US-Präsident Donald Trump
AP/Tulsa World/Ian Maule
Leere Ränge

Die Rolle der TikTok-Nutzer in Tulsa

Es hätte das Comeback von US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf sein sollen. Doch daraus wurde nichts. Statt der angekündigten Menschenmenge sah man bei Trumps Wahlkampfauftritt am Wochenende teils leere Ränge im Stadion von Tulsa, Oklahoma. Dass die hohen Erwartungen in Sachen Publikum nicht erreicht werden konnten, soll auch an vielen TikTok-Nutzern und -Nutzerinnen liegen. Trumps Team widerspricht allerdings.

Noch vor einer Woche präsentierte Trumps Wahlkampfmanager Brad Parscale Rekordzahlen. 800.000 Tickets seien für die Wahlkampfveranstaltung in Tulsa bereits angefragt worden. Er sprach von der bisher mit Abstand größten Nachfrage überhaupt, am Montag waren es dann laut Parscale schon über eine Million Anfragen. Sogar eine zweite Rede soll wegen des vermeintlichen Ansturms geplant worden sein. Doch am Samstag blieb eine Vielzahl der Sitzplätze des insgesamt 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauer fassenden Stadions leer.

Mehreren Medienberichten zufolge gibt es dafür einen Grund: Junge US-Amerikanerinnen und -Amerikaner könnten gezielt Tickets zu der Veranstaltung gebucht haben, um dann bewusst nicht hinzugehen. Die „New York Times“ und CNN berichteten, dass sich darunter hauptsächlich Nutzerinnen und Nutzer von TikTok und K-Pop-Fans finden. Sie hätten auf den unterschiedlichsten Plattformen mitgeteilt, dass sie sich als Scherz für „Hunderttausende“ Tickets registriert hätten.

Tanzen zu „Macarena“

Am 11. Juni hatte das Wahlkampfteam von Trump seine Unterstützer und Unterstützerinnen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter darum gebeten, sich mit ihren Handys für Freikarten zu registrieren. Angefordert wurden lediglich Name, E-Mail-Adresse, Mobilfunknummer, Postleitzahl und Bundesstaat. Ein Bestätigungscode für die Registrierung kam per SMS. Schon kurz nach der Ankündigung des Trump-Teams hätten laut „NYT“ die ersten K-Pop-Fans in Sozialen Netzwerken vorgeschlagen, sich zu registrieren, aber eben nicht hinzugehen. Die Idee schwappte auf TikTok über, wo in Videos mit Millionenaufrufen dazu ermuntert wurde, dasselbe zu tun.

Leere Sitzplätze in der Veranstaltungshalle
APA/AFP/Nicholas Kamm
Die oberen Ränge im Tulsa-Stadion blieben fast leer – trotz zahlreicher Registrierungen

Ein Video der 51-jährigen Mary Jo Laupp, die sich selbst als „TikTok-Grandma“ bezeichnet, soll laut „NYT“ alles ins Rollen gebracht. Ihr Aufruf, der die Idee eines „No Show“-Protests bereits vorletzten Freitag skizzierte, komme mittlerweile auf zwei Millionen Abrufe. In anderen Videos zeigten sich allen voran junge Nutzerinnen und Nutzer erfreut, sich für die Trump-Veranstaltung registriert zu haben. „Oh mein Gott, habe mich gerade für Trumps Rally registriert und bin so aufgeregt, nicht hinzugehen“, hieß es etwa.

In den vergangenen Tagen hätten sich so mehrere Leute über Social-Media-Kanäle organisiert – teils unter falschen Namen und mittels temporären E-Mail-Konten, wie Bloomberg berichtete. Insbesondere Fans der koreanischen Popmusik seien bei den Aktionen involviert gewesen. Freilich wurden die Aufrufe nicht nur verbal kommuniziert, sondern TikTok entsprechend auch tanzend. Oft wurde dabei etwa zum Lied „Macarena“ (1993) vom spanischen Musikduo Los del Rio getanzt. Weil Personen animiert wurden, auch zu tanzen, verbreiteten sich viele Videos rasch.

Proteste blieben weitgehend friedlich

Zuletzt war vermehrt über die K-Pop-Fanszene in der politischen Berichterstattung zu lesen, etwa im Zuge der US-Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Laut „New York Times“ wurde etwa der Hashtag „#WhiteLivesMatter“, mit dem rechte Aktivisten und Aktivistinnen auf eine angebliche Diskriminierung von Weißen hinweisen wollten, mit K-Pop-Videos geflutet, um die rechte Kampagne auszubremsen.

„Demonstranten für leere Ränge verantwortlich“

Trumps Wahlkampfteam räumte ein, dass in Tulsa viel weniger Fans erschienen sind als erwartet. Wahlkampfsprecher Tim Murtaugh machte „radikale Demonstranten“ und die Medien dafür verantwortlich: Diese hätten versucht, den Anhängern des Präsidenten „Angst zu machen“. Am Rande von Trumps Auftritt kam es zwar zu Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Proteste blieben aber weitgehend friedlich, wie die Polizei in Tulsa berichtete.

In den Sozialen Netzwerken fanden sich am Sonntag mehrere Kommentare von Eltern, die berichteten, ihre Kinder und deren Freunde hätten bei den Onlineaktionen mitgemacht. Der politische Kommunikationsstratege Steve Schmidt, der schon für George W. Bush, John McCain und Arnold Schwarzenegger gearbeitet hatte, schrieb etwa, dass sich seine 16-jährige Tochter und ihre Freunde und Freundinnen „Hunderte Tickets“ registriert hätten. Der Comedian und Rapper Elijah Daniel behauptete, allein er habe 20 Tickets angefragt – woraufhin auch viele andere Twitter-Nutzer angaben, sie hätten sich vielfach angemeldet.

Trumps Wahlkampfmanager Parscale sagte CNN, „Linke und Onlinetrolle“ bildeten sich ein, Einfluss auf die Teilnehmerzahl von Trump-Kundgebungen zu haben. Sie lägen damit aber falsch. Vor der Kundgebung in Tulsa seien Zehntausende falsche Handynummern aussortiert worden. Laupp beispielsweise hatte allerdings zur Registrierung mit der eigenen Handynummer aufgerufen – und darauf verwiesen, dass man Textnachrichten von Trumps Wahlkampfteam danach jederzeit wieder abbestellen könne.

Kein Wort über George Floyd

Es war Trumps erste Kundgebung seit Beginn der Coronavirus-Krise in den USA Anfang März. Ein weiterer Grund für den geringen Andrang könnte aber auch das Coronavirus gewesen sein. Denn Teilnehmer und Teilnehmerinnen mussten sich bei der Registrierung auch damit einverstanden erklären, dass die Organisatoren nicht für eine Covid-19-Erkrankung und mögliche Folgen haftbar gemacht werden. Vor der Kundgebung wurden sechs Mitarbeiter des Wahlkampfteams positiv auf das Coronavirus getestet. Trump selber trug wie üblich keine Maske bei seinem Auftritt.

Trump verteidigte seinen Umgang mit der Pandemie gegen Kritik. Die hohen Fallzahlen in den USA – kein Land weist mehr bestätigte Infektionen aus – kämen dadurch zustande, dass die Vereinigten Staaten weitaus mehr Menschen auf das Virus testen würden als andere Staaten. „Also habe ich zu meinen Leuten gesagt, seid einmal langsamer beim Testen, bitte.“

Zu Beginn seiner Rede begrüßte der Präsident seine Anhänger als „Krieger“. Gegendemonstranten, die sich nahe der Veranstaltungshalle versammelt hatten, bezeichnete er als „Schlägertypen“. Mit Blick auf Demonstrationen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz sprach Trump erneut von „Anarchisten“ und „Plünderern“. Floyds Namen erwähnte er bei seiner mehr als eineinhalbstündigen Rede nicht. Stattdessen sagte der Republikaner mit Blick auf die Wahl im November: „Wenn die Demokraten an die Macht kommen, dann werden die Randalierer das Sagen haben, und niemand wird mehr sicher sein.“

Trump hinter Biden

Umfragen sehen Trump deutlich hinter seinem demokratischen Konkurrenten Joe Biden. Am Samstag musste Trump dann noch eine juridische Niederlage einstecken: Nach der Entscheidung eines Bundesgerichts kann sein früherer Sicherheitsberater John Bolton sein Buch mit explosiven Vorwürfen gegen Trump wie geplant veröffentlichen. Das Buch „The Room Where It Happened“ (Dt. etwa: „Der Raum, in dem es geschah“) soll an diesem Dienstag erscheinen. In vorab bekanntgewordenen Passagen beschreibt Bolton Trump als einen Politiker, der seine eigenen Interessen über die des Landes stellt. Trump drohte Bolton: „Dafür muss er einen sehr hohen Preis bezahlen.“