieren sollen – im Netz wurde Nike daraufhin ob seiner Führungsstruktur Scheinheiligkeit vorgeworfen. Nike wandte sich daraufhin an seine Mitarbeiter, um diese über die Schaffung einer Taskforce zum Thema Diversität sowie eine 40-Millionen-Dollar-Spende zu informieren.

Kaum Schwarze in Führungspositionen

Generell sind schwarze Personen bei US-Unternehmen schwer benachteiligt: Von den 500 umsatzstärksten Unternehmen der USA, die vom US-Magazin „Fortune“ aufgeführt werden, sind nur vier CEOs schwarz, das ist knapp ein Prozent. Zudem zeigen Studien, dass Schwarzen für vergleichbare Arbeit im Schnitt nur drei Viertel dessen bezahlt wird, was Weiße verdienen. Jeder fünfte Schwarze in den USA lebt unter der Armutsgrenze von rund 26.000 US-Dollar für eine vierköpfige Familie, wie das Institut für Wirtschaftspolitik (EPI) erklärt.

Estee-Lauder-Mitarbeiter gegen Spenden für Trump

Auch Angestellte von Estee Lauder meldeten sich zu Wort, um den Umgang der Firma mit der aktuellen Situation zu hinterfragen. Einige Mitarbeiter forderten, dass Ronald Lauder aus dem Vorstand der Firma, die von dessen Mutter gegründet worden war, ausscheiden soll. Zudem wurde eine Petition gegen Lauder ins Leben gerufen.

Die Mitarbeiter sind unzufrieden damit, dass Lauder für den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump, der unter anderem wegen eines angedrohten Militäreinsatzes bei den US-Ausschreitungen in der Kritik steht, Spenden sammelt. Trumps spaltende Politik widerspreche ihnen zufolge der offiziellen Linie des Konzerns. Der Kosmetikkonzern gab unterdessen an, die Diversität im Unternehmen stärken und die schwarze Gemeinschaft unterstützen zu wollen. Im 14-köpfigen Führungsteam von Estee Lauder befinden sich derzeit zwei schwarze Frauen.

Kosmetikkonzernerbe, Unternehmer und Präsident des Jüdischen Weltkongresses Ronald Lauder.
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Lauder wird wegen einer Spendenaktion für Trump von einigen Angestellten des Konzerns heftig kritisiert

Vorstandsmitglied William Lauder und CEO Fabrizio Fredo sagten in einem Memo an die Mitarbeiter, aus dem „WSJ“ zitierte, überdies, dass individuelle Spenden nicht die Ansichten der Firma repräsentierten. Von Ronald Lauder kam kein Kommentar. Die Estee-Lauder-Gruppe, zu der auch Marken wie MAC und Clinique zählen, versprach, zehn Millionen Dollar an Organisationen, die sich für soziale Gerechtigkeit und gegen Rassismus einsetzen, zu spenden.

Tweet zu Floyd: CrossFit-CEO tritt zurück

Bei dem US-Fitnessunternehmen CrossFit hatten Bemerkungen von dessen Gründer und CEO Greg Glassman zu Floyds Tötung nach viel Gegenwind von CrossFit-Sportlerinnen und -Sportlern, Fitnesscenter-Betreibern sowie Kooperationspartnern wie dem zu adidas gehörenden Sportartikelhersteller Reebok gar dessen Rücktritt zur Folge. Glassman gab im Zuge dessen an, die CrossFit-Gemeinschaft durch seine Äußerungen gespalten und viele der Mitglieder ohne Absicht verletzt zu haben.

Er hatte sich am vergangenen Wochenende auf dem Kurznachrichtendienst Twitter darüber lustig gemacht, dass eine Public-Health-Behörde Rassismus als ein Problem für die öffentliche Gesundheit bezeichnete. Er fügte hinzu: „Es ist Floyd-19.“ Kritik gab es auch, weil CrossFit bis zu Glassmans Äußerungen zu den Protesten schwieg. Laut Buzzfeed soll Glassman vor dem Verfassen der Tweets bei einer privaten Videokonferenz mit Fitnesscenter-Besitzern gesagt haben, dass er nicht um Floyd trauere. Auch seine Angestellten würden das seiner Ansicht nach nicht tun.

L’Oreal-Kontroverse mit Transgender-Model

Für Irritationen sorgte auch der Social-Media-Auftritt eines weiteren Kosmetikgiganten: L’Oreal rief in einem Post dazu auf, sich gegen Rassismus auszusprechen. Im Netz wurde daraufhin darauf verwiesen, dass L’Oreal 2017 das Transgender-Model Munroe Bergdorf, das der Konzern für eine Kampagne engagiert hatte, gekündigt hatte, weil dieses sich damals öffentlich gegen Rassismus ausgesprochen hatte. Am Dienstag kam es zu einer Aussprache zwischen Bergdorf und der neuen L’Oreal-Präsidentin Delphine Viguier, wie Munroe sowie L’Oreal auf Instagram mitteilten.

Reddit-Gründer tritt ab und will schwarzen Nachfolger

Überwiegend wohlwollend aufgenommen wurden Initiativen anderer US-Unternehmen: Der Mitbegründer des Webdienstes Reddit Alexis Ohanian verkündete etwa seinen Rückzug aus dem Vorstand des Unternehmens und forderte zugleich eine Neubesetzung des Postens mit einer schwarzen Person. „Es ist längst überfällig, das Richtige zu tun“, sagte Ohanian, der mit Tennisstar Serena Williams verheiratet ist.

Unternehmen wie der Einzelhandelskonzern Walmart, das Medienunternehmen Disney, der Tech-Gigant Facebook und der Kosmetikkonzern Glossier gaben bekannt, Geld an diverse Initiativen und Organisationen wie die Nationale Vereinigung zur Förderung farbiger Bürger (NAACP) spenden zu wollen, oder riefen eigene Initiativen zu mehr Diversität am Arbeitsplatz ins Leben.

Der Spielzeughersteller Lego stoppte Werbung für Spielzeuge mit Bezug zur Polizei und zum Weißen Haus. Der japanische Technologiekonzern Softbank kündigte die Schaffung eines 100 Millionen Dollar (89 Millionen Euro) schweren Fonds zur Unterstützung von Unternehmensgründern mit afroamerikanischer Herkunft an.

„Strategischer Geschäftszug“

Dass sich so viele große Unternehmen gegen Rassismus aussprechen, sei aus Geschäftsperspektive wesentlich, sagte Dwayna Hayley, Vizepräsidentin der Kommunikationsfirma Porter Novelli, die unter anderem McDonald’s und Pepsi berät, gegenüber der BBC. „Was das antreibt, ist das Verständnis, dass, wenn wir uns nicht auf die Menschen, die wir bedienen, ausrichten, wir einen Marktanteil verlieren könnten“, so Hayley. „Es ist ein strategischer Geschäftszug.“