Sebastian Kurz und Werner Kogler
www.picturedesk.com/Georges Schneider
Arbeitslosengeld

450 Euro Einmalzahlung, keine Erhöhung

Bei ihrer Klausur Anfang kommender Woche will die Regierung weitere Erleichterungen für Arbeitslose, Familien, Niedrigverdiener und Unternehmen beschließen. Eine – zumindest befristete – Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist offenbar nicht vorgesehen. Menschen, die in der Coronavirus-Krise längere Zeit arbeitslos sind, sollen dafür eine Einmalzahlung von 450 Euro erhalten.

Die von der SPÖ geforderte Erhöhung der Nettoersatzrate von derzeit 55 auf 70 Prozent ist damit vom Tisch, obwohl sich zuletzt auch Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) über eine Erhöhung „gesprächsbereit“ gezeigt hatte. Er hatte aber darauf verwiesen, dass es dafür Mehrheiten in der Koalition mit der ÖVP brauche. Ende Mai war mehr als eine halbe Million Menschen in Österreich arbeitslos, wenn die AMS-Schulungsteilnehmer dazu gezählt werden.

Die Koalition einigte sich nun auf eine Einmalzahlung. Parteikollege und Vizekanzler Werner Kogler argumentierte am Samstag im Ö1-Morgenjournal, dass das nun eine Zahlung sei, „die sich durchaus sehen lassen“ könne: „Was ab Oktober und danach passiert, ist ein eigenes Thema.“ Die Regierung will das Paket rasch auf den Weg bringen. Angepeilter Auszahlungszeitraum ist September. Familien sollen noch in diesem Jahr mit einem Bonus von 360 Euro pro Kind unterstützt werden, für das Kinderbeihilfe bezogen wird.

Steuerreform teilweise vorziehen

ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz will zudem mit einer vorgezogenen Maßnahme der Steuerreform den Konsum ankurbeln: „Wir haben immer gesagt, dass wir auch noch mehr Geld in die Hand nehmen werden.“ Rückwirkend mit Anfang des Jahres soll der Eingangssteuersatz von 25 auf 20 Prozent gesenkt werden. Steuerliche Entlastungen soll es auch für die Land- und Forstwirtschaft geben.

Niedrigverdiener, die keine Steuern zahlen, sollen von einem Sozialversicherungsguthaben in Höhe von 100 Euro profitieren. Diese Gruppe der Geringverdiener würde laut dem linken Momentum-Institut von der angekündigten Senkung der untersten Steuerklasse nicht profitieren. Die volle Entlastung von 350 Euro jährlich greife den Berechnungen des Instituts zufolge ab einem Monatseinkommen von 1.808 Euro brutto.

Es müssten dafür neue Schulden aufgenommen werden, so die Regierung, aber „alles andere wäre noch teurer“, betonte Kogler. Wie hoch die Kosten tatsächlich sein werden, soll am Dienstag nach Abschluss der Klausur präsentiert werden. Für die zusätzliche Arbeitslosenunterstützung etwa rechnet die Regierung mit bis zu 200 Millionen Euro. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) rechnet mit einem Volumen von 1,6 Milliarden Euro durch die vorgezogene Steuerreform. Er kündigt zudem an, dass Eigenkapital attraktiver und Investitionen erleichtert werden sollen.

Katzian: Einmalzahlung nicht nachhaltig

In den vergangenen Tagen gab es von den Grünen wie auch von der oppositionellen SPÖ und FPÖ und von der Gewerkschaft vermehrt Forderungen nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Wenig enthusiastisch reagierte nun ÖGB-Chef Wolfgang Katzian auf die Regierungspläne. Natürlich freue sich jeder über eine Einmalzahlung. Diese sei auch ein Impuls für die Kaufkraft. Sinnvoller wäre aber eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes gewesen. Die Einmalzahlung sei nicht nachhaltig. Vielmehr sei eine Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent notwendig.

Als „blanken Hohn“ bezeichnete SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch die angekündigte Einmalzahlung. Die Regierung habe offenbar „keine Ahnung, wie es den Betroffenen wirklich geht“. Auch SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch spricht von einer „Alibiaktion“. Es brauche eine monatliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes, sonst rutschen Betroffene weiter in die Armut, betonte Muchitsch.

Von einer „Verhöhnung“ spricht FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Die Einmalzahlung bedeute rückwirkend 150 Euro pro Monat: „Damit können die meisten Arbeitslosen nicht einmal ihr Konto abdecken.“ Sie forderte „echte Lösungen“ und „keine Almosenpolitik“.

Temporäre Erhöhung hat für Ökonomen „Sinn“

Auch heimische Ökonomen plädierten zuvor für eine temporäre Anhebung. „Aus ökonomischer Sicht würde eine Erhöhung durchaus Sinn machen“, sagte Helmut Hofer, Arbeitsmarktökonom beim Institut für Höhere Studien (IHS), der „Presse“ (Dienstag-Ausgabe). Hofer ist aber dafür, die Leistungen nur befristet zu erhöhen. Eine niedrige Einkommenersatzrate habe aber auch etwas für sich: „Der Anreiz, lang arbeitslos zu bleiben, ist gering“, so Hofer.

Selbst das wirtschaftsliberale Institut Agenda Austria hatte für eine vorübergehende Anhebung von derzeit 55 Prozent des Nettoletztverdienstes auf 65 Prozent plädiert. Nach 18 Wochen sollte die Rate nach dem Institut aber wieder auf 55 Prozent, nach 35 Wochen auf 45 Prozent sinken.

Aschbacher sah „keine Tabus“ mehr

Als gewichtiges ÖVP-Mitglied sprach sich vergangene Woche bereits Oberösterreichs Landeshauptmann und der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Thomas Stelzer (ÖVP), für eine „Einmalzahlung oder eine befristete Erhöhung des Arbeitslosengeldes“ aus. Wenige Tage zuvor ließ auch ÖVP-Arbeitsministerin Christine Aschbacher in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ mit der Aussage aufhorchen, dass es beim Arbeitslosengeld „keine Tabus“ geben dürfe. Selbst der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) konstatierte, dass Aschbacher dabei sei, von einer „einzementiert, dogmatischen Position“ abzurücken.