Sebastian Kurz beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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Kurz im U-Ausschuss

„Keine Spenden aus Glücksspiel und Waffen“

Im „Ibiza“-U-Ausschuss hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Fragen der Abgeordneten gestellt. Thema am Mittwoch waren auch die Spenden an die ÖVP. Kurz sagte, die Partei nehme aus bestimmten Bereichen keine Spenden an, dazu zählten Glücksspiel und Waffen. Er telefoniere immer wieder auch mit Spendern der ÖVP.

Die Liste der Großspender an die ÖVP sei grundsätzlich öffentlich einsehbar, so Kurz auf entsprechende Fragen im Ausschuss. Angesprochen auf konkrete Namen sagte Kurz, dass (Immobilien-Tycoon, Anm.) Rene Benko nicht gespendet habe, Bettina Glatz-Kremsner – Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien und früher stellvertretende ÖVP-Vorsitzende – durchaus. Der Glücksspielkonzern Novomatic habe nicht gespendet, eine solche Spende hätte die Bundespartei auch nicht angenommen. Spender würden „größtmöglich“ überprüft, so Kurz.

Er habe auch persönlich mit Spendern gesprochen, so Kurz auf entsprechende Fragen. Dazu zählten etwa Franz Rauch und Max Turnauer, so Kurz auf die Frage von Eva Maria Holzleitner (SPÖ) nach einer Liste von „Sponsoren“ aus dem Projekt Ballhausplatz, die 2017 bekanntwurde. „Ich erkenne da Personen, die gespendet haben, ich erkenne Personen, die nicht gespendet haben. Ein ziemlicher Kudlmudl“, so Kurz. Heidi Goess-Horten? „Ich habe sie ungefähr einmal im Jahr gesehen, da werde ich mich sicher für die Spende an die ÖVP bedankt haben“, so Kurz.

Sebastian Kurz beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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Kurz zeigte sich im Ausschuss grundsätzlich gut gelaunt

Mit Benko habe er nicht über Spenden gesprochen, dieser habe womöglich gespendet. Er gehe nicht davon aus, dass Andreas Treichl von der Erste Group gespendet habe. Gefragt über Kontakte zu Großspender Klaus Ortner, dessen Tochter Iris im ÖBAG-Aufsichtsrat sitzt, sagte Kurz, dass er Ortner regelmäßig alle paar Monate treffe, im Vorfeld der Entsendung habe er mit ihm aber nicht über die Entsendung gesprochen, wenn dann nachher. Die Entsendung in den Aufsichtsrat der ÖBAG liege in der Kompetenz des Finanzministeriums.

„Jetzt platzt mir gleich der Kragen“

Die SPÖ nahm Treichl und die Erste Bank in den Fokus: 100.000 Euro seien von Erster und Raiffeisen gekommen, das gehe aus einem Rechenschaftsbericht hervor. „Wenn das in dem Bericht so steht, dann stimmt es wohl“, so Kurz. Die SPÖ legte einen „Wunschkatalog der Erste Bank“ vor, ein Dokument, das dem Kanzler von der Ersten zugegangen sei. Es geht um die Finanzmarktaufsicht (FMA) und deren Reform. Kurz sagte, es sei „das Normalste der Welt, dass Banken als Stakeholder“ Interesse an der FMA hätten.

Sebastian Kurz beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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Das mediale Interesse an der Aussage des Bundeskanzlers ist groß

„Wenn Sie unterstellen wollen, dass deshalb (wegen Sponsorings etc., Anm.) etwas passiert, dann weise ich das zurück“, so Kurz. Die SPÖ ortete den „Beginn der Aufsichtsreform“. Kurz dazu: „Als Bundeskanzler bin ich nicht zuständig für die Aufsichtsreform“, das sei Sache des Finanzministeriums gewesen. Zu dem Papier selbst habe er keine Wahrnehmung. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker wollte wissen, warum Kurz nicht wusste, was vorging. „Jetzt platzt mir gleich der Kragen“, ärgerte sich Kurz.

Er würde einen Spender, der sich für seine Spende „etwas erwarten“ würde, bei der Tür raushauen, so Kurz auf Fragen von Nina Tomaselli (Grüne). Die ÖVP lasse Spender auch immer eine Erklärung unterschreiben, dass sie sich von ihrer Spende nichts erwarten dürften. Gefragt nach Vereinskonstruktionen argumentierte Kurz, dass es „widersinnig“ wäre, wenn die ÖVP etwa von KTM-Chef Stefan Pierer Hunderttausende Euro annehme und dann Vereinskonstruktionen mache, um Geld am Rechnungshof vorbei zu lukrieren.

„Wir versuchen als Partei immer, uns an die Regeln zu halten“, so Kurz, man habe nur einen Fehler gemacht, als man 2017 die Wahlkampfkosten überschritten habe. Dafür zahle man auch Strafe. Schließlich sei er froh, dass „es diese Spenden nicht mehr gibt, weil jetzt ersparen wir uns das ganze Theater“, so Kurz, der damit auch das intensive mediale Interesse an den Spenden meinte.

„Ich war nicht in Ibiza“

In seinem Eingangsstatement sagte Kurz, er könne wenig zum „Ibiza-Video“ selbst sagen: „Ich war nicht in Ibiza und kann daher nichts dazu sagen“, so Kurz. Auch wer hinter dem Video stehe, könne er nicht sagen. Vom Video habe er von Ex-FPÖ-Kanzler Heinz-Christian Strache „wenige Tage“ vor dessen Veröffentlichung unter vier Augen erfahren, so Kurz später. Er habe vorher eine Andeutung bekommen, mit FPÖ-Russland-Bezug, die er nicht verstanden und „nicht ernst“ genommen habe.

Er könne hingegen Auskunft darüber geben, wie Koalitionsarbeit funktioniere – auch hinsichtlich Personalentscheidungen. „Da gibt es Hunderte an der Zahl“, so Kurz zu Personalentscheidungen. Er habe „das System nicht erfunden“, sagte der Kanzler zu Personalentscheidungen generell. Bei manchen habe er mitentschieden, von anderen habe er aus der Zeitung erfahren. „Nicht jede Personalentscheidung ist etwas Schlechtes“, so Kurz.

Sebastian Kurz beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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Kurz im Ausschuss: „Lösche meine Nachrichten regelmäßig“

„Strache hat mehr SMS geschrieben, als ich selber lesen kann“

SMS-Nachrichten könne er nicht vorlegen, nur in geheimer Sitzung könne er Details nennen. „Ich lösche meine Nachrichten ständig“, so Kurz. Auch habe es mit Strache keinen E-Mail-Verkehr gegeben. „Strache hat mehr SMS geschrieben, als ich selber lesen kann“, so Kurz. Gefühlt habe er nahezu täglich SMS von Strache bekommen, „machmal im Schwall“. Man habe manchmal gescherzt, dass Strache zu Zeiten schreibe, „zu denen ich schon geschlafen habe oder noch nicht wach war“. In der Folge nahm die erwartete Diskussion über die Vorlage von Nachrichten und insbesondere des Kalenders des Kanzlers ihren Lauf, NEOS, SPÖ und FPÖ pochten auf Vorlage.

Kurz sagte, dass nach seinem Ausscheiden Unterlagen übergeben worden seien, zu Archivierendes sei ans Staatsarchiv gegangen, und Persönliches sei nicht zu archivieren. Die ÖVP sprang dem Kanzler zur Seite: „Wenn nichts zum Liefern ist, muss nichts geliefert werden.“ Kurz sagte weiters, dass das Staatsarchiv entscheide, wenn etwas privat sei, und das dann entsprechend nicht archiviert werde. Tomaselli ergänzte, dass es nicht um Privates gehe und nicht alles relevant sei aus dem Kalender von Kurz. Privates solle privat bleiben, aber die offiziellen Termine wolle man kennen.

Medien vor dem U-Ausschuss-Lokal
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Mediengerangel im Ausschuss

Auf die Frage von NEOS-Fraktionsführerin Stefanie Krisper, warum er seine SMS regelmäßig löscht, sagte Kurz, das sei ihm empfohlen worden. Er könne das gerne erklären. Da es auch einen „Auslandskonnex“ gebe, würde er das nur in geheimer Sitzung machen. Bei E-Mails werde veraktet, was relevant sei.

„Kann mich an Gespräch mit Pröll nicht erinnern“

Zuletzt war der Name von Kurz auf einer handschriftlichen Notiz von Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner aufgetaucht, wonach Josef Pröll, Vizepräsident des CASAG-Aufsichtsrats und früherer ÖVP-Finanzminister, mit dem Bundeskanzler am 2. Oktober 2018 reden sollte. Aus der Aktennotiz geht weiters hervor, dass der CASAG-Vorstand eine Holdinglösung präsentierte – ein Zweiervorstand sei in dem Fall „eine gute Lösung“.

ORF.at-Berichterstattung

ORF.at berichtet über den U-Ausschuss direkt aus dem Sitzungslokal in der Hofburg.

Er habe immer wieder Termine mit den Casinos Austria gehabt, sagte Kurz. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Pröll mit mir über die Casinos gesprochen hat“, so Kurz zum angesprochenen Termin mit Pröll. „Vielleicht hat es Gespräche gegeben, aber ich kann mich nicht erinnern“, so Kurz. Es habe sich um einen Abend mit hundert Gästen gehandelt. Kurz hielt fest, dass er sich „für (den damaligen FPÖ-Bezirksrat Peter, Anm.) Sidlo nie starkgemacht“ habe.

„Kein Erziehungsberechtigter“

Auch Thema war die vermutete Verschränkung zwischen ÖVP und FPÖ in Sachen zweier Personalbesetzungen. NEOS bezog sich auf ein Einnahmeprotokoll von Ex-Casinos-Generaldirektor Alexander Labak, aus dem hervorgehe, dass die Bestellung von Sidlo zum Finanzvorstand mit der Bestellung von Thomas Schmid zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG verschränkt gewesen sei. Das Dokument zeige einen „Deal“ zwischen ÖVP und FPÖ, so NEOS.

Kurz sagte, er halte Schmid für qualifiziert als Chef der ÖBAG – er kenne ihn seit zehn Jahren („ich war aber nie mit ihm auf Urlaub“). Gefragt nach einer SMS Straches an Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger (darin hieß es: „Kurz will davon nichts wissen“) entgegnete Kurz, dass er nicht „Erziehungsberechtigter“ sei – er könne zum SMS-Verkehr anderer nichts sagen. „Ich habe den Aufsichtsrat nicht beeinflusst“, hielt Kurz fest. Ob er einzelne Aufsichtsräte getroffen habe, könne er nicht ausschließen, so Kurz. „Glücksspiel war nie ein Thema, das groß auf meinem Radar war.“ Für die Bestellung Sidlos in die CASAG habe er sich nie starkgemacht, sagte Kurz auf Fragen der Verfahrensrichterin Ilse Huber.

Löger wird „Daumen hoch“ erklären müssen

Für Mittwoch war auch Ex-Finanzminister Hartmut Löger bestellt, seine Befragung wurde aber wegen der fortgeschrittenen Zeit abgesagt. Ihm werden sichergestellte WhatsApp-Nachrichten unter anderem mit Strache zu vermutetem Postenschacher zur Last gelegt. Der Ex-FPÖ-Chef hatte sich kurz vor der offiziellen Bestellung Sidlos beim damaligen Finanzminister für die Unterstützung Lögers bei der CASAG bedankt. "Lieber Hartwig, Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Liebe Grüße HC“, schrieb er am 11. Februar 2019. Löger antwortete mit einem „Daumen Hoch“-Symbol. Später begründete er seine Antwort damit, dass er sich über Straches Nachricht „spontan geärgert“, aber aus Zeitmangel das „Daumen hoch“ nach dem Motto „Gib a Ruh“ schickte.

Der Ex-Finanzminister bestreitet – wie alle Beteiligten, die als Beschuldigte geführt werden – die Vorwürfe. „Das war eine Sache dreier Aktionäre innerhalb der Casinos AG“, sagte er im vergangenen November. Sidlo sei Vorschlag der Novomatic gewesen, „da hat man einfach eine gemeinsame Linie gesucht“. Seine Aufgabe als Vertreter der Republik sei es gewesen, für eine stabile sichere Zukunftsbasis der Casinos zu sorgen. „Darüber hinaus lagen mir keine Informationen vor, die seine (Sidlos, Anm.) Qualifikation infrage stellen.“