Eine Szene aus dem Ibiza-Video
APA/Spiegel/Süddeutsche Zeitung
„Halb so wild“

Strache wollte Kurz per SMS beruhigen

Vor der für Mittwoch geplanten Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss ist ein Auszug seiner Chatnachrichten mit dem früheren Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) veröffentlicht worden. Die Opposition hatte oft beklagt, dass dem U-Ausschuss keine Nachrichten zwischen Kurz und Strache vorgelegt wurden.

Am 17. Mai 2019 wurde das „Ibiza-Video“ veröffentlicht. Kurz hatte laut der Tageszeitung „Österreich“ bei seinem damaligen Vizekanzler am 16. Mai nachgefragt: „Was kommt da genau?“ Straches Antwort um 0.50 Uhr am 17. Mai lautete: „Halb so wild. Viele falsche Vorwürfe, welche so nicht stattgefunden haben…aber die Frage ist der Auftraggeber…da haben wir zurzeit ein paar Informanten.“ Kurz äußerte dann den – von ihm auch öffentlich wiederholten – Verdacht, der frühere SPÖ-Berater Tal Silberstein könnte hinter dem Video stecken, was Strache aber zurückwies: „Wenn es so einfach wäre, wäre es schön!“ Zu Mittag schrieb Kurz: „Bitte um dringenden Rückruf!“

Außerdem geben die Nachrichten Einblick in Konflikte in der ÖVP-FPÖ-Koalition. So beschwerte sich Kurz über Widerstand der FPÖ gegen geplante Einsparungen im Pensionsbereich, obwohl die ÖVP im Gegenzug Verbesserungen bei der Mindestpension mittragen würde. „Du vergisst leider immer deine Teile der Vereinbarungen“, hielt Kurz Strache vor. Der antwortete: „Du weißt, dass dies falsch ist und du hier unehrlich spielst.“ Einer Senkung der Körperschaftssteuer hätte die FPÖ laut einer Strache-SMS nur zugestimmt, wenn es ein Entgegenkommen bei den ORF-Gebühren und beim Verteidigungsbudget gegeben hätte.

Strache erwähnte im Ausschuss SMS an Kurz

Für das Kanzleramt zeigen die SMS, „dass selbstverständlich eine völlig übliche und keine rechtlich bedenkliche Kommunikation des Bundeskanzlers stattgefunden hat“. Die Weitergabe an die Medien sei aber widerrechtlich erfolgt und eines Rechtsstaates unwürdig, sagte ein Sprecher. Für Straches nunmehrigen Parteimanager Christian Höbart zeigen die SMS dagegen, „wie standhaft Strache stets original freiheitliche Themen und Schwerpunkte vertreten hat“. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker möchte die SMS nun auch im U-Ausschuss haben, denn ihre „abstrakte Relevanz“ für dessen Thema sei mit der Veröffentlichung nicht mehr zu bestreiten.

Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz Christian Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz
ORF.at/Roland Winkler
Am Mittwoch ist Bundeskanzler Kurz als Auskunftsperson im U-Ausschuss geladen

Strache selbst hatte sich im U-Ausschuss darüber beklagt, dass seine Nachrichten „medial instrumentalisiert“ würden. „Selbstverständlich habe ich viel SMS-Verkehr gehabt und ich habe dort auch nichts Verwerfliches geschrieben“, teilte er den Abgeordneten mit. Er finde es „empörend, dass es aufgrund einer anonymen Anzeige eine Hausdurchsuchung gegeben hat und man diese zutiefst persönlichen Bereiche meines Handys damit gesichert hat“. Auf die Frage von SPÖ-Mandatar Andreas Kollross, ob er auch an Kurz SMS geschrieben habe, antwortete der Ex-FPÖ-Chef: „Na selbstverständlich.“

Purkart: Strache kann SMS vorlegen

Die Nachrichten wollte er als Auskunftsperson – das wäre laut Verfahrensordnung möglich – dem Ausschuss nicht vorlegen. „Nein, das mache ich nicht, sondern das haben natürlich die Behörden entsprechend darzulegen“, sagte er. Im Wesentlichen würden die SMS inhaltliche Punkte, „die wir im Regierungsprogramm verhandelt haben und wo es vonseiten des Koalitionspartners die Zusage gab, diese umzusetzen“, beinhalten.

Matthias Purkart, Oberstaatsanwalt bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), wollte bei seiner Befragung nicht näher auf einzelne Chats zwischen Strache und Kurz eingehen. Er merkte nur an, dass es Nachrichten gebe. „Die gute Nachricht ist: Herr Strache hat hier die Wahrheit gesagt (…) Ich möchte aber dazusagen, sollte Herr Strache der Meinung sein, dass Chats für die Sachverhaltsaufklärung relevant sind: Er hat seit 14. August 2019 sein Handy zurück. Er hat natürlich jederzeit die Möglichkeit, dass er einen Beweisantrag stellt beziehungsweise diese Chats selbst vorlegt.“

Polizist erfuhr vor Veröffentlichung von Material

Auf einer anderen Ebene wurde auch hinsichtlich der Ermittlungen wieder etwas bekannt. Ein Kriminalpolizist hatte offenbar mehrere Tage vor dessen Veröffentlichung von der Existenz des „Ibiza-Videos“ erfahren. Das geht aus der Aussage des Beamten gegenüber der Staatsanwaltschaft St. Pölten hervor. Sein Informant, der wegen eines Drogendelikts angeklagt ist, soll auch behauptet haben, Geschäftspartner des in der Causa Verdächtigen Julian H. gewesen zu sein.

Die Ermittler hatten im November 2019 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Betroffen waren Personen, die dem „engeren Kreis“ des an der Affäre beteiligten H. zuzurechnen sind. Einer von ihnen war jener Mann, der dem Polizisten vom Video erzählt hatte. Er arbeitete als Vertrauensperson für die Behörden, soll aber selbst ins Drogenmilieu abgerutscht sein. Eine Beteiligung am „Ibiza-Video“ bestreitet er.

Strache sei im „A…“

Getroffen hatte sich der Beamte mit dem V-Mann laut seinen schriftlichen Angaben gegenüber der Staatsanwaltschaft St. Pölten „einige Tage“ vor der Veröffentlichung des Materials im Mai 2019. Sein Gegenüber soll dabei von einem Video erzählt haben, bei dem Strache nicht gut wegkommen werde. Der FPÖ-Obmann sei im „A…“, sagte der Mann laut der Aussage des Beamten. Der Schilderung des Beamten zufolge behauptete sein Informant außerdem, bereits seit 2018 von dem Video gewusst und schon damals das Bundeskriminalamt darüber informiert zu haben.

Das Bundeskriminalamt wollte das auf APA-Anfrage nicht kommentieren. „Aufgrund der laufenden Ermittlungen eines Verschlussaktes können wir keine Angaben machen“, sagte ein Sprecher. Auch zu möglichen Vertrauenspersonen, verdeckten Ermittlern und Ähnlichem könne man auch aus datenschutzrechtlichen und vor allem sicherheitsrelevanten Gründen keinerlei Auskünfte erteilen.

Protokolliert wurde die Aussage des Polizisten über sein Gespräch mit dem V-Mann im Zuge von Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs. Die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat dabei Staatsanwälte und Polizisten im Visier, wie die Anklagebehörde der APA bestätigte. Sie sollen mit verdeckten Ermittlern gearbeitet, das aber nie angegeben haben, lautet der Vorwurf. Einer von ihnen soll der nach der Hausdurchsuchung im Zuge der „Ibiza-Affäre“ in Salzburg Inhaftierte gewesen sein. Mittlerweile gibt es eine Anklage gegen ihn wegen Drogendelikten.