Kroatischer Grenzpolizist mit Schutzmaske
AP/Darko Vojinovic
Gewalt gegen Geflüchtete

Schwere Vorwürfe gegen Kroatien

Amnesty International wirft der kroatischen Grenzpolizei ein bisher nicht gesehenes Maß an Brutalität im Umgang mit Geflüchteten aus Bosnien vor. Mit derartigen Vorwürfen ist Zagreb nicht zum ersten Mal konfrontiert, bestreitet sie aber vehement.

Menschen, die über die grüne Grenze aus Bosnien kommen und dabei ertappt werden, würden derart geschlagen und getreten, dass sie häufig komplizierte Knochenbrüche und schwere Wunden am Kopf erlitten, so Amnesty am Donnerstag. Die Menschenrechtsorganisation beruft sich auf die Darstellungen von 16 Pakistanern und Afghanen, die Opfer von Misshandlungen wurden, sowie auf die Aussagen von Ärzten in Bosnien, die sie behandelten.

Amnesty berichtete von einem jungen Mann, der sich derzeit nur im Rollstuhl fortbewegen könne. Andere hätten ganze Gliedmaßen in Gipsverbänden. Einige Geflüchtete behaupteten, dass ihnen die kroatischen Grenzpolizisten unter Gelächter Ketchup und Mayonnaise in die ihnen zugefügten Kopfwunden geschüttet hätten.

Amnesty: „Massive Eskalation“

Schon bisher sind irreguläre Grenzgänger in Kroatien misshandelt und nach Bosnien zurückgeschickt worden. Mit Blick auf die jüngsten Verletzungen spricht Amnesty allerdings von einer „massiven Eskalation“. Die Organisation konfrontierte das kroatische Innenministerium mit den jüngsten Vorwürfen. Dieses habe bisher nicht darauf reagiert, schrieb Amnesty.

Kroatien weist Vorwürfe zurück

In der Vergangenheit hatte Kroatien Vorwürfe über Misshandlungen stets als „unbegründete Anschuldigungen“ zurückgewiesen. „Kroatische Polizeibeamte werden auf prätentiöse Weise, mit Voreingenommenheit und sensationsgierigen Artikeln der Fremdenfeindlichkeit beschuldigt“, reagierte das Innenministerium unlängst auf einen Bericht der britischen Tageszeitung „The Guardian“. „Besonders absurd ist es, dass solche Anschuldigungen den Beamten eines Landes zugeschrieben werden, das ausgenommen gute und freundschaftliche Beziehungen zur islamischen Gemeinschaft hat“, so das Ministerium.

„Die Angaben in dem Artikel sind nicht wahr, weil sie nicht vorgekommen sind“, hieß es weiter. Laut „Guardian“ soll die Polizei geflüchtete Menschen nicht nur ausgeraubt, sondern ihre Köpfe zur Demütigung und Markierung mit roten Kreuzen besprüht und sie dann nach Bosnien zurückgeschickt haben.

Bereitschaftspolizisten stehen am Grenzübergang Maljevac an der kroatisch-bosnischen Grenze Migranten gegenüber
Reuters/Marko Djurica
Kroatien geht an der Grenze mit besonderer Härte gegen Geflüchtete vor

Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic sagte dazu: „Ich schließe mich der Forderung des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen an und verlange die rasche Einrichtung einer unabhängigen Kommission zur Aufklärung dieser Misshandlungsvorwürfe. Nach der Häufung ähnlicher Berichte empfiehlt es sich, die kroatisch-bosnische Grenzsituation unter Einbindung des UNHCR und MenschenrechtsexpertInnen genauer unter die Lupe zu nehmen.“

Werben um Aufnahme in Schengen-Zone

Das kroatische Innenministerium zeigte sich damals überzeugt, dass sich die Beschuldigungen wiederholen würden, weil die kroatische Polizei die Maßnahmen zum Schutz der EU-Außengrenze konsequent durchführe und illegale Grenzübertritte nicht toleriere. „Kroatien ist ständig dem Druck verschiedener Interessengruppen ausgesetzt, die das Ziel haben, die Maßnahmen an der kroatischen Grenze zu schwächen“, hieß es. Zugleich wurde zugesichert, dass im Umgang mit Geflüchteten deren Grundrechte und Würde respektiert und alle Rechtsvorschriften eingehalten würden.

Beobachter in Zagreb gehen davon aus, dass das EU-Land mit besonderer Härte gegen irreguläre Grenzgänger vorgehe, weil es seit Jahren darauf wartet, in die Schengen-Zone aufgenommen zu werden, die Touristen ein Reisen ohne Grenzkontrollen ermöglicht. Mit Härte soll offenbar gegenüber den EU-Partnern nachgewiesen werden, dass das Land fähig ist, die EU-Außengrenze zu schützen.

Rund 8.000 Geflüchtete in Bosnien

In Bosnien stecken derzeit rund 8.000 Geflüchtete fest, die trotz aller Schwierigkeiten immer wieder versuchen, über die grüne Grenze ins EU-Land Kroatien zu gelangen, um von dort über Slowenien nach Zentral- und Westeuropa weiterzukommen. Die bosnische Regierung hatte sich in der Vergangenheit bei der Bewachung der Grenzen eher passiv gezeigt.

Zuletzt ging sie aber, auch veranlasst durch die Coronavirus-Pandemie, strikter gegen Geflüchtete vor und ließ sie in feste Lager weiter weg von der kroatischen Grenze bringen. Außerdem hinderten bosnische Polizisten Geflüchtete daran, sich der kroatischen Grenze zu nähern. Im April sank die Zahl der illegalen Grenzübertritte auf der Balkan-Route laut Grenzschutzbehörde Frontex um 94 Prozent – die niedrigste Zahl seit Beginn entsprechender Aufzeichnungen im Jahr 2009.

Nehammer: Kooperation gegen Schlepper

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) vereinbarte unterdessen mit seinen Amtskollegen von Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Kroatien, Slowenien und Ungarn sowie mit dem Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, und dem Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi entlang der Balkan-Route eine „intensive Kooperation im Kampf gegen Schlepper und irreguläre Migration“.

Er habe auch weitere Unterstützung Österreichs für den Grenzschutz angeboten, so Nehammer vergangene Woche. Wie das Innenministerium mitteilte, habe sich der Modus der Schlepper geändert. Diese würden sich nun „verstärkt auf Güterzüge und Lastwägen fokussieren“. Auch stehe eine Westbalkan-Konferenz „in der nächsten Zeit“ im Raum, sagte Nehammer.