Demonstranten in Washington DC.
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Rassismus in USA

Historischer Vorstoß von Afrika in UNO

Eine Untersuchungskommission ist das mächtigste Werkzeug des UNO-Menschenrechtsrats. Bisher bezogen sich seine Untersuchungen aber noch nie auf ein westliches Land. Eine Resolution mehrerer afrikanischer Staaten soll das nun ändern: Sie wollen Rassismus und mögliche Menschenrechtsverletzungen in den USA und anderen Staaten der Welt beleuchten lassen.

Am Dienstag schlug die Gruppe der afrikanischen Staaten den Entwurf für die Resolution dem UNO-Menschenrechtsrat vor. Der Text prangert „systemischen Rassismus“ und „gewalttätige Praktiken von Sicherheitsbehörden gegen Afrikaner und Menschen afrikanischer Herkunft in den USA und anderen Teilen der Welt“ an. Die Kommission solle insbesondere Begegnungen, die zu Todesfällen führten, untersuchen, so die Resolution.

Die Untersuchung sollte dem Ziel dienen, „die Täter vor Gericht zu bringen“, heißt es im Text. Die vorgeschlagene Kommission sollte auch „die Reaktionen“ der US-Regierungen sowie der staatlichen und kommunalen Behörden auf friedliche Proteste untersuchen, einschließlich der angeblichen Anwendung übermäßiger Gewalt gegen Demonstranten, Umstehende und Journalisten.

Noch nie westliches Land im Fokus

Eine solche Kommission, die sich in erster Linie mit der Situation in einem westlichen Land befasst, wäre ein beispielloser Vorgang. Keine der 31 Untersuchungskommissionen und Missionen zur Faktenfindung, die der Rat seit 2006 beschlossen hat, bezogen sich auf die Lage in einem westlichen Land. Die Kommissionen, die in den vergangenen drei Jahren eingesetzt worden waren, drehten sich etwa um die Lage in Venezuela, Myanmar, der Demokratischen Republik Kongo, den palästinensischen Gebieten und im Jemen.

Am Mittwochnachmittag begann auf Antrag der afrikanischen Staaten eine Dringlichkeitsdebatte im Rat. Das Gremium setzt diese Woche seine im März wegen der Coronavirus-Krise abgebrochene Frühjahrssitzung fort. Die Antragsteller wollten auch einem Mitglied der Familie von George Floyd Gehör verschaffen. Der Afroamerikaner war am 25. Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis getötet worden. Sein Tod hat in den USA – aber auch in anderen Staaten – Massenproteste gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst.

Fünf geopolitische Gruppen

Die Einteilung der UNO-Staaten in fünf geopolitische Gruppen ist über die Jahre gewachsen. Sie ist zwar nirgends offiziell festgeschrieben, dient aber als Grundlage für die Verteilung von Sitzen in manchen Gremien. Die Gruppe der afrikanischen Staaten hat 54 Mitglieder.

Bitte um mehr Zeit

Für eine Mehrheit im Rat benötigt die Resolution jedenfalls mehr Stimmen als nur die der afrikanischen Länder. 13 Staaten aus Afrika sind zurzeit in dem 47-köpfigen Gremien vertreten. Eine Entscheidung über die Resolution wird allerdings frühestens am Donnerstag erwartet. Bei einem informellen Treffen zu der Resolution brachten zwar viele Diplomaten ihre Unterstützung für Bemühungen im Kampf gegen Rassismus zum Ausdruck. Aber Perus Gesandte bat ebenso wie die Vertreterin der EU um mehr Zeit, um den Vorschlag zu prüfen. Die EU selbst ist zwar nicht Mitglied im Rat, sehr wohl aber zurzeit neun EU-Mitgliedsstaaten.

Scharfer Protest kam bereits vonseiten der USA. Ein hochrangiger US-Diplomat sprach gegenüber der Nachrichtenagentur AFP von einer „lächerlichen Idee“. Es könne nicht mehr Transparenz geben als in den USA. Washington werde die Verfahren abwarten, bevor man über eine Zusammenarbeit mit einer solchen Kommission entscheide. Ein anderer Diplomat hatte bereits zuvor gesagt, eine solche Untersuchungskommission sei für Staaten gedacht, „welche die Wahrheit verbergen“ und „Regierungskritiker gewaltsam zum Schweigen bringen“.

Die USA selbst sind bereits seit zwei Jahren nicht mehr Teil des aus 47 Mitgliedern bestehenden Gremiums. US-Präsident Donald Trump hatte sein Land 2018 aus dem Rat zurückgezogen. Er warf ihm unter anderem Israel-Feindlichkeit vor. Seit 2018 ist auch Österreich Teil des Gremiums, dessen Mitglieder jeweils für drei Jahre gewählt werden. Zurzeit kommt Österreich überdies eine besondere Rolle zu: Seit 1. Jänner sitzt mit Elisabeth Tichy-Fisslberger eine österreichische Diplomatin dem Rat als Präsidentin vor.

Von der Leyen: „Mehr gegen Rassismus tun“

Mit einer Schweigeminute für Floyd wurde am Mittwoch die Plenarsitzung des Europaparlaments eröffnet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestand bei einer Parlamentsdebatte zu Rassismus und Polizeigewalt einen Mangel an Diversität innerhalb der EU-Institutionen ein: „Schauen wir uns um, hier im Plenarsaal. Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist nicht repräsentiert.“

„Ich weiß nicht, wie es ist, schwarz oder Mitglied einer anderen ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheit zu sein“, sagte von der Leyen. Sie wisse auch nicht, wie es ist, täglich unter Vorurteilen und grundlosen Verdächtigungen zu leiden. „Aber viele Menschen – Frauen und Männer – kennen das, und sie sagen uns mit lauter Stimme, dass wir den Rassismus seit viel zu langer Zeit tolerieren.“

Die Gesetzeslage in der EU sei klar: Rassismus habe hier keinen Platz, sagte von der Leyen weiter. Aber „wir müssen mehr tun“. In der Kommission werde sie nächste Woche eine entsprechende Debatte auf die Tagesordnung der wöchentlichen Sitzung setzen.