Ein lachender Schüler mit Mund-Nasen-Maske in einer Schule
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Homeschooling, Abstand & Masken

Ein ungewöhnliches Schuljahr endet

Ein äußerst ungewöhnliches Schuljahr geht am Freitag im Osten und kommende Woche im Westen Österreichs zu Ende. Am letzten Schultag vor den Sommerferien dürfen alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam in ihre Klassen kommen. Das war zuletzt am 13. März so. Danach brachte die Coronavirus-Pandemie den Schulalltag gehörig durcheinander.

Die vergangenen Monate waren geprägt von Schlagwörtern wie Homeschooling und Distance-Learning. Wohnzimmer wurden zu gemeinsamen Arbeitsplätzen für die ganze Familie. Ausgedruckte Arbeitspakete stapelten sich auf Küchentischen. Schülerinnen, Schüler und Lehrende sahen einander, wenn überhaupt, nur per Videokonferenz. Am 18. Mai kehrten dann Hunderttausende Kinder und Jugendliche in ihre Schulen zurück – in geteilten Klassen, im Schichtbetrieb und bis Anfang Juni mit Mund-Nasen-Schutz.

Zur Zeugnisverteilung können erstmals wieder alle am selben Tag zur Schule kommen. Die Zeugnisse sind laut Bildungsministerium am letzten Schultag des Unterrichtsjahres zu verteilen, also am Freitag. Um die Hygienebestimmungen dennoch einhalten zu können, biete sich neben einer gestaffelten Zeugnisverteilung auch das Ausweichen in den Turnsaal oder ins Freie an, so das Ministerium gegenüber ORF.at.

„Jetzt braucht es echte Ferien“

Am Ende dieses Schuljahres sei es wichtig, sich bewusst zu machen, was man alles geschafft hat, so Barbara Schober, Professorin für Psychologische Bildungs- und Transferforschung an der Fakultät für Psychologie der Uni Wien. Das beziehe sich nicht nur auf Leistungen im engeren Sinne, sondern auf alles, was in den letzten Monaten an Herausforderungen zu bewältigen war und alles, was man gelernt hat. Es brauche jetzt „echte Ferien und eine Pause und das Bewusstsein, dass einem diese zusteht“, so Schober gegenüber ORF.at.

Doch nach dem letzten Schultag ist in diesem Jahr für viele Familien vor dem ersten Schultag: Weitere neun Wochen Kinderbetreuung müssen organisiert werden. Denn viele Angestellte haben während der letzten Monate ihren Jahresurlaub aufgebraucht. Viele Selbstständige konnten ihrer Arbeit wegen der Kinderbetreuung nur eingeschränkt nachgehen.

Trotz der Coronavirus-Pandemie dürfen in diesem Sommer Feriencamps stattfinden – ohne Maske und Mindestabstand, aber unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen. Wegen der Coronavirus-Krise wurden die Betreuungsangebote vielerorts ausgebaut.

Sommerschule soll Benachteiligungen entgegenwirken

Neu ist in diesem Jahr auch die vom Bildungsministerium aufgrund der Coronavirus-Krise eingerichtete Sommerschule. Sie findet in allen Bundesländern in den jeweils letzten beiden Ferienwochen statt. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler, die in Deutsch zwischen vier und fünf stehen, und jene, die auch die Deutschförderklassen besuchen. Die Sommerschule soll Benachteiligungen entgegenwirken, die durch den neunwöchige Fernunterricht entstanden sind. Denn nicht alle Kinder konnten in dieser Zeit gleich gut von ihren Eltern unterstützt werden.

Die Teilnahme an der Sommerschule ist zwar freiwillig, ist ein Kind aber einmal angemeldet, ist Anwesenheit Pflicht, und die Mitarbeit fließt im kommenden Schuljahr in die Deutschnote ein. Im Bildungsministerium war man von einer potenziellen Teilnehmerzahl von bis zu 41.000 Schülerinnen und Schülern ausgegangen. Bis Ende vergangener Woche gab es rund 22.000 Anmeldungen. Mehr Anmeldungen als im Durchschnitt wurden in Vorarlberg und Tirol verzeichnet, etwas weniger in Oberösterreich, der Steiermark und Wien.

Deutsch vs. andere Fächer

Kritik gab es vorab daran, dass in der Sommerschule nur Deutsch unterrichtet wird. Deutsch sei die Basis für alle anderen Fächer, argumentiert man im Bildungsministerium. In den Wiener Summer City Camps gibt es hingegen auch Lernförderung in Mathematik und Englisch. Das Angebot sei für alle Schülerinnen und Schüler, heißt es aus dem Büro des Wiener Bildungsstadtrats – und Nachhilfefach Nummer eins sei immer noch Mathematik. Außerdem werde dadurch die Heterogenität der Lerngruppen gefördert, was für den Lernprozess wichtig sei.

Schüler und Schülerinnen
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Mit unterschiedlichen Angeboten soll während der Fernlehre versäumter Stoff im Sommer aufgeholt werden

Während der Sommerferien zu lernen, fänden vermutlich nur wenige Schüler und Schülerinnen gut, so Psychologin Schober. Umso wichtiger sei es, „klar zu machen, was genau zu lernen ist und warum das jetzt wichtig ist“. Eine Sache sei in diesem Jahr wohl anders als sonst: „Man kann viel naheliegender für die Kinder betonen, dass es auch anderen so geht, weil die letzten Monate einfach für viele schwer waren.“ Das könne sehr entlasten, weil die Ausgangssituation weniger individuell defizitär erlebt werde.

Folgen auch für Ferialjobs

Auch auf anderer Ebene spüren Schülerinnen und Schüler diesen Sommer die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie: Ferialjobs wurden abgesagt, Praktika finden nicht statt. Denn die meisten Unternehmen sind noch nicht zum Normalbetrieb zurückgekehrt. Laut Erlass des Bildungsministeriums können Pflichtpraktika deshalb heuer an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMS, BHS) entfallen.

Schülerinnen und Schüler müssten glaubhaft darlegen, dass sie trotz mehrerer Bewerbungen keine Stelle bekommen haben. Dann können sie vom Praktikum befreit und trotzdem zu abschließenden Prüfungen zugelassen werden.

Kein Sitzenbleiben mit einem Fünfer

Auch die Regeln für das Sitzenbleiben wurden aufgrund der Fernlehre in diesem Jahr gelockert: Schülerinnen und Schüler dürfen mit einem Nicht Genügend im Zeugnis in jedem Fall in die nächste Klasse aufsteigen. Wenn sich die Lehrerkonferenz dafür ausspricht, sogar mit zwei oder mehr Fünfern.

Psychologin Barbara Schober
Barbara Schober, Foto: Margit A. Schmid
Bildungspsychologin Barbara Schober

Dennoch zur Wiederholungsprüfung anzutreten ist aber von Vorteil. Denn bei positiver Absolvierung ist im Jahr darauf – falls nötig – wieder ein Aufsteigen mit einem Fünfer und ohne Wiederholungsprüfung möglich. Ab dem kommenden Schuljahr gilt nämlich wieder die alte Regelung. Und die besagt, dass die Aufstiegsklausel nicht in zwei aufeinanderfolgenden Jahren genutzt werden darf.

„Eine Zeit, in der wir alle viel lernen“

Und auch sonst geht man im Bildungsministerium aus heutiger Sicht von einem regulären Schulbetrieb im nächsten Schuljahr aus: ohne zweigeteilte Klassen und ohne Schichtbetrieb. Ob es im September tatsächlich so sein wird, bleibt – wie so vieles in diesen Zeiten – abzuwarten.

Unsicherheiten sollten jedenfalls wahrgenommen und besprochen werden, so Schober: „Man sollte realistisch sagen, dass wir im Moment noch nicht genau wissen, was sein wird, dass wir aber sicher einen Weg finden werden, mit den Dingen umzugehen.“ Die Psychologin rät Eltern und Lehrenden zudem, im Gespräch mit Kindern und Jugendlichen darauf zu fokussieren, was man in den letzten Monaten alles geschafft hat.

Es gehe darum, zu vermitteln, dass „wir im Moment in einer Zeit leben, in der wir alle viel lernen und immer wieder mit neuen Dingen zurechtkommen müssen, in der sich so manches verändert und wir Rücksicht aufeinander nehmen müssen“. Entscheidend daran sei, zu sehen, dass wir immer Handlungsmöglichkeiten haben und nicht sozial isoliert sind.