Polizeiauto auf dem Schlossplatz in Stuttgart
APA/AFP/Thomas Kienzle
Randale und Plünderungen

Schock nach Krawallnacht in Stuttgart

Krawalle und Plünderungen in Stuttgart haben Deutschland am Sonntag in eine Art Schockzustand versetzt. Polizei, Politik und Medien sprachen von einem nie zuvor in der süddeutschen Stadt gesehenen Ausmaß an Gewalt. Bis zu 500 Menschen hatten der Polizei in der Nacht Straßenschlachten geliefert. Auslöser war offenbar eine Personenkontrolle, anlässlich derer sich Gruppen vorwiegend junger Männer gegen die Polizei „solidarisiert“ hätten, hieß es.

Die Ausschreitungen in der Stuttgarter Innenstadt waren nach Angaben der Polizei jedoch nicht politisch motiviert. „Wir können aus der momentanen Sicht der Dinge eine linkspolitische oder überhaupt eine politische Motivation für diese Gewalttaten ausschließen“, sagte der Stuttgarter Polizeipräsident Franz Lutz am Sonntag. „Es war heute Nacht eine nie da gewesene Dimension von offener Gewalt gegen Polizeibeamte und massive Sachbeschädigung bis hin zu Plünderungen.“

Die Stuttgarter Polizei hatte erst keine Angaben zu Hintergründen und Beteiligten gemacht, in einem Pressetext auf ihrer Website nannte sie dann Sonntagvormittag erste Details. Gleichzeitig erfolgte der Aufruf, den ermittelnden Behörden mögliches Beweismaterial wie Handyvideos der Geschehnisse in der Nacht zur Verfügung zu stellen.

In der Hauptstadt des Bundeslandes Baden-Württemberg sei es zu „erheblichen Angriffen auf Polizeibeamte, Streifenwagen und Ladengeschäfte in der Innenstadt“ gekommen, hieß es in der Presseaussendung. Anlässlich der besagten Kontrolle wegen eines Drogendelikts hätten sich „viele Feiernde“ gegen die Beamten „solidarisiert“, danach sei die Situation völlig eskaliert. Folge waren zumindest zwölf verletzte Beamte, 20 vorläufige Festnahmen und erhebliche Sachschäden in der Stuttgarter Innenstadt.

Gewalt und Plünderungen in Stuttgart

In der Nacht auf Sonntag kam es in der deutschen Stadt zu massiven Ausschreitungen, bei der mehr als ein Dutzend Polizisten verletzt wurden. Während einer Drogenkontrolle dürfte die Lage eskaliert sein.

Bewaffnet mit Stangen, Pfosten und Pflastersteinen

„Mit Stangen und Pfosten wurde auf die Fahrzeuge eingeschlagen, die Scheiben zertrümmert. Auch auf vorbeifahrende Streifen warfen Randalierer große Steine und andere Gegenstände, auch Pflastersteine, die zuvor aus dem Boden gerissen oder auch von Baustellen aufgenommen wurden. Polizeibeamte wurden äußerst aggressiv angegangen, angegriffen und verletzt“, teilte die Polizei mit. Es dauerte Stunden und brauchte Verstärkung von außerhalb der Stadt, bis die Lage wieder halbwegs unter Kontrolle war.

In Stuttgart war es bereits an den vergangenen Wochenenden zu Auseinandersetzungen zwischen, wie es hieß, vorwiegend jungen Menschen und der Polizei gekommen. In der Nacht auf Sonntag sei die Situation allerdings „völlig außer Kontrolle“ geraten, zitierten deutsche Medien Sonntagfrüh die Polizei. Das Ausmaß der Gewalt sorgte deutschlandweit für einen Schock.

Schockiert „von dem Ausbruch an Gewalt“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einem brutalen Ausbruch von Gewalt, der niemanden kaltlassen könne, Innenminister Thomas Strobl (CDU) gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ von den schwersten Krawallen in der Geschichte des Bundeslandes.

Stuttgarts Bürgermeister Fritz Kuhn schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, er sei schockiert „von dem Ausbruch an Gewalt“, es sei ein trauriger Sonntag für Stuttgart. Die SPD im baden-württembergischen Landtag sprach von „bürgerkriegsähnlichen Szenen“. Die Behörden setzten laut Medienberichten ein 40-köpfige Ermittlungsgruppe zur Klärung der Geschehnisse ein. „Plünderungen! Pflastersteine auf Polizisten!“, titelte die „Bild“-Zeitung am Sonntag über die „Schande von Stuttgart“.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte unterdessen „echten Rückhalt“ für die Polizei in Deutschland. „Diese unfassbare Gewalt muss Konsequenzen haben“, schrieb die Verteidigungsministerin am Sonntagabend im Online-Dienst Twitter. „Aber Polizeibeamte erleben auch im normalen Dienst Respektlosigkeit, Angriffe und Gewalt. Was sie brauchen ist echter Rückhalt, keine Lippenbekenntnisse.“

Bis zu 500 Beteiligte an Straßenschlachten

Insgesamt war von bis zu 500 Beteiligten die Rede, laut Polizei hatte sich die Situation kurz vor Mitternacht in der Nähe des zentralen Schlossplatzes mit seiner Fußgängerzone, wo sich an Wochenenden mehr Menschen aufhielten, „aufgeschaukelt“. Schwerpunkt waren laut Polizei der Schlossplatz, der größte Platz der Stadt, samt der Königstraße, Stuttgarts Shoppingmeile. Die Stuttgarter Polizei forderte Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen der Bundespolizei an. Erst gegen 3.00 Uhr sei die Lage schließlich wieder unter Kontrolle gewesen, hieß es Sonntagfrüh.

Waren von einem geplünderten Geschäft liegen auf der Straße
AP/dpa/Simon Adomat
Zahlreiche Geschäfte waren Ziele von Angriffen und Plünderungen – von McDonald’s bis zum Ein-Euro-Shop

Bilder der Verwüstung und entsetzte Kommentare

„Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte der Spuk am Samstagabend, kurz vor Mitternacht, begonnen“, schrieb die „Stuttgarter Zeitung“. Völlig überraschend hätten sich „Hunderte von Menschen zusammengerottet“, seien durch das Zentrum der Stadt mit ihren über 600.000 Einwohnern gezogen und hätten dort „reihenweise“ Schaufenster eingeschlagen. Streifenwagen seien beschädigt worden, laut der Zeitung war die Polizei mit mindestens 50 Fahrzeugen im Einsatz. In Geschäften gab es Plünderungen.

Aus dem Asphalt gerissener Mistkübel
APA/AFP/Thomas Kienzle
Noch eines der „harmlosen“ Relikte der Nacht – ein aus dem Boden gerissener Mistkübel

Auf zahlreichen Handyvideos waren kaputte Auslagenscheiben und beschädigte Autos zu sehen, Pflastersteine wurden aus dem Boden gerissen. Eine Filiale der Fast-Food-Kette McDonald’s wurde wie andere Geschäfte auch komplett verwüstet. Das Ausmaß der Ausschreitungen überraschte, Folge waren zahlreiche verwunderte bis wütende Kommentare dazu, besonders auf Twitter: „Einfach abartig“, „keine Worte mehr“ und: „Was ist bloß in Stuttgart los?“. Für entsetzte Kommentare sorgte am Sonntag auch ein Video, das in den Sozialen Netzwerk kursierte und einen Angriff auf einen Polizisten zeigt. Der nimmt gerade einen Mann fest, als ihm ein anderer mit Anlauf in den Rücken tritt und dafür Applaus von Umstehenden erhält.