„Im Zentrum“ zur Lockerung der Maskenpflicht
ORF
Fachleute für Maske

„Ein wirksames Mittel“

Die Maskenpflicht gilt mittlerweile neben dem gründlichen Händewaschen und dem Abstandhalten als wichtige Maßnahme gegen die Verbreitung des Coronavirus. Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die anfangs noch davon abgeraten hatte, empfiehlt das mittlerweile. Trotz der Lockerung hierzulande empfehlen mehrere Fachleute weiter das Tragen von Masken – auch dort, wo es nicht mehr verpflichtend ist.

Erika Wichro, Medizinerin und Expertin für internationale öffentliche Gesundheit, war eine von mehreren, die sich Sonntagabend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ für das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes (MNS) aussprachen. „Ich trage die Maske aus Überzeugung.“ Sie sei ein "Zeichen des Selbstschutzes ebenso wie für den Schutz der Allgemeinheit und repräsentiere „achtsame Verantwortlichkeit“. Dabei gehe es um Gewohnheit. Es sei eine „Frage des Wollens“, denn man könne sich „an alles gewöhnen“.

Durch die Lockerungen bekomme man den Eindruck, „es muss vorbei sein“, warnte auch Michaela Pfadenhauer, Vorständin des Instituts für Soziologie, Universität Wien. Der jetzige Zustand mit den zunehmenden Lockerungen sei wesentlich schlechter auszuhalten als der „Lock-down“ oder die vorherige Normalität. Deshalb sei es wichtig, weiterhin darüber zu informieren, dass es weitere Infektionen gibt, sagte die Expertin. Die Maske sei zwar „sozial extrem störend“, aber eben auch eine dauernde Warnung, die die Pandemie permanent als noch existent in Erinnerung rufe, erklärte Pfadenhauer.

„Wird unterschätzt“

Sie sei „ein wirksames Mittel der Eindämmung“, werde aber genauso unterschätzt wie Händewaschen, sagte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Das Tragen der Maske schütze nicht nur das „Ich“, sondern in selbem Maße das „Wir“, betonte der Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Auer. „Ich bin ein Maskenmann“, konstatierte er.

„Wir werden nicht drum herumkommen, das freiwillig weiterzutragen“, sagte Auer. Alle seien von der Pandemie gleich betroffen und müssten das gemeinsam durchstehen, dabei dürfe nicht auf subjektive Befindlichkeit Rücksicht genommen werden. „Ich schütze mich und die anderen“, sagte der Sonderbeauftragte.

„Im Zentrum“ über den Umgang mit den Lockerungen

Die Bevölkerung nimmt die Lockerungen zwiegespalten auf. Sichtbar wird das vor allem beim Tragen des Mund-Nasen-Schutzes. Angst, Verunsicherung und auch Sorglosigkeit lassen sich beobachten. Wie man sich am besten in Zeiten einer geringeren Akutgefahr durch das Virus verhält – darüber diskutierten bei Claudia Reiterer: Clemens Martin Auer, Sonderbeauftragter für Gesundheit im Gesundheitsministerium, Erika Wichro, Medizinerin und Expertin für internationale öffentliche Gesundheit, Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Leiterin des Zentrums für Virologie, Medizinische Universität Wien, Michaela Pfadenhauer, Vorständin des Instituts für Soziologie, Universität Wien, und Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner und Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie.

„Wunsch nach Vereinfachung“

Dass die Maskenpflicht in Supermärkten aufgehoben wurde, erklärte er mit „Wünschen nach Vereinfachung“. Auch Hutter hätte die Maskenpflicht im Supermarkt belassen. Denn das Tragen dieses Schutzes sei „eines der wichtigsten Dinge, dass wir vermitteln, es wird noch länger dauern“, sagte er. Das Maskentragen müsse ebenso wie Abstandhalten und regelmäßiges Händewaschen weiterhin eingehalten werden, „das sollte sich automatisieren“, sagte der Mediziner. Denn das Virus ist weiter da, „manchmal flackert es auf“.

Neue Situation auch für Wissenschaft

Das Coronavirus hat unterdessen auch Auswirkungen auf die Wissenschaft und die Praxis von Veröffentlichungen. Zuletzt gab es dazu in Deutschland Diskussionen um eine Studie zur SARS-CoV-2-Infektiösität von Kindern vom Berliner Virologen Christian Drosten. Diese wurde als Preprint veröffentlicht, also noch ohne Peer Review. Normalerweise werden Studien zunächst von anderen Experten kommentiert und diskutiert, ehe sie in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht werden.

Doch in Zeiten der Pandemie „möchte man alles Wissen gleich verfügbar machen“, sagte die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl. Das sei „eine neue Situation und macht auch die Unsicherheit aus“. Dass Experten öffentlich streiten, sei jedenfalls kontraproduktiv und werde von den Menschen nicht verstanden, sagte Hutter. Derartige Diskurse sollten vielmehr wissenschaftlich intern besprochen werden. Eine gewisse Unsicherheit mit dem Coronavirus werde es weiterhin geben. In der Risikokommunikation sei Ehrlichkeit wichtig. „Wichtig ist auch zu sagen, wenn man etwas nicht weiß“, betonte Hutter.

„Persönliche Bemessung“

In der Bevölkerung würden die Lockerungen der Covid-Maßnahmen zwiegespalten aufgenommen, so werde einerseits weiterhin Masken auch ohne Pflicht getragen, andererseits habe sich eine gewisse Sorglosigkeit breitgemacht. Puchhammer-Stöckl konstatierte, dass sich nicht alles regeln lasse und vieles in der Eigenverantwortung liege, etwa, ob man Verwandte, die einer Risikogruppe angehören, umarmen darf. Das sei eine „persönliche Bemessung“. Jeder solle aber zuvor abwägen, ob man sich in Risikosituationen befunden habe, wie viele Kontakte erfolgten.

Das Virus sei in Österreich derzeit auf einem geringen Niveau, könne aber auch hier „jederzeit wieder große Schwierigkeiten verursachen“, warnte Puchhammer-Stöckl. Sonderbeauftragter Auer setzt auf Eigenverantwortung – auch im Bereich Gastronomie, wo immer wieder zu hören ist, Vorschriften würden nicht eingehalten. Auer betonte, dass die Behörden nicht alle Bars, Rezeptionen etc. kontrollieren könnten. Die Betreiber hätten selbst eine Verantwortung und dürften nicht nur an die eigenen Einnahmen denken, sagte der Sonderbeauftragte.