Karge Berglandschaft
ORF.at/Christian Öser
Studie

Erderwärmung verstärkt heimische Dürre

Ein vor Kurzem abgeschlossenes Projekt unter der Leitung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat Dürreperioden im Alpenraum der letzten 210 Jahre untersucht. Ein Ergebnis: Natürliche Schwankungen von Trockenphasen werden durch die Klimakrise deutlich verstärkt, wie es in den letzten Jahren auch in Österreich zu sehen war.

Das Team von Forschern der ZAMG, der TU Wien, der BOKU, der b.geos GmbH und der Universität Graz untersuchte in der Studie, die am Dienstag anlässlich des UNO-Welttags zur Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre am Mittwoch veröffentlicht wurde, den Zusammenhang zwischen der Häufung von Dürreperioden im Alpenraum und großräumigen Wettersystemen der Nordhalbkugel für die vergangenen zwei Jahrhunderte. Dabei wurden auch Wechselwirkungen zwischen den Jahreszeiten und dem Einfluss der Erderwärmung untersucht.

Längere markante Dürreperioden, die einige Jahre anhalten können, kommen im Alpenraum mit einem Abstand von einigen Jahrzehnten vor, so in den 1860er und in den 1940er Jahren. Infolge der Dürre der 1860er Jahre trocknete beispielsweise der Neusiedler See zum letzten Mal fast vollständig aus.

Abweichung des Niederschlags vom aktuellen Klimamittel (1981–2010) in Prozent für das Jahr 2020 bis inklusive 14. Juni

Niederschlag 2020 bis zu 70 Prozent unter Durchschnitt

Auch der seit Beginn der 2000er Jahre beobachtete Mangel an Niederschlag in vielen Regionen Österreichs könnte zu so einer langfristigen Dürreperiode gehören. 2020 verlief bisher ebenfalls relativ trocken. Trotz des Regens seit Mai in einigen Regionen gab es bisher österreichweit gesehen um rund 20 Prozent zu wenig Niederschlag.

Im Süden und im Osten Österreichs fiel heuer stellenweise sogar um rund 40 bis 70 Prozent zu wenig Niederschlag. Bei der Analyse von Dürreperioden zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen Regenmangel und der Häufigkeit von Hochdruckwetterlagen. „Das Auftreten dieser Hochdruckwetterlagen ist aber nicht rein zufällig“, so Klaus Haslinger, Klimaforscher an der ZAMG.

Entstehung von Trockenheit über mehrere Jahre hinweg

„Sie sind in manchen Jahren häufig und in manchen Jahren selten. Das hängt mit den langfristigen Schwankungen von sehr großräumigen Zirkulationen in der Atmosphäre und in den Ozeanen zusammen“, so Haslinger. „So können trockene Phasen über mehrere Jahre entstehen, was Probleme zum Beispiel in der Landwirtschaft und beim Grundwasser zur Folge hat.“

Risse in einem trockenen Erdboden
ORF.at/Günther Rosenberger
Dürre kann sich über Jahre hinweg aufbauen

Frühere Studien fanden vor allem einen Zusammenhang zwischen Dürreperioden in Nordeuropa und langfristigen atmosphärischen Schwankungen im Bereich des Nordatlantiks (Nordatlantische Oszillation, NAO). „Wir konnten zeigen, dass Dürreperioden im Alpenraum nicht mit der Nordatlantischen Oszillation zusammenhängen, sondern mit der Ostatlantik-Westrussland-Oszillation“, so Haslinger weiter: „Diese Ostatlantik-Westrussland-Oszillation beschreibt großräumige Schwankungen des Luftdrucks zwischen dem Atlantik und Eurasien, die über mehrere Monate und Jahre hinweg dauern können“, so der Klimaforscher weiter.

Einer der trockensten Frühlinge der Messgeschichte

„Vereinfacht gesagt fördert eine positive Phase der Ostatlantik-Westrussland-Oszillation die Bildung von sehr stabilen Hochdruckgebieten über Großbritannien. Derartige Wetterlagen blockieren alle Tiefdruckgebiete, die vom Atlantik nach Mitteleuropa ziehen, und es stellt sich sehr trockenes Wetter ein“, so Haslinger.

Das sei zum Beispiel heuer im März und April fast durchgehend für einige Wochen der Fall gewesen. Das Ergebnis sei in Österreich einer der trockensten und mildesten Frühlinge der Messgeschichte gewesen. Die Ostatlantik-Westrussland-Oszillation wirkt aber nicht in jeder Jahreszeit gleich auf das Wetter im Alpenraum, sondern ist vor allem im Winter und Frühling relevant. Viele Sommer brachten hingegen noch weniger Niederschlag, als rein von den Wetterlagen zu erwarten gewesen wäre.

Auch Bodenfeuchtigkeit spielt eine Rolle

„Hier zeigt sich, dass bei bestimmten Wetterlagen die Niederschlagsmenge im Sommer von der zuvor vorhandenen Bodenfeuchte abhängig ist und sich somit eine positive Rückkoppelung einstellt“, so Haslinger, „ein trockener Frühling erhöht offensichtlich die Wahrscheinlichkeit für einen trockenen Sommer.“ Das gilt vor allem für „gradientschwache“ Wetterlagen. Gradientschwach bedeutet dabei großräumig geringe Unterschiede des Luftdrucks. Dadurch gibt es wenig Bewegung bei den Hochdruck- und Tiefdrucksystemen und zum Beispiel keine Regenfronten, die vom Atlantik in den Alpenraum ziehen. Während dieser gradientschwachen Wetterlagen wird die Feuchtigkeit im Alpenraum durch lokale Regenschauer und Gewitter „recycelt“.

Ist der Boden schon relativ trocken, so kann nur wenig Feuchtigkeit verdunstet, die für die Bildung von Regenschauern und Gewittern zur Verfügung steht. Umgekehrt gilt: Ist der Frühling nass, können die Böden diese Feuchtigkeit bis in den Sommer an die Luft abgeben, was die Bildung von Schauern und Gewittern unterstützt.

Erderwärmung verstärkt Dürren im Sommer

Dürre im Sommerhalbjahr wird aber neben dem Mangel an Niederschlag auch durch überdurchschnittlich hohe Temperaturen verursacht. Daher spielt in der jüngeren Vergangenheit die deutliche Erderwärmung eine wichtige Rolle bei Dürren im Alpenraum. Die Erwärmung hat laut Haslinger zwei Auswirkungen.

Erstens: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen, und desto mehr Wasser verdunstet daher aus den Böden. Zweitens dauert in einem wärmeren Klima die Vegetationsperiode länger. Die Pflanzen beginnen im Frühling früher auszutreiben und gehen später in die Winterruhe über. Daher entnehmen sie den Böden über einen deutlich längeren Zeitraum Wasser.

Neues Projekt zur Dürrebeobachtung

Vor Kurzem wurde ein Projekt gestartet, das ein Dürrebeobachtungssystem für den gesamten Alpenraum entwickeln soll. Das Ziel ist es, die Mechanismen von Dürren im Alpenraum zu erforschen und Methoden zum Thema Wasser- und Risikomanagement zu erarbeiten. Da Dürren unter anderem für die Land- und Forstwirtschaft und die Trinkwasserversorgung eine sehr große Rolle spielen, initiierten die Alpen-Staaten Italien, Slowenien, Frankreich, Schweiz, Deutschland und Österreich vor einigen Monaten das Projekt „Alpine Drought Observatory“. Aus Österreich sind die ZAMG und das Land Oberösterreich beteiligt.