Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

„Schredderaffäre“ für Blümel „erledigt“

Wer hat den Auftrag zum Schreddern der Festplatten im Bundeskanzleramt gegeben? Das wisse er nicht, so Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Donnerstag im „Ibiza“-U-Ausschuss, er selbst habe davon aus den Medien erfahren. Er habe nicht versucht, die Hintergründe aufzuklären: Er sei zu dem Zeitpunkt nicht mehr im Bundeskanzleramt tätig gewesen, daher sei die Sache für ihn erledigt gewesen.

Der damalige Kanzleramtsminister und Regierungskoordinator sagte, er habe die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu einer geordneten Übergabe aufgefordert, als sich abgezeichnet habe, dass man die Büros im Zuge des Misstrauensantrags verlassen müsse. Das sei auch besprochen worden. Die genaue Durchführung obliege allerdings alleine den Mitarbeitern, so Blümel.

Er habe nicht versucht, die Hintergründe aufzuklären, so Blümel – die zwei Beteiligten waren schließlich im Bundeskanzleramt tätig –, weil er zu dem Zeitpunkt nicht mehr im Bundeskanzleramt tätig war. Daher sei das für ihn erledigt gewesen. Er glaube, er habe auch gar keinen Laptop gehabt, so Blümel auf die Frage der FPÖ, wem er seinen Laptop übergeben habe und ob auch seine Festplatte geschreddert wurde. Er habe alles mit dem Handy gemacht. Seine Arbeitsweise sei „sehr effizient“. Er habe auch jetzt keinen beruflichen Laptop.

ORF.at-Berichterstattung

ORF.at berichtet über den U-Ausschuss direkt aus dem Sitzungslokal in der Hofburg.

Eher wortkarg war Blümel bei der Frage nach Wahrnehmungen zu den Aktivitäten von ÖBAG-Chef Thomas Schmid, bei denen Strafverfahren anhängig sind – dabei geht es auch um mutmaßlichen Drogenkonsum. Es gilt die Unschuldsvermutung. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Kripser fragte Blümel, ob er, Blümel, persönliche Wahrnehmungen dazu habe. Blümel antwortete, es habe dazu Aufsichtsratssitzungen gegeben, der AR sehe keine Handlungsbedarf. Er selbst habe von den Vorwürfen aus den Medien und dem Aufsichtsrat erfahren.

Von Sidlo-Bestellung „aus Medien erfahren“

Zu den ersten Fragen von Verfahrensrichterin Ilse Huber sagte Blümel, dass er von der Nominierung von Peter Sidlo als CASAG-Finanzvorstand erst aus den Medien erfahren habe. Die Bestellung sei grundsätzlich Sache des Aufsichtsrats, ebenso die Bestellung von Schmid als Chef der ÖBAG. Er sei lediglich im Nominierungskomitee gesessen. Gefragt zur „Schredderaffäre“ sagte Blümel, er habe über die Medienberichte hinaus keine wesentlichen Wahrnehmungen dazu.

An die FPÖ gerichtet sagte Blümel in seiner Stellungnahme zu Beginn, man möge seine Familie, insbesondere seine kleine Schwester, raushalten, er wolle aber bestmöglich alle Fragen beantworten. Die FPÖ hatte angekündigt, sie wolle wissen, wie es kommt, dass seine Schwester seit Kurzem im Innenministerium arbeitet, angeblich Tür an Tür mit der „Ibiza“-Sonderkommission. Die Frage wurde mangels weiterer Infos im Ausschuss nicht zugelassen.

Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Blümel zeigte sich zu Beginn gut gelaunt

Die Frage, wer genau den Rückzug der Glücksspielnovelle veranlasst habe, wurde von Blümel nicht beantwortet: Es habe im Abstimmungsprozess schließlich keine Freigabe gegeben. Grundsätzlich sei der Rückzug „ganz normal“. Er habe mitbekommen, dass es Verwerfungen zwischen den Eigentümern der CASAG gegeben habe, so Blümel, Informationen über die CASAG habe er von verschiedenen Personen erhalten.

Opposition verweist auf Chat-Protokolle

Laut Opposition belegen Chat-Protokolle, dass Blümel über die Vorgänge in der CASAG Bescheid wusste. Nach einem Bericht, wonach der CASAG-Vorstand auf vier Posten erhöht werden soll, soll der damalige Novomatic-Vorstandsvorsitzender Harald Neumann den damaligen Generalsekretär Schmid im ÖVP-geführten Finanzministerium entsprechend angeschrieben haben.

„Hast du den Artikel wegen 4. Vorstand gelesen?? Irgendjemand von ÖBIB (heute ÖBAG, Anm.) sollte sagen, dass 3 Vorstände reichen und man das Team bis nächstes Jahr nicht verändern will!!“ „Bitte auch Gernot Blümel sagen! Hast du das gestern nicht angesprochen?“, schrieb Schmid zurück. Neumann: „hab ich!! man muss nur auf den Artikel reagieren, sonst glauben alle dass das jetzt kommt!!“ Schmid ist heute Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), über die die Republik die Anteile an der Casinos Austria hält.

Blümel kann sich an wenig erinnern

Darauf angesprochen sagte Blümel, er könne dazu nichts sagen, er sei weder Sender noch Empfänger der Nachrichten. Er dürfte auch Neumann getroffen haben, er könne sich aber nicht konkret daran erinnern, dass er darüber mit ihm gesprochen habe. Neumann könne das Thema durchaus angesprochen haben, aber er könne sich nicht erinnern. Neumann könne auch die Streitigkeiten angesprochen haben.

Nicht erinnern kann sich Blümel auch, ob Strache mit ihm über den Privatklinikfonds sprach. „Durchaus möglich“ sei, dass Neumann oder Novomatic-Gründer Johann Graf Anliegen an ihn herangetragen hätten. Einen Konnex zwischen Anliegen und Spenden könne er für sich ausschließen. An ein Treffen mit Graf könne er sich nicht erinnern, Neumann habe er bis zur Besetzung Sidlos öfter getroffen. Er könne aber für sich „ausschließen, dass ich mich an ein Gespräch über Sidlo erinnere“.

Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Blümel konnte sich bei vielen Fragen nicht erinnen

Mit Hilfe der Novomatic soll Sidlo im März 2019 zum Finanzvorstand bestellt worden sein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht dem Verdacht nach, ob es um die Bestellung des Wiener FPÖ-Bezirksrats Sidlo zum CASAG-Finanzvorstand Absprachen zwischen der ÖVP-FPÖ-Regierung und dem damaligen Casinos-Miteigentümer Novomatic gab. Einer Zeugenaussage von Ex-Casinos-Vorstand Alexander Labak zufolge, die auch im U-Ausschuss vorgelegt wurde, soll die Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Alleinvorstand mit der Bestellung von Sidlo zum CASAG-Vorstand verschränkt gewesen sein.

Mehrfach Handy gewechselt

Zum Themenbereich Vereine sagte Blümel, er sei in vielen Vereinen tätig, wie das halt so sei in Österreich, wenn man gesellschaftlich organisiert sei. Er könne nicht immer sagen, welche Funktionen er dabei habe, so Blümel auf die Frage, ob er bei Pro Patria Kassier gewesen sei. Ob es Spenden über 3.500 Euro beim Verein Modern Society gegeben habe, könne er nicht sagen, aber auch nicht zu 100 Prozent ausschließen. Er sei zwar Obmann gewesen, aber für die Geschäftsführung sei eine andere Person zuständig gewesen.

Vom „Ibiza-Video“ erfuhr Blümel laut Aussage „spätestens“ am Tag der Veröffentlichung. Am Vorabend habe ihn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) informiert, dass ihm der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache angekündigt habe, dass „da was kommt“, das ein Problem für die Koalition werde. Ob da schon die Rede von einem Video gewesen sei, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Er selbst habe auch Kontakt mit Strache via Handy gehabt. Warum keine Nachrichten von ihm in den Akten seien, könne er nur damit erklären, dass sie wohl nicht relevant seien. Er selbst habe sie nicht mehr, er habe mittlerweile mehrfach das Handy gewechselt, analog zu seinen Funktionen.

Das „Projekt Ballhausplatz“, 2017 aufgetauchte Dokumente über die Neugestaltung der ÖVP, wollte Blümel nicht kennen. Er kenne nur das Projekt „Evolution Volkspartei“ mit einer Strategie, wie die ÖVP zur alten Stärke finden könne. Damit endete die Befragung.

Kurz will Sidlo nicht gekannt haben

Bundeskanzler Kurz sagte am Mittwoch vor dem Ausschuss aus, dass er sich für die Bestellung von Sidlo nicht eingesetzt habe. „Auf meinem Radar ist er erst aufgetaucht, als er in den Medien aufgeschlagen ist“, so Kurz. Dass der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ihm gegenüber den Namen einmal „deponiert“ haben könnte, kann er eigenen Aussagen zufolge nicht ausschließen.

Als Bundeskanzler unter der ÖVP-FPÖ-Regierung war er bei Gesprächen über die Besetzungen von Posten in staatsnahen Unternehmen durchaus dabei. Die Art, wie man die Stellen besetzt, verteidigte der ÖVP-Chef. Er habe das System nicht erfunden, aber ein besseres gebe es auch nicht. Er halte Schmid für den Vorstandsposten in der Staatsholding ÖBAG qualifiziert, interveniert habe Kurz nach eigenen Angaben nie. Aber die Bestellung sei die Aufgabe des ÖBAG-Aufsichtsrats.

Kurz’ Name war auf einer handschriftlichen Notiz von Casinos-Aufsichtsratschef Rothensteiner aufgetaucht, wonach Josef Pröll, Vizepräsident des CASAG-Aufsichtsrats und früherer ÖVP-Finanzminister, mit dem Bundeskanzler am 2. Oktober 2018 reden sollte. Aus der Aktennotiz geht weiters hervor, dass der CASAG-Vorstand eine Holdinglösung präsentierte – ein Zweiervorstand sei in dem Fall „eine gute Lösung“. Außerdem hielt Rothensteiner auf dem Zettel fest, dass er mit dem Personalberater Egon Zehnder vorab reden werde. „Keine öffentliche Ausschreibung“, das stand damals offenbar bereits fest. Auf Rothensteiner sollte im Ausschuss Casinos-Generaldirektorin Bettina Glatz-Kremsner folgen, aus Zeitmangel wurde ihr Kommen abgesagt.

Wenig Konkretes von Schmid

Schmid war am Mittwoch ebenfalls im Ausschuss geladen, wollte viele der gestellten Fragen aber nicht beantworten, weil gegen ihn selbst Verfahren laufen. Eingangs wies Schmid darauf hin, dass er als Kabinettschef von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), der ebenfalls als Beschuldigter im CASAG-Verfahren geführt wird, lediglich eine koordinierende Tätigkeit innegehabt habe. Die „Letztentscheidung“ sei beim Minister gelegen, so Schmid. Löger sollte am Mittwoch ebenfalls im Ausschuss aussagen, wurde aber aus Zeitmangel ausgeladen.

Im Finanzministerium sei für den Bereich Glücksspiel Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) zuständig gewesen, sagte Schmid. Ihm selbst sei kein Auftrag für eine neue Glücksspiellizenz bekannt. „Glücksspiel spielte in der täglichen Arbeit keine wichtige Rolle“, so Schmidt. Wichtig sei im Ministerium nur das „IP-Blocking“ – also die Sperre der Websites von konzessionslosen Onlineglücksspielbetreibern – gewesen. Das Gesetz wurde zurückgezogen, warum, konnte Schmid nicht sagen. Auf Nachfrage hieß es, es sei die Entscheidung der Koordinierung gewesen, also Blümels und des damaligen FPÖ-Regierungskoordinators Norbert Hofer.