Russlands Präsident Vladimir Putin
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Auftritt ohne Maske und Abstand

Putin ignoriert CoV-Regeln

Erstmals nach Wochen hat der russische Präsident Wladimir Putin seinen ersten öffentlichen Auftritt absolviert – jedoch nicht, wie wegen der Coronavirus-Pandemie eigentlich vorgeschrieben. Weder trug er einen Mund- und Nasenschutz, noch hielt er den obligatorischen Abstand zu anderen ein.

Nachdem Putin einen Großteil des Frühlings mit Videokonferenzen von seiner Moskauer Vorstadtresidenz Nowo-Ogarjowo aus verbracht hatte, trat er am Freitag bei einer Zeremonie zum 30. Jahrestag der russischen Unabhängigkeit in der Hauptstadt auf. Wie er hatten auch viele Gäste, die dem Festakt im Freien mit einem feierlichen Hissen der Staatsflagge beiwohnten, weder Handschuhe an noch eine Maske aufgesetzt. Niemand wahrte die soziale Distanz, wie selbst Staatsmedien hervorhoben.

Der 67-jährige Putin umarmte Russlands Ärztepräsidenten Leonid Roschal, der in Maske und mit Handschuhen erschien. Der 87-Jährige wurde als „Held der Arbeit“ ausgezeichnet. Erst am Dienstag hatte Bürgermeister Sergej Sobjanin nach mehr als zwei Monaten die strikte Ausgangssperre für die Moskauerinnen und Moskauer aufgehoben. Jedoch muss auf den Straßen eine Atemschutzmaske getragen werden, in öffentlichen Gebäuden und den öffentlichen Transportmitteln sind Maske und Handschuhe Pflicht.

Russlands Präsident Vladimir Putin
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Putin mit Gästen: Mund- und Nasenschutz, Handschuhe sowie vorgeschriebene Distanz – Fehlanzeige

Gründe für die Aufhebung der Ausgangssperre

Sobjanin begründete das Ende der Ausgangssperre damit, dass die Pandemie sich „nun seit mehreren Wochen langsam abschwächt“. Dabei ist Russland gemessen an den absoluten Infektionszahlen derzeit das am drittstärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffene Land weltweit. Bis Freitag wurden 6.715 Todesfälle gemeldet. Mehr als 511.000 haben sich mittlerweile mit dem Virus infiziert, täglich steigt die Zahl der Infizierten um knapp 9.000.

Die Lockerung in Moskau steht ungeachtet der hohen Coronavirus-Zahlen auch im Zusammenhang mit der für den 24. Juni geplanten Militärparade zum Gedenken an den Sieg der Sowjets über die Nazis vor 75 Jahren und dem für 1. Juli geplanten Referendum über eine Verfassungsänderung. Die Parade hätte bereits am 9. Mai stattfinden sollen, war aber wegen der Coronavirus-Pandemie verschoben worden.

Erinnerung an erste Siegesparade

Mit dem Aufmarsch Tausender Soldaten auf dem Roten Platz in Moskau und der Parade von Panzern und Raketen vor Hunderttausenden dicht gedrängten Zuschauern wird jedes Jahr an den Sieg der Roten Armee über Hitler-Deutschland erinnert. Den Tag für die Parade wählte Putin mit Blick auf die Geschichte – weil es am 24. Juni 1945 die erste große Siegesparade nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Moskau gegeben hatte.

Damals war die siegreiche Rote Armee über zwei Stunden lang an Sowjet-Diktator Josef Stalin vorbeidefiliert. Dies soll die Parade heuer sogar noch übertrumpfen und die größte Militärparade in der Geschichte des Landes werden. Für die Atommacht ist die Waffenschau außerdem stets Gelegenheit, militärische Stärke zu demonstrieren.

„Am besten sehen Sie sie im Fernsehen“

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte, dass alle Sicherheitsvorkehrungen für einen reibungslosen Ablauf der traditionellen Parade getroffen würden. Die Soldaten freuten sich auf das historische Ereignis. Den Teilnehmern der Parade werde im Moment dreimal täglich die Temperatur gemessen. Moskaus Stadtbehörden signalisierten zuletzt, die Veranstaltung so zu organisieren, dass sich nicht die üblichen Menschenmengen versammeln.

„Ja, offizielle Veranstaltungen werden stattfinden“, sagte Sobjanin am Donnerstag im staatlichen Fernsehen, „aber es ist am besten, wenn Sie sie im Fernsehen sehen.“ Im Gegensatz dazu erklärten in den letzten Tagen mindestens zwölf russische Großstädte, aus Furcht vor der Coronavirus-Pandemie heuer keine Parade abzuhalten.

Referendum soll Putins Macht verlängern

Wie die „New York Times“ schreibt, bemüht sich der Kreml mit der Parade darum, Putins Zustimmungsrate, die angesichts der Unzufriedenheit über seinen Umgang mit der Coronavirus-Pandemie auf ein 20-Jahres-Tief absackte, zu heben und eine große Beteiligung am verspäteten landesweiten Verfassungsreferendum am 1. Juli sicherzustellen. Das neue Grundgesetz beinhaltet neben sozialen Versprechen auch eigens eine Annullierung der bisherigen Amtszeiten Putins.

Damit könnte Putin 2024 und 2030 noch einmal zur Wahl antreten – und mit Stand heute noch etwa 16 Jahre regieren. Vor mehr als 20 Jahren wurde er erstmals Staatschef. Nach der Verfassung sind zwar nur zwei Amtszeiten erlaubt. Für Putin gilt einem Sonderpassus zufolge aber eine Ausnahme. Kritiker werfen ihm deshalb vor, die Verfassung für den eigenen Machterhalt zu missbrauchen.

Atom-U-Boot K-549 „Knyaz Vladimir“
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„Knjas Wladimir“ – das „tödlichste“ aller Atom-U-Boote

Neues Atom-U-Boot nimmt Dienst auf

Russlands Marine nahm zum Unabhängigkeitstag am Freitag außerdem das ultramoderne Atom-U-Boot „Knjas Wladimir“ offiziell in ihren Bestand auf. Benannt ist das mit Interkontinentalraketen und Atomsprengköpfen bestückbare U-Boot nach Fürst Wladimir. Die russisch-orthodoxe Kirche verehrt ihn als Heiligen, weil er vor mehr als 1.000 Jahren die Christianisierung des ostslawischen Reiches eingeleitet haben soll. Das Atom-U-Boot ist die modernste Ausgabe der riesigen Borej-Klasse und kann mit 16 Bulawa-Atomraketen bestückt werden. Staatsmedien feierten den 170 Meter langen Kreuzer als das „tödlichste“ aller Atom-U-Boote.