Bis 31. Dezember soll diese „Ausnahme“, wie Blümel sagte, temporär gelten. Davon betroffen soll der gesamte Bereich des Verkaufs von Speisen und Getränken in der Gastronomie sein, sowohl bei alkoholischen als auch bei antialkoholischen Getränken. Neben Restaurants und Gasthäusern nannte Köstinger auch Hotels, Schutzhütten, Heurigen und Buschenschanken. Daneben sollen auch alle Bereiche der Kunst- und Kulturbetriebe, etwa Theater, Konzerte, Museen und Kinos, profitieren. Ebenfalls inkludiert sollen Zeitungen und periodische Druckschriften sein.
Denn, so betonten Köstinger und Mayer mehrmals: Die Bereiche, Tourismus, Gastronomie, Kunst und Kultur würden unmittelbar zusammengehören. „Die Bereiche profitieren voneinander“, so Mayer, die sich bei der Regierung für den „Gleichschritt“ in den Verhandlungen bedankte. Allein in der Gastronomie werde die Senkung der Umsatzsteuer eine Entlastung von 700 Mio. Euro bewirken, so Köstinger. Für den Bereich Kunst und Kultur seien es 150 bis 200 Mio. Euro.

„Wenn ein Künstler ein Bild um 1.000 Euro netto verkauft, bedeutet das eine steuerliche Entlastung von 76 Euro“, erläuterte Mayer. Und wenn ein Buch 20 Euro koste, so ergebe das eine Entlastung von etwa einen Euro. Auch wenn es sich nicht nach besonders viel anhöre, schaffe man damit alleine im Kunst- und Kulturbereich eine Entlastung des Gesamtvolumens von 150 bis 200 Millionen Euro, sagte Mayer weiter.
Erleichterung auch für Konsumenten?
Doch dass das am Ende auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommt, ist unklar. „Mein Wunsch wäre, dass es den Unternehmen zugutekommt, damit sie wirtschaftlich besser durch diese Zeit kommen“, räumte Köstinger ein. Unklar bleibt überdies hinaus die Situation für die Nachtgastronomie – Stichwort: Öffnungszeiten – sowie auch für Stehkonzerte.
Für die Kongress- und Messebranche bzw. für Großveranstaltungen soll es nächste Woche Klarheit geben, wie es im Herbst weitergeht. Die Messebranche hatte bereits mehrfach Klarheit von der Regierung eingefordert. Gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) werde man eine Perspektive für den weiteren Verlauf von Veranstaltungen erarbeiten, kündigte Staatssekretärin Mayer an.
WKÖ „erleichtert“
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zeigte sich in einer Aussendung „erleichtert“ über die Ankündigung der Bundesregierung. Die intensiven Verhandlungen hätten sich ausgezahlt, kommentierten Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker, Obleute der Fachverbände Hotellerie und Gastronomie in der WKÖ. „Nun müssen die Maßnahmen rasch greifen, dafür bedarf es noch der Klärung der Details.“
Kraus-Winkler forderte eine Mehrwertsteuersenkung auch für Übernachtungen. „Eine Steuersenkung auf Speisen und Getränke stellt natürlich eine weitere Erleichterung auch für die Beherbergungsbranche dar, allerdings haben wir bei unterschiedlichen Steuersätzen bei Nächtigungen und Speisen wieder dieselbe Bürokratie bei der Berechnung der Umsatzsteuer von Halb- und Vollpension wie bei der Steuerreform 2015/2016“, so Kraus-Winkler. Dem schloss sich auch Thomas Reisenzahn von der Prodinger Tourismusberatung an: Österreich dürfe keinen weiteren Wettbewerbsnachteil gegenüber vielen Staaten in einer solchen Situation erfahren.
Erleichtert zeigte sich auch der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). „Vor allem die Mediengattung Print, also Zeitungen und Magazine, war in den letzten Monaten mit rund 50 Mio. Euro am schwersten durch den Anzeigenrückgang betroffen“, so VÖZ-Präsident Markus Mair in einer Aussendung, der die Mehrwertsteuersenkung als wichtigen Konjunkturimpuls sieht.
Bundestheater-Holding: „Grundsätzlich sehr erfreulich“
Als „grundsätzlich sehr erfreulich“, begrüßte Christian Kircher als Chef der Bundestheater-Holding die Entscheidung der Bundesregierung. „Allerdings können wir jetzt noch nicht sagen, ob oder in welchem Ausmaß wir die Mehrwertsteuersenkung an unser Publikum weitergeben werden.“
Dazu sei die Maßnahme zu überraschend gekommen und die gesetzliche Regelung noch nicht bekannt, so Kircher. Schließlich gelte es zu bedenken: „Die Veranstaltungen in unseren Häusern sind mitsamt dem Preisgefüge bereits publiziert, und der Verkauf für den Herbst hat begonnen.“ Deshalb werde man erst kommende Woche das weitere Vorgehen in dieser Frage festlegen können. Zur Bundestheater-Holding gehören als Bühnengesellschaften das Burgtheater sowie die Volks- und die Staatsoper in Wien.
Reaktion von EU-Kommission noch ausständig
Mit den von der Regierung geplanten Maßnahmen soll den genannten Bereichen und Betrieben unter die Arme gegriffen und der Konsum angekurbelt werden. Bisher war im Rahmen des „Wirtepakets“ fixiert, die Mehrwertsteuer auf nicht alkoholische Getränke befristet von 20 auf zehn Prozent zu halbieren. Bei alkoholischen Getränken wie Bier und Wein hieß es damals, dass hier eine Senkung aufgrund von EU-Vorgaben nicht möglich sei. Blümel versicherte, man sei guter Dinge und bereits in Kontakt mit der EU-Kommission. „Wir hoffen, dass wir die Erlaubnis bekommen“, sagte Blümel.
Steuerstundungen verlängert
Darüber hinaus sollen die Steuerstundungen automatisch um dreieinhalb Monate bis zum 15. Jänner 2021 verlängert werden. Gesetzlich fixiert soll das werden, „damit kein neuer Antrag gestellt werden muss“, so der Finanzminister. „Wir sehen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen wahrscheinlich länger da sein werden“, sagte Blümel weiter. Aus diesem Grund wolle man die „Bürde von den Unternehmen“ wegnehmen.
Blümel kündigte zudem weitere Unterstützungsmaßnahmen für nächste Woche an. Man wolle auf der Regierungsklausur nächste Woche an einem „Verlustrücktrag“ arbeiten. So sollen Unternehmen die Gewinne aus dem Vorjahr mit den heurigen Verlusten gegenrechnen können. Zudem sitzt die Regierung an einem „Kreditmoratorium“ für besonders betroffene Branchen und einer Adaptierung des Fixkostenzuschusses.
Das wird vonseiten der WKÖ positiv bewertet. „Fakt ist, dass es sich für viele Betriebe aktuell noch nicht auszahlt aufzusperren, wie dies für Betriebe in stark vom Auslandsmarkt geprägten Regionen oder in der Nachtgastronomie der Fall ist", so Pulker von der WKÖ. „Hier sind vor allem die Ausweitung des Fixkostenzuschusses und das Kreditmoratorium zentrale Ansatzpunkte, um das wirtschaftliche Überleben der Betriebe zu sichern.“
SPÖ skeptisch
Eine erste Reaktion gab es bereits von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Die von der Regierung angekündigten Hilfen sind für die Parteichefin „Stückwerk“, die Mehrwertsteuersenkung zu wenig. „Diese versprochenen Hilfen kommen nicht an“, so die Parteichefin. Sie fordert daher mehr: „Es muss fetzen.“ Rendi-Wagner forderte mehr Entschädigungszahlungen für die von Betretungsverboten ab März betroffenen Unternehmen. „Die Regierung muss laufend Nachhilfestunden nehmen, muss laufend nachbessern“, kritisierte die SPÖ-Chefin. Diese „Geisterfahrt“ gehöre beendet.
Skeptisch zeigte sich auch SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda in einer Aussendung. „Eine befristete Senkung der Umsatzsteuer hilft jenen KünstlerInnen und kulturellen Institutionen, die überhaupt Einnahmen haben. Und sie hilft sicher dem größten Buchhändler Amazon. Jenen, die durch die Schließungen der letzten Wochen an den Rand der Pleite gekommen sind und nicht wissen, wie und ob sie überhaupt weitermachen können, wird diese Maßnahme kaum etwas bringen“, so Drozda.
Gleiches gelte für alle Kultur-, Event- und Kreativbereiche, die immer noch nicht arbeiten dürften. „Es braucht dringend eine Kompensation für den Einnahmenausfall“, forderte er. Und weiter: „Der ‚Sündenfall‘ der ersten Corona-Stunde – nämlich das Aushebeln des Epidemiegesetzes durch die Regierung – muss zumindest teilweise repariert werden.“
Umsetzung für NEOS fraglich
SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter hegt die Befürchtung, dass das angekündigte Paket der großen Mehrheit der Wirtinnen und Wirte wenig bringen wird. „Es wird sich herausstellen, dass die Mehrwertsteuersenkung eine Millionenförderung für McDonald’s ist, aber der Wirt ums Eck vergleichsweise wenig davon hat.“ Matznetter erneuerte die Forderung der SPÖ, dass den Betrieben am besten geholfen wäre, wenn man ihnen die volle Entschädigung nach dem Epidemiegesetz zugestehen würde.
NEOS hält unterdessen die Umsetzung für fraglich. „Die Umsetzung steht und fällt mit der Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer, sie müssen im Mehrwertsteuerausschuss dieser sektoralen Begünstigung erst zustimmen“, gab NEOS-Wirtschafts- und -Kultursprecher Sepp Schellhorn zu bedenken. Auch wünscht er sich eine Ausweitung auf Übernachtungen. „Gleiches Recht für alle – denn wieso sollte das Schnitzel steuerlich begünstigt werden, die Nacht in der Pension allerdings nicht?“, fragte Schellhorn.