Das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz
ORF.at/Roland Winkler
Erste Pläne bekannt

Regierung geht in Krisenklausur

Für gewöhnlich trifft sich die Regierung anlässlich einer Klausur in einem großen Hotel. Das wäre auch Montag und Dienstag, wenn sich die Teams von ÖVP und Grünen treffen, möglich, schließlich haben Hotels wieder geöffnet. Doch in Krisenzeiten will die Regierung offenkundig ein anderes Bild vermitteln – und tagt im Bundeskanzleramt. Einige Pläne waren im Vorfeld schon skizziert worden – Kritik folgte prompt.

Bereits am Samstag machten ÖVP und Grüne etliche Pläne zur Bewältigung der durch das Coronavirus ausgelösten Wirtschaftskrise öffentlich – am Dienstag sollen die Ergebnisse auf der Klausur präsentiert werden. Es soll etwa für Arbeitslose eine Einmalzahlung von 450 Euro und eine Einmalzahlung von 360 Euro pro Kind geben. Bei der Opposition stießen die Pläne durchgehend auf Kritik.

Neben Einmalzahlung und „Familienbonus“ einigte sich Türkis-Grün auf die Senkung des Eingangssteuersatzes von 25 auf 20 Prozent, und zwar rückwirkend ab 1. Jänner, und eine Negativsteuer von 100 Euro für jene, die wegen geringer Einkommen keine Lohnsteuer zahlen. Auch für die Land- und Forstwirtschaft sind steuerliche Entlastungen geplant sowie die Möglichkeit eines Verlustrücktrags für Unternehmen.

Pressekonferenz mit Gernot Blümel, Elisabeth Köstinger, Sebastian Kurz und Werner Kogler
APA/Hans Punz
Die Regierungsteams von ÖVP und Grünen tagen im Bundeskanzleramt

Unternehmen sollen Verluste rückwirkend gegenrechnen

Unternehmen sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Verluste mit den Gewinnen aus den Jahren 2019 und 2018 gegenzurechnen, kündigte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ an. Außerdem brachte sie eine Investitionsprämie von bis zu 14 Prozent für Firmen aufs Tapet, die sich in den nächsten sechs Monaten zu Investitionen bekennen.

Konjunkturprognose 2020 und Steuerentlastung

Schramböck zu Konjunkturprognose 2020 und Steuerentlastung

Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) startet nach der Bewältigung der gesundheitlichen Folgen und den Soforthilfen eine neue Phase: „Wir haben immer gesagt, dass wir auch noch mehr Geld in die Hand nehmen werden.“ Von einem „Sozial- und Entlastungspaket“ sprach Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Die Entlastung durch die vorgezogene Steuerreform bezifferte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) mit 1,6 Milliarden Euro. Und er verteidigte den Schritt gegen Kritik, dass es angesichts der Folgen des pandemiebedingten „Lock-down“ dringendere Hilfsmaßnahmen brauche.

Einmalzahlung „blanker Hohn“, „Pflanzerei“, „Almosen“

Auf wenig Gegenliebe stießen die Pläne bei der Opposition: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bezeichnete etwa die Einmalzahlung für Arbeitslose als „blanken Hohn“, die FPÖ-Sozialsprecherin im Nationalrat, Dagmar Belakowitsch, als „Pflanzerei“. SPÖ und FPÖ forderten einmal mehr die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des Letztgehalts.

Auch NEOS ortete lediglich „Almosen und Einzelmaßnahmen“ statt einer „echten Erneuerung im Sozialsystem“. Diesbezüglich schwebt NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker etwa eine Staffelung des Arbeitslosengeldes vor, wonach für vier Monate von derzeit 55 Prozent des Nettoletztverdienstes 65 Prozent ausbezahlt und dann im Zeitverlauf in Stufen gesenkt werden sollen.

AK fordert Nachhaltigkeit

Nicht gerade enthusiastisch reagierte auch der ÖGB. Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian drängte ebenfalls auf eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Ambivalent war die Reaktion der Arbeiterkammer (AK). Die Einmalzahlung für Arbeitslose sei „gut und schön“, meinte AK-Präsidentin Renate Anderl: „Aber wir brauchen Nachhaltigkeit.“ Zuspruch fanden bei ihr hingegen die angepeilte Lohnsteuersenkung und die Erhöhung der Negativsteuer.

Wenig begeistert zeigten sich auch die SPÖ-Soziallandesräte: „Mit der Ankündigung der Einmalzahlung von 450 Euro rückt die Bundesregierung zwar von ihrem monatelangen ‚Njet‘ zur besseren Unterstützung von Arbeitslosen ab, bei näherer Betrachtung handelt es sich aber um Almosen, die kein Ersatz für eine deutliche Anhebung des Arbeitslosengeldes sein können“, so Birgit Gerstorfer (Oberösterreich), Peter Hacker (Wien), Christian Illedits (Burgenland), Doris Kampus (Steiermark), Ulrike Königsberger-Ludwig (Niederösterreich) und Beate Prettner (Kärnten) in einer gemeinsamen Aussendung am Sonntag.

Opposition ortet Versagen Schramböcks

Nach ihrem Auftritt wurde auch Kritik an Wirtschaftsministerin Schramböck laut: Die Opposition warf ihr Versagen bei den Hilfen für die Wirtschaft vor. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter sagte, die Regierung übernehme keine Verantwortung und schiebe die Schuld lieber auf andere, etwa die EU. Auch NEOS warf der Wirtschaftsministerin vor, sie wolle „vom eigenen Versagen ablenken“. Als vollkommen inhaltsleer bezeichnete FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer Schramböcks Auftritt. „Einziges Fazit: Die KMU (Kleine und mittlere Unternehmen, Anm.) werden weiter im Stich gelassen.“