Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Blümel im „Ibiza“-U-Ausschuss

Erinnerungen an Kurz-Befragung

Die Befragung von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Donnerstag im „Ibiza“-U-Ausschuss hat an vielen Stellen an den Vortag erinnert – da war Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fünf Stunden lang ohne Erkenntnisgewinn Rede und Antwort gestanden. Blümel lieferte oft dieselben Antworten hintereinander, zu wesentlichen Fragen verwies er auf Unkenntnis – in Konsequenz dessen zeigt die SPÖ den Minister wegen Falschaussage an.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper und SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer appellierten mehrfach an Verfahrensrichterin Ilse Huber und Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP), doch einzuschreiten, wenn der frühere Regierungskoordinator mit überlangen Ausführungen „Zeit schindet“. Darüber hinausgehende Kritik wurde auch an Sobotka geübt, schließlich konnte oder wollte dieser den Einwand, dass Blümel auf Zeit spiele, nicht nachvollziehen.

Dass – wie am Vortag bei Kurz – die letzte Fragerunde aufgrund des Erreichens der maximalen Befragungsdauer gar nicht mehr stattfinden kann, dürfe nicht mehr passieren, so Krisper. Sie erinnerte an eine Befragung im BVT-Ausschuss: dort sei die Frage nach Freundschaften zu einer konkret abgefragten Person einmal mit philosophischen Abhandlungen über Freundschaft generell beantwortet worden.

Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Ex-Regierungskoordinator Blümel trat mit vielen Erinnerungslücken in Erscheinung

„Was war denn Ihre Frage?“

Weiteres Muster im Frage-Antwort-Prozedere: Die Feststellung einer Abgeordneten bzw. eines Abgeordneten („Das war nicht meine Frage“) beantwortete Blümel gerne mit den Worten: „Das war aber meine Antwort“ oder „Was war denn Ihre Frage?“

Abwandlungen gab es zur Genüge: „Ich habe meine Antwort bereits gegeben, wie es meiner Wahrnehmung entspricht“, „Sie dürfen fragen, wie Sie fragen, ich darf antworten, wie ich antworte“, „ich habe Ihnen meine Wahrnehmung dazu bereits mitgeteilt“ und: „Wenn Sie damit nicht zufrieden sind, muss ich das zur Kenntnis nehmen.“

An dieser Stelle ging es um die Frage, ob Blümel Wahrnehmungen zu den Angelegenheiten habe, auf denen die Verfahren gegen ÖBAG-Chef Thomas Schmid basieren (Causa Casinos und der Vorwurf des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz: Schmid weist die Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung).

Die SPÖ erinnerte Blümel an seine Wahrheitspflicht. Die Antwort „kann eigentlich nur sein: Ja, ich habe Wahrnehmungen dazu, oder nein, ich habe keine.“ Nach langem Geplänkel sagte Blümel am Ende, er habe die Umstände aus den Medien erfahren bzw. sei vom ÖBAG-Aufsichtsrat über die Befassung der Compliance-Abteilung mit dieser Angelegenheit informiert worden.

Vieles „aus Medien erfahren“

Inhaltlich ging es bei der Blümel-Befragung etwa um die Bestellung von FPÖ-Mann Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria und die „Schredderaffäre“. Beides habe Blümel nur „aus den Medien erfahren“. Auf wen die abrupte Rücknahme einer Novelle des Glücksspielgesetzes 2018 namentlich zurückging, ließ Blümel offen. Er meinte lediglich, dass es „Unstimmigkeiten“ innerhalb der türkis-blauen Koalition gegeben habe. Näheres war nicht zu erfahren.

Auch als die SPÖ Blümel eine E-Mail vorlegte, der zufolge der damalige Kabinettschef des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP), der nunmehrige ÖBAG-Chef Schmid, das Zurückziehen der Novelle „angeordnet“ habe (wie die Opposition vermutet), meinte Blümel lediglich, dass er keine andere Wahrnehmung dazu habe, als dass es auf Wunsch der Koalitionskoordinierung geschehen sei.

Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Blümel: „Ich glaube, ich hatte gar keinen Laptop, ich habe über das Handy gearbeitet“

In einem anderen Bereich orteten Abgeordnete der Opposition, aber auch der Grünen teils grobe Erinnerungslücken bei Blümel: Fragen zu seiner Funktion als Kassier beim ÖVP-nahen Verein Pro Patria beantwortete er etwa so: „Österreich ist ein Land der vielen Vereine“, da wisse man nicht, wie oft man welche Funktion in verschiedenen Vereinen ausgeübt habe. Das sei „über 15 Jahre her“, „manchmal hat man eine Funktion, manchmal keine“, so Blümel.

„Über das Handy gearbeitet“

Bezeichnend waren auch weitere Ergebnisse der Befragung zur „Schredderaffäre“. Blümel verwies auf eine „ordnungsgemäße Übergabe“, die vorbereitet werden sollte, als absehbar gewesen sei, dass der ÖVP-FPÖ-Regierung das Misstrauen ausgesprochen wird. Die Frage, wer dem Kabinettsmitarbeiter den Auftrag gegeben habe, beantwortete Blümel nicht.

Von der „Schredderaffäre“ selbst habe er aus den Medien erfahren. Auf die Frage, ob er Untersuchungen eingeleitet habe, meinte Blümel: „Ich war damals nicht mehr im BKA (Bundeskanzleramt, Anm.).“ Die Frage, wem er seinen Laptop übergeben habe, beantwortete Blümel mit der Aussage, womöglich gar keinen Laptop gehabt zu haben: „Ich glaube, ich hatte gar keinen Laptop, ich habe über das Handy gearbeitet.“ Auf die FPÖ-Frage, ob ein Handy reiche, um ein Ministerium zu leiten, verwies er auf eine „sehr effiziente“ Arbeitsweise seinerseits.

„Kenne nur ‚Evolution Volkspartei‘“

Sinnbildlich verlief auch die Befragung von ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl – hier wurde Blümel ausführlich. Kein Wunder, der Parteikollege fragte Blümel zu seinen Tagesabläufen als Kanzleramtsminister. Blümel holte weit aus, erzählte von dem EU-Vorsitz Österreichs – viel Vorbereitungsbedarf sei dafür nötig gewesen. Auch führte er aus, dass er zudem für den Bereich Kunst und Kultur zuständig war – auch hier erzählte er ausführlich über seine Aufgaben.

Zum Abschluss wurde noch für Lacher gesorgt: Krainer fragte Blümel, ob der das „A.-Mock-Institut“ (Krainer sprach es „Amok“ aus) kenne. Blümel verneinte und wähnte sich in einer „komödiantischen Veranstaltung“. Er kenne nur den Namen Alois-Mock-Institut, und es könne sein, dass er von diesem einmal zu einer Veranstaltung eingeladen worden sei, so Blümel. Krainer fragte nach dem „Projekt Ballhausplatz“ – Blümel antwortete, nur „Evolution Volkspartei“ zu kennen. An mehr könne er sich nicht erinnern.

SPÖ kündigt Anzeige gegen Blümel an

Die SPÖ kündigte eine Anzeige gegen Blümel wegen angeblicher Falschaussage an. Fraktionsführer Kai Jan Krainer findet es unglaubwürdig, „dass sich jemand nach zwei Jahren in einem Ministeramt an so wenig erinnern kann“, so die Begründung am Rande des Ausschusses. Blümel habe mit 86 Erinnerungslücken „einen neuen Rekord aufgestellt“.