U-Ausschuss-Lokal
ORF.at/Carina Kainz
Nein zu „Ibiza-Video“

Geteilte Reaktionen auf Entscheidung

Der „Ibiza“-U-Ausschuss muss weiter auf das „Ibiza-Video“ warten. Denn das Angebot von Johannes Eisenberg, dem deutschen Anwalt des mutmaßlichen Drahtziehers des Videos, Julian H., wird Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) nicht annehmen. Er berief sich auf ein Rechtseinschätzung aus dem Parlament. Die Reaktionen auf die Entscheidung fielen je nach Position unterschiedlich aus.

Nationalratspräsident Sobotka, der dem Ausschuss vorsitzt, hatte am Montag angekündigt, das Angebot von Eisenberg auszuschlagen. Einem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs zufolge sei das Video rechtswidrig zustande gekommen, zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Beweismittel widerrechtlich erlangt worden sei, so Sobotka. Der Ausschuss dürfe rechtswidrig zustande gekommene Beweismittel nicht annehmen. Darüber hinaus fänden sich in der Verfahrensordnung keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Übermittlung von Beweismittel durch Dritte direkt an den Ausschuss zulässig sei.

Sobotka bezog sich in seiner Begründung auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes (RLW). Sobotka, so die RLW-Einschätzung, könnte mit der Videoannahme „höchstwahrscheinlich“ gegen das Beweismittelverbot verstoßen, wonach rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht zulässig seien. Mit dem Verstoß gehe „keine unmittelbare Rechtswirkung“ einher, er könnte aber die Untersuchungshandlungen infrage stellen. Falls Sobotka das Angebot angenommen hätte, hätte ihm der RLW empfohlen, gleichzeitig eine Klassifizierung des Videos zu treffen.

Verfahrensrichterin Ilse Huber, der U-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Sobotka und Verfahrensanwalt Andreas Joklik
APA/Roland Schlager
Verfahrensrichterin Ilse Huber, Sobotka und Verfahrensanwalt Andreas Joklik waren sich einig: Angebot ablehnen

Sobotka entschied sich letztlich gegen das Angebot und ersuchte Eisenberg, schnell mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden in Österreich Kontakt aufzunehmen. Dann könnte womöglich dieses Video an den Ausschuss übermittelt werden. Laut Parlament ging am Nachmittag ein zweites Schreiben Sobotkas an Justizministerin Alma Zadic (Grüne). In diesem informierte der Nationalratspräsident Zadic über die Entscheidung, das Video nicht anzunehmen. Zudem bat er die Justizministerin einmal mehr, das Video im Rahmen der Aktenlieferung „möglichst rasch“ den Abgeordneten im U-Ausschuss zu übermitteln.

Opposition kann Entscheidung nicht nachvollziehen

„Wir haben klar gesagt, dass wir diese Vorgehensweise gar nicht verstehen“, sagte SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer zur Entscheidung von Sobotka. Denn zum einen sei der Inhalt dieses Videos „hoffentlich“ derselbe, als jene Version, die der Staatsanwaltschaft vorliegt. Zum anderen schließe die Verfahrensordnung keineswegs aus, dass Beweismittel von Dritten angenommen werden dürfen. Krainer kündigte an, die verschiedenen Varianten zu prüfen, um an das Video zu kommen. „Wir werden nun prüfen, welche die rechtlich sauberste ist.“ Die einzige Fraktion, die sich für die Vorgehensweise Sobotkas aussprach, sei die ÖVP gewesen, merkte Krainer an.

SPÖ-Fraktionsführer Krainer prüft Möglichkeiten

SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer hat am Montag angekündigt, verschiedene Varianten zu prüfen, um an das „Ibiza-Video“ zu kommen.

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper nannte die Entscheidung „völlig unlogisch“ und „rechtlich überhaupt nicht nachvollziehbar“. Sie werde nun prüfen, inwieweit es möglich sei, dass sie das Video vom Anwalt erhalte, um es dann dem Ausschuss als Beweismittel vorzulegen. „Wenn es da liegt, wird man die heiße Kartoffel wohl angreifen.“ Was bleibe, sei der bittere Beigeschmack, dass die „SoKo Ibiza“ es unterlassen habe, selbst den Anwalt zu kontaktieren, um an das Video zu gelangen. Und nach der Sicherstellung habe sie sich dann „selbst beweihräuchert“. Die SoKo sei einfach „zum Fremdschämen“, so Krisper. Dass die Herstellung des Videos illegal gewesen sei, ist aus Krispers Sicht ein „absurdes Argument“, denn das Video, das der Staatsanwaltschaft vorliegt, sei ja dasselbe.

NEOS-Fraktionsvorsitzende Krisper kritisierte Entscheidung

Die Fraktionsvorsitzende von NEOS, Stephanie Krisper, hat am Montag die Entscheidung, das Videoangebot von Johannes Eisenberg abzulehnen, scharf kritisiert.

Auch FPÖ-Abgeordneter Martin Graf wertete die Vorgehensweise als „völlig inakzeptabel“ und als weiteren Versuch, die Ausschussarbeit zu verzögern. Das Video sei schließlich das „zentrale Beweismittel“ und sollte dem U-Ausschuss in voller Länge vorgelegt werden. Sollte der Anwalt das Video ihm übermitteln, dann würde er dieses als Beweismittel vorlegen, so Graf. Von Interesse sei das Video auch deswegen, um festzustellen, ob es allenfalls Abweichungen zu der von der „SoKo Ibiza“ sichergestellten Version gebe.

Regierungsfraktionen betonten Weg über Justiz

ÖVP-Fraktionschef Wolfgang Gerstl schloss sich der Argumentation von Sobotka an, dass das von Eisenberg angebotene Video rechtswidrig erstellt wurde. „Wir wollen das ‚Ibiza-Video‘ so schnell wie möglich im U-Ausschuss haben und darauf aufbauend diesen FPÖ-Skandal aufarbeiten“, hieß es in einer Aussendung. Die Lieferung könne „rechtlich einwandfrei vonseiten der österreichischen Justiz erfolgen – wir brauchen keine sonderbaren Angebote aus dem Ausland“.

Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli betonte, dass sie bei dem Treffen am Montag „offiziell entschuldigt“ gewesen sei und Sobotka das auch kundgetan habe. In der Sache merkte Tomaselli an, dass es sich „nur noch um Tage“ handeln könne, bis das Video auf einem „sauberen und legalen Weg“ über die Staatsanwaltschaft in den U-Ausschuss komme. Sie könne die Ungeduld verstehen, es sei aber wichtig, einen „geradlinigen“ und rechtlich sauberen Weg zu gehen. Zudem verwies sie darauf, dass es keine Mehrheitsentscheidung der Fraktionen sei, sondern eine des Vorsitzenden Sobotka, ob er das Video annehme oder nicht.

„Ibiza“-Material bei der WKStA

Ende April hatte die „SoKo Ibiza“ Video- und Audiomaterial in einer Wohnung in Wiener Neustadt beschlagnahmt. Bekannt wurde die Sicherstellung Ende Mai. Der U-Ausschuss forderte umgehend, dass auch die Abgeordneten das Material im Ausmaß von knapp 21 Stunden für die weitere Aufklärungsarbeit sichten dürfen. Allerdings dauert es länger als gedacht. Sobotka kündigte am Montag an, dass man demnächst einen genauen Zeitplan erwarte.

Eisenberg hatte das „Hauptvideo“ des „Ibiza-Videos“ vergangene Woche angeboten, also auch jenes, das die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“ erhalten hatten. Das vollständige Material soll mehrere Videos beinhalten, sowohl die Hauptszene auf Ibiza als auch Vorbereitungen. Was genau auf den Video- und Audioaufnahmen zu sehen und zu hören ist, ist jedoch unklar.

Das beschlagnahmte Material werde derzeit von den Ermittlungsbehörden ausgewertet und überprüft, hieß es zuletzt. Ob mit der Weitergabe des „Ibiza“-Materials an den U-Ausschuss die Ermittlungen gefährdet werden, muss jedoch von der WKStA bewertet werden. Diese habe bereits Dateien von der SoKo erhalten.