Russlands Präsident Wladimir Putin in einer prunkvollen Säulenhalle im Kreml
Reuters/Evgenia Novozhenina
Neue Verfassung

Referendum über Putin als Dauerpräsident

In Russland hat am Donnerstag das umstrittene Referendum über eine neue Verfassung begonnen, die unter anderem Präsident Wladimir Putin zwei weitere Amtszeiten bis zum Jahr 2036 ermöglichen soll. Die Opposition wirft dem 67-jährigen Putin vor, er wolle sich zum „Präsidenten auf Lebenszeit“ küren lassen.

Formeller Termin des Referendums ist zwar erst Mittwoch, der 1. Juli, doch wurde die Abstimmung wegen der Pandemie auf mehrere Tage gestreckt. Neben regulären Wahllokalen können Wahlberechtigte ihre Stimme auch in mobilen Wahllokalen abgeben oder bei sich zu Hause. Das Wahlkuvert wird dann abgeholt. Dadurch soll zu großer Andrang in den Abstimmungslokalen vermieden werden. Für die Abstimmung werden 110 Millionen Wählerinnen und Wählern in zehn Zeitzonen Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt.

Ursprünglich war der Termin des Referendums für Ende April angesetzt, er wurde jedoch wegen der Coronavirus-Pandemie verschoben. Putin selbst wollte am Wochenende nicht ausschließen, für weitere Wahlen zu kandidieren: „Ich schließe die Möglichkeit nicht aus zu kandidieren, wenn es die Verfassung möglich macht. Schauen wir einmal.“

32 Jahre Präsident?

Wird die neue Verfassung angenommen und bleibt Wladimir Putin bis 2036 Präsident, so würde er sogar Simbabwes Langzeitmachthaber Robert Mugabe übertreffen, der 2017 durch einen Putsch entmachtet wurde.

Wichtige Einschränkung soll fallen

Bisher ermöglicht die russische Verfassung dem Staatsoberhaupt nur zwei Amtszeiten in Folge. Daher tauschte Putin von 2008 bis 2012 mit seinem treuen Mitstreiter und damaligen Premier Dmitri Medwedew die Funktionen. 2012 und 2018 ließ er sich erneut zum Staatschef wählen. Seine jetzige Amtszeit geht bis 2024.

Mit Inkrafttreten der neuen Verfassung würden die bisherigen Amtszeiten jedoch nicht mehr gezählt. Putin könnte bei den Präsidentschaftswahlen 2024 und 2030 erneut antreten und damit bis 2036 im Amt bleiben.

Der russische Präsident Wladimir Putin
Reuters/Maxim Shemetov
Putin trat selbst bei der Parade auf – für ihn könnte es bald um seine politische Zukunft gehen

Jährliche Pensionsanpassung

Das Referendum ist die größte Gesetzesänderung in der russischen Geschichte. Versprochen wird unter anderem eine Pensionsanpassung mindestens einmal im Jahr. Außerdem wird eine gleichgeschlechtliche Ehe verboten. Hauptkritikpunkte neben dem Amtszeitenpassus für Putin sind zusätzliche Machtbefugnisse für den Präsidenten. Der Europarat befürchtet, dass sich Russland künftig nicht mehr an Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte halten wird.

Großparade als Auftakt

Quasi als Auftakt und wohl, um die passende nationale Stimmung zu schaffen, fand am Vortag die traditionelle Militärparade zum 75-jährigen Jahrestag des Kriegsendes statt. Trotz der Coronavirus-Pandemie feierten Tausende Soldaten und Zehntausende Schaulustige mit der riesigen Parade den Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Verfassungsreform in Russland startet

In Russland wird seit Donnerstag über die politische Zukunft von Staatsoberhaupt Wladimir Putin abgestimmt. Wenn die Volksabstimmung über die Verfassungsänderung zugunsten Putins ausgeht, könnte er bis 2036 im Amt bleiben.

Bilder der Parade machten vor allem eines deutlich: Sicherheitsabstand spielte bei der Parade in Moskau offenbar keine wesentliche Rolle. Über 13.000 Soldatinnen und Soldaten marschierten im Zentrum auf – dicht an dicht und großteils ohne Schutzmasken. Dazu kamen über 200 gepanzerte Fahrzeuge und 75 Flugzeuge, wie BBC berichtete – und zwar von Einheiten aus mehreren Ländern der ehemaligen Sowjetunion, sowie aus China, der Mongolei und Serbien.

Und selbst ein paar Staatsoberhäupter nahmen an den Feierlichkeiten teil. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic sah der Parade laut BBC ebenso zu wie der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko. Das Staatsoberhaupt von Kirgisistan, Sooronbai Dscheenbekow, musste in letzter Minute absagen – zwei Mitglieder der Delegation wurden positiv auf das Coronavirus getestet.

Parade zum 75. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland
Reuters
Muskelspiel mit wenig Abstand: Die Fotos der jährlich stattfindenden Parade erinnern an jene der Vorjahre

Zweittermin unter heiklen Bedingungen

Ursprünglich war die alljährlich abgehaltene Parade für den 9. Mai angesetzt – damals hätte die Gästeliste noch wesentlich imposanter ausgesehen, so hatten etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas Präsident Xi Jinping ursprünglich zugesagt. Doch aufgrund der Maßnahmen gegen das Coronavirus wurde die Parade verschoben.

Mittlerweile sind die Beschränkungen aufgrund des Virus in Moskau wieder gelockert. Doch die Situation scheint mit einem Blick auf die Zahlenlage noch nicht unter Kontrolle zu sein. Laut Daten der Johns-Hopkins-Universität liegt Russland weltweit an dritter Stelle bei den bestätigten Fällen.

Obwohl die Zahl der täglichen Neuinfektionen zurückgeht, wurden in den letzten Tagen immer noch über 7.000 neue Fälle binnen 24 Stunden gezählt. Und: Laut BBC sind Großveranstaltungen eigentlich immer noch verboten. Soldatinnen und Soldaten mussten sich vor dem Ereignis in Quarantäne begeben.

Opposition kritisierte Veranstaltung

Aus der Opposition wurde im Vorfeld der Veranstaltung Kritik an Putin laut, da die Parade abgehalten werde, während die Infektionszahlen in Russland immer noch stiegen. Der Regierung in Moskau wurde auch vorgeworfen, mit der Parade Werbung für die Verfassungsänderungen machen zu wollen. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Parade enorm waren – laut einem dpa-Bericht kostete die Ausrichtung umgerechnet rund zwölf Millionen Euro. Laut dem Kreml-Kritiker Alexej Nawalny komme das den Staat teuer zu stehen, zitiert die dpa den Oppositionsführer.