Lächelnde Frau schwimmt in einem See
Getty Images/fstop/Carl Smith
Der Spaß am kühlen Nass

So entstand die Lust am Schwimmen

Gerade im Sommer ist für viele das kühle Nass ein Fixpunkt in der Freizeitgestaltung. Doch wie kam der Mensch überhaupt zum Schwimmen, wo er doch nicht gerade ein „Wassertier“ ist? Laut Bonnie Tsui gibt es fünf Gründe zu schwimmen, wie sie in ihrem Buch „Why we swim“ („Warum wir schwimmen“) erklärt.

Überleben, also aus einer Notwendigkeit heraus, nennt Tsui als ersten Grund, gefolgt von Wohlbefinden, das heißt der Genuss, im Wasser zu sein. Danach folgen die Gemeinschaft, also das gemeinsame Erleben und Freude haben mit anderen, der Wettkampf, der Spaß am Sport und der Herausforderung, und zuletzt poetisch gedacht das Fließen, sich dem Wasser und der Schwimmbewegung hinzugeben und sich darin zu verlieren.

Die ersten Schwimmabbildungen reichen einige tausend Jahre zurück: Vor rund 8.000 bis 4.000 Jahren sollen die Felsmalereien in der nun „Höhle der Schwimmer“ genannten Stätte in der Libyschen Wüste entstanden sein. Die heutige Sandwüste war einst von Flüssen und tiefen Seen durchzogen. Die Bilder zeigen Menschen bei einer Variante des Brustschwimmens. Auch ein Siegelzylinder aus Ton, der zwischen dem 9. und dem 4. Jahrtausend entstanden sein soll, und dort, nahe Wadi Sura in Ägypten, gefunden wurde, zeigt Menschen beim Schwimmen. Schriftliche Zeugnisse sollen laut Fachleuten rund 4.000 Jahre zurückreichen.

Schwimmerdarstellungen in der Höhle der Schwimmer in Wadi Sura
Tausende Jahre alte Schwimmerdarstellungen in der „Höhle der Schwimmer“ in Wadi Sura

Schwimmbassin oder Ort für Rituale?

Doch auch in Asien gebe es Belege für eine frühe Schwimmleidenschaft – etwa die stadtähnliche Siedlung Mohenjo-Daro im Unterlauf des Indus im heutigen Pakistan, die rund 4.500 Jahre zurückreicht, wie Howard Means in seinem Buch „Splash!“ schreibt. Zentraler Bau war ein Bad. Die Anlage soll rund 60 mal 30 Meter groß gewesen sein. Sie enthält ein Becken von rund sieben mal zwölf Metern. Dieses Bassin ist zwei Meter im Boden versenkt.

Ob es sich dabei wie etwa später bei den Römern um eine Bade- und Schwimmanstalt handelte, ist ungewiss, denn auch eine rituelle Nutzung kann nicht ausgeschlossen werden. Denkbar ist auch, dass die Anlage für mehrere Zwecke genutzt wurde.

Mosaik von drei Frauen in Bikinis aus der Villa Romana Del Casale in Sizilien
picturedesk.com/robertharding/Vincenzo Lombardo
Ein antikes römisches Mosaik mit drei Frauen in einem Vorläufer des Bikinis aus der Villa Romana Del Casale in Sizilien

Antike „Allgemeinbildung“ mit Vorbildcharakter

Im antiken Ägypten war Schwimmen ebenfalls äußerst populär – vor allem natürlich in der großen Lebensader Nil. Hohe Würdenträger und Adelige bauten sich regelrechte Swimmingpools in die Gärten ihrer großzügig angelegten Häuser. Neben dem Nil frönte man auch dort dem Schwimmenlernen und dem Wettbewerb.

Schwimmen gehörte im Rahmen von Gymnastik auch in der griechisch-römischen Antike zum guten Ton – und zur „Allgemeinbildung“. Neben Schwimmlehrern gab es auch bereits Schwimmhilfen, um Anfängern und auch Anfängerinnen die ersten Schwimmversuche zu erleichtern. Nicht zu schwimmen wurde mit nicht lesen zu können gleichgesetzt, etwa in Sprichwörtern über Dummheit. In Athen galt nicht umsonst Schwimmen in der Bildung junger Menschen als äußerst wichtig – die Buben sollten vor allem schwimmen und lesen lernen, hieß es dort.

Durch den Tiber aus der Geiselhaft

Und auch die Römer übernahmen Schwimmen als „Allgemeinbildung“ und zur körperlichen Ertüchtigung. Sie errichteten neben zahlreichen Bädern auch Badeorte, etwa in Süditalien. Zur Militärausbildung im Römischen Reich gehörte offenbar auch das Schwimmen in Rüstung.

Literarische Beispiele, die bis in die Frühzeit Roms und den Konflikt der damals noch kleinen Siedlung mit den Etruskern zurückreichen, sind dazu überliefert. Als eines der ersten Beispiele gilt hier Cloelia. Sie wurde mit anderen jungen Frauen als Geisel zu den Etruskern geschickt, doch befreiten sie sich selbst und konnten durch den Tiber schwimmend den Etruskern entkommen.

Statue Gaius Iulius Caesars aus dem Kunsthistorisches Museum in Wien
Eine Büste von Julius Cäsar

Julius Cäsar als „Überschwimmer“

Der römische Volksheld Horatius Cocles wiederum musste mit voller Rüstung den Tiber durchschwimmen. Er verteidigte der römischen Mythologie zufolge im ausgehenden sechsten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung alleine die Tiber-Brücke gegen herannahende Etrusker. Währenddessen bauten andere Römer die Brücke hinter ihm ab und er musste schwimmend zurückkehren. Je nach römischem Autor überlebte er das Durchschwimmen mit dem Extragewicht der Rüstung oder er ertrank und gab so sein Leben für Rom hin.

Auch von späteren Römern sind schwimmende Heldentaten überliefert. So war Julius Cäsar laut den römischen Autoren und Geschichtsschreibern Cassius Dio und Sueton ein überaus guter Schwimmer. Er soll auch das als schwierig geltende Seitenschwimmen vorzüglich beherrscht haben. So soll er sich laut Sueton in seinen Kaiserviten schwimmend bei der Belagerung der ägyptischen Küstenmetropole Alexandrias aus einer äußerst gefährlichen Situation gerettet haben.

Nur Caligula fällt negativ auf

Dabei schwamm er – glaubt man Sueton – 300 Meter zum nächsten Schiff: Seine Notizbücher rettete er hochgehalten in der linken Hand, und seinen Feldherrenmantel zog er mit den Zähnen an sich, damit dieser ja nicht in die Hände seiner Feinde gelangte, so die verherrlichende Beschreibung Suetons des „Überschwimmers“ Cäsar.

Sein Erbe und Nachfolger Augustus, der ebenfalls als ausgezeichneter Schwimmer galt, soll laut Sueton persönlich seinen Enkeln das Schwimmen beigebracht haben – wie zuvor auch Cato der Ältere seinem Sohn. Schwimmen war in der römischen Welt derart verbreitet, dass Nichtschwimmer auffällig waren. So hebt Sueton in seinen Kaiserbiografien negativ hervor, dass Caligula nicht schwimmen konnte.

Idealbild Karls des Großen, gemalt 1513 von Albrecht Dürer
Public Domain
Idealdarstellung von Karl dem Großen von Albrecht Dürer, 1513

Im Fluss mit Karl dem Großen

Das Mittelalter galt nicht gerade als die Hochzeit des Schwimmens. Im frühen Mittelalter jedoch war Karl der Große dem Schwimmen offenbar sehr zugetan und benutzte diese Leidenschaft auch politisch. Der eigene Körper wird zum Ausweis sportlicher Tatkraft, patriarchalischer Fürsorge und Führungsstärke überhöht, so der Sukkus des Buches „Der schwimmende Souverän“ von Bredekamp.

„Oft badeten hundert oder mehr Leute mit ihm“, wird Einhard, der Verfasser der ersten Biografie von Karl des Großen aus dem 9. Jahrhundert von Bredekamp zitiert. Karl habe ausdauernd und oft geschwommen und schließlich der heißen Quellen wegen auch seinen Palast in Aachen errichten lassen, heißt es weiter. Baden in heißen Quellen wurden damals, in einer Zeit, als es im Vergleich mit der Antike kaum mehr medizinisches Wissen gab, von Ärzten auch als Mittel gegen zahlreiche Beschwerden verordnet.

Vorbild für politische Inszenierung

Karl der Große wird bei Bredekamp zum Vorreiter der modernen politischen Inszenierung: So gingen etwa im 20. Jahrhundert dann der faschistische italienische Diktator Benito Mussollini und der chinesische Revolutionär und Diktator Mao mit Anhängern und Anhängerinnen ins Wasser.

Tausende Chinesen schwimmen mit Führer Mao Zedong 1967 im Yangtze-Fluss
APA/AFP
Der „große Steuermann“ Mao mit Anhängern und Anhängerinnen bei der Durchquerung des Yangtse

Mao durchschwamm mit Anhängern und Anhängerinnen 1966 den Yangtse. „Folgt dem Vorsitzenden Mao vorwärts durch starke Winde und hohe Wellen“, so eine der massenweisen Parolen, die den „Großen Steuermann“ Mao und die viel kritisierte „Kulturrevolution“ propagierten.

Porträt von George Gordon Byron von Thomas Phillips (um 1835)
Public Domain
Porträt von Lord Byron von 1835

Byron: Mit der Festkleidung durch den Canal Grande

Doch auch unter Dichtern und Schriftstellerinnen gibt es große Schwimmer und Schwimmerinnen. Als Beispiel sei hier Lord Byron erwähnt. Byron durchschwamm 1810 mit 22 Jahren die gefährliche Meerenge des Hellespont, heute als Dardanellen bekannt, zwischen Europa und Asien. Die Meerenge verbindet das Mittelmeer mit dem Marmarameer und ist von zwei Strömungen gekennzeichnet – die Oberströmung Richtung Mittelmeer und die Unterströmung in entgegengesetzter Richtung. Die Breite der Meerenge variiert von rund 1,6 bis sechs Kilometer.

Legendär seien Byrons Schwimmauftritte in Venedig gewesen, wie John Julius Norwich in seinem Buch „Paradise of Cities“ schreibt. Byron lahmte, aber das tat beim Schwimmen nichts zur Sache. Besonders sein Verhalten nach Festen in den Palazzi des Canal Grande: Er sprang voll angezogen einfach ins Wasser und schwamm heim. Legendär war auch sein Wettschwimmen gegen Angelo Mengaldo im Juni 1818. Die Schwimmstrecke führte vom Lido bis in den Canal Grande, dessen ganze Länge von knapp vier Kilometern der geübte Schwimmer Byron ebenfalls durchschwamm – Mengaldo hatte da bereits längst aufgegeben. Insgesamt soll sich Byron, glaubt man seiner Korrespondenz, dabei fast vier Stunden im Wasser aufgehalten haben.

Die 19-jährige Gertrude Ederle durchquert 1926 als erste Frau schwimmend den Ärmelkanal
AP
Gertrude Ederle ließ den bestehenden – männlichen – Rekord bei der Durchschwimmung des Ärmelkanals um zwei Stunden hinter sich

Ein Frau hängt die Männer ab

Auch die erste dokumentierte Durchschwimmung des Ärmelkanals fällt ins 19. Jahrhundert. 1875 gelang es Matthew Webb, einem Kapitän der britischen Royal Navy, durch den Kanal von England nach Frankreich zu schwimmen. Acht Jahre später starb er bei dem Versuch, den Fluss Niagara zu durchschwimmen. 1926 war die New Yorkerin Gertrude Ederle die erste Frau, die den Ärmelkanal durchschwamm. Mit 14,5 Stunden ließ die mehrfache Olympiamedaillengewinnerin ihre männlichen Vorgänger weit hinter sich. Dank der Kraultechnik war sie um fast zwei Stunden schneller als der damalige gültige – männliche – Rekord.