Wissenschafterin forscht an Impfung gegen das Coronavirus
Reuters/Anton Vaganov
Coronavirus

EU-Allianz sichert sich Millionen Impfdosen

Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande haben einen ersten Vertrag über mindestens 300 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus geschlossen. Das teilte das deutsche Gesundheitsministerium am Samstag in Berlin mit. Die Entwicklung eines Impfstoffs könnte im günstigsten Fall schon Ende des Jahres abgeschlossen sein, hieß es aus dem Ministerium.

Vertragspartner ist das Pharmaunternehmen AstraZeneca. Dieses nannte eine Größenordnung von „bis zu 400 Millionen Dosen“. Profitieren sollen alle EU-Staaten, die dabei sein wollen. Die Impfdosen würden relativ zur Bevölkerungsgröße aufgeteilt, hieß es.

Dabei geht es nach Angaben des Konzerns um den an der Universität Oxford entwickelten Covid-19-Impfstoff AZD1222, der derzeit in einer großen Studie geprüft wird. AstraZeneca hatte nach eigenen Angaben vor Kurzem schon ähnliche Vereinbarungen unter anderem mit Großbritannien und den USA abgeschlossen.

Spahn verspricht „Mehrwert für alle EU-Bürger“

„Viele Länder der Welt haben sich schon Impfstoffe gesichert, Europa noch nicht“, erklärte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. „Durch das zügige koordinierte Agieren einer Gruppe von Mitgliedsstaaten entsteht in dieser Krise Mehrwert für alle EU-Bürger. Wir wollen gemeinsam mit der Kommission künftig noch schneller und verhandlungsstärker werden.“

Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza sprach wie das Unternehmen von einer Lieferung von „bis zu 400 Millionen Impfstoffdosen für die gesamte europäische Bevölkerung“. Der mögliche Impfstoff sei aus Studien an der Universität Oxford hervorgegangen. Der Versuchsprozess sei in einem „fortgeschrittenen Stadium“ und werde im Herbst abgeschlossen. Dann könne bis Ende des Jahres mit der Verteilung der ersten Tranche begonnen werden. „Der Impfstoff ist die einzige endgültige Lösung für Covid-19“, so Speranza am Samstag via Facebook.

„Produktionskapazitäten müssen gesichert werden“

Die vier Staaten haben sich nach Angaben des deutschen Gesundheitsministeriums zu einer Impfallianz zusammengeschlossen und sind mit mehreren Unternehmen im Gespräch, die an aussichtsreichen Impfstoffen forschen. „Damit Impfstoffe sehr zügig nach einer möglichen Zulassung in diesem oder im nächsten Jahr in großer Zahl verfügbar sind, müssen Produktionskapazitäten schon jetzt vertraglich gesichert werden“, hieß es weiter. Bei der Videokonferenz der EU-Gesundheitsminister am Freitag sei zudem vereinbart worden, die Aktivitäten der Impfallianz mit denen der EU-Kommission zusammenzuführen.

Zeitpunkt einer Zulassung unklar

Weltweit gab es nach Angaben des deutschen Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa) im Mai mehr als 120 Impfstoffprojekte, von kleinen Firmen bis zu Konzernen wie Sanofi und GlaxoSmithKline. Möglicherweise könnten viele Anbieter zugleich oder kurz aufeinander Impfstoffe auf den Markt bringen, sagte vfa-Präsident Han Steutel damals.

Doch wann tatsächlich ein Coronavirus-Impfstoff zugelassen wird, weiß derzeit niemand. Noch vor wenigen Jahren wurde für die Entwicklung solcher Vakzinen ein Zeitraum von 15 bis 20 Jahren veranschlagt. Neue Technologien können den Prozess zwar beschleunigen, doch nach wie vor muss – neben der Wirksamkeit – auch die Sicherheit eines Wirkstoffs in klinischen Studien bestätigt werden.

Russland will Impfstoffproduktion im Herbst beginnen

Unterdessen will Russland nach eigenen Angaben im September mit der Massenproduktion eines Impfstoffs starten. Nach den derzeitigen klinischen Tests an Freiwilligen sei die Zulassung des Medikaments im August geplant, sagte Vizeregierungschefin Tatjana Golikowa am Samstag der Staatsagentur TASS zufolge. Im September könne der Impfstoff in die großtechnische Produktion gehen.

Bereits im Mai hatte das staatliche Gamalaja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau mitgeteilt, einen Impfstoff entwickelt zu haben. Dieser habe eine Immunität gegen das Virus erzeugt – ohne negative Nebenwirkungen, sagte Institutsdirektor Alexander Ginsburg. Wissenschaftler hätten den Stoff an sich selbst und an Tieren getestet. Eine Studie zu dem anscheinend in Rekordzeit entwickelten Impfstoff haben die Forscher bisher nicht vorgelegt. Es gibt deshalb keine unabhängige Bewertung der Aussagen von Regierung und Wissenschaftlern.

Klinische Tests mit Soldaten

Derzeit laufen klinische Tests mit 50 freiwilligen Soldaten, wie das Verteidigungsministerium mitgeteilte. Die Untersuchungen sollen bis Ende Juli abgeschlossen sein. Insgesamt befassen sich nach offiziellen Angaben in Russland sieben Forschungseinrichtungen unabhängig voneinander mit der Entwicklung eines Impfstoffs. Vizeregierungschefin Golikowa sagte, drei Projekte davon seien erfolgversprechend.

Kreml-Chef Wladimir Putin hatte Druck gemacht, dass Russland im weltweiten Rennen um einen Impfstoff Erfolge vorweisen solle. Im Westen haben Wissenschaftler wiederholt Hoffnungen auf einen baldigen Impfstoff gedämpft – solche Entwicklungen dauern in der Regel Jahre.