Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Kurz und Blümel im „Ibiza“-U-Ausschuss

Gelöschte Chats und kein Laptop

Nach den Auftritten von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) im „Ibiza“-U-Ausschuss bleibt eine nüchterne inhaltliche Bilanz: Fast zehn Stunden Befragungsdauer ergaben die Erkenntnis, dass die beiden in viele Vorgänge nicht involviert waren oder nur „aus den Medien“ erfahren haben. Auch jeglicher Rückgriff auf deren Dokumentation würde ihren Angaben zufolge fehlschlagen: Kurz lösche seine Handychats regelmäßig – Blümel besitze keinen Laptop.

Zwar war über den möglichen SMS-Verkehr zwischen Kurz und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache lange debattiert worden, doch sagen konnte der Kanzler dazu wenig. Nur so viel: „Strache hat mehr SMS geschrieben, als ich selber lesen kann.“ Doch würden er, Kurz, oder sein Büro die Nachrichtenchats auf dem Handy regelmäßig löschen.

Und als bei Blümel am Donnerstag die „Schredderaffäre“ – von der er, wie er sagte, „aus den Medien“ Kenntnis erlangte – Thema war, gewährte der Finanzminister der Öffentlichkeit einen Einblick in die Arbeitsweise des ehemaligen Regierungskoordinators unter der ÖVP-FPÖ-Regierung.

„Effizient“ mit Arbeit via Handy

Die Frage, wem er seinen Laptop bei der Übergabe des gescheiterten Kabinetts Kurz an die Übergangsregierung übergeben habe, beantwortete Blümel mit der Aussage, womöglich gar keinen Laptop gehabt zu haben: „Ich glaube, ich hatte gar keinen Laptop, ich habe über das Handy gearbeitet.“ Auch heute besitze er keinen Laptop für seine Regierungsarbeit, er erledige alles auf dem Handy – eine „sehr effiziente“ Arbeitsweise.

Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Ex-Regierungskoordinator Blümel trat mit vielen Erinnerungslücken in Erscheinung

SPÖ will Blümel anzeigen

Nach der Befragung Blümels schäumte die Opposition: Blümel habe Kurz in Sachen Erinnerungslücken sogar noch überboten, hieß es vonseiten der SPÖ, die „86 Erinnerungslücken“ zählte. Es sei „unglaubwürdig, dass sich jemand nach zwei Jahren in einem Ministeramt an so wenig erinnern kann“ – die SPÖ will Blümel nun wegen angeblicher Falschaussage anzeigen.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper und SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer appellierten mehrfach an Verfahrensrichterin Ilse Huber und Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP), doch einzuschreiten, wenn der frühere Regierungskoordinator mit überlangen Ausführungen „Zeit schindet“. Darüber hinausgehende Kritik wurde auch an Sobotka geübt, schließlich konnte oder wollte dieser den Einwand, dass Blümel auf Zeit spiele, nicht nachvollziehen.

„Ibiza“-U-Ausschuss: Blümel mit Erinnerungslücken

Wie Bundeskanzler Sebastian Kurz hat auch Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) angegeben, sich an vieles in Zusammenhang mit der Postenvergabe des FPÖ-Vertrauten Peter Sidlo in den Casinos-Vorstand nicht mehr erinnern zu können.

Neue Aufregung über Sobotka

Überhaupt sorgte Sobotka mit seiner Ausschussführung für Aufregung – am Donnerstag mit dem Ansinnen, den Vorsitz an ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger zu übertragen. Die Opposition legte Protest ein und verlangte, dass die Zweite Präsidentin des Nationalrats, Doris Bures (SPÖ), gefragt werden müsse, ob sie übernehmen wolle. Sobotka sah das nicht so: Er lege die Geschäftsordnung anders als die Opposition aus und halte sich an die Usancen im Eurofighter-U-Ausschuss. Es folgten hitzige Debatten.

SPÖ-Abgeordneter Krainer erklärte, wenn Sobotka gehe, „ist die Sitzung vorbei“. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker argumentierte, dass beim BVT-U-Ausschuss die damalige Dritte Präsidentin des Nationalrats, Anneliese Kitzmüller (FPÖ), auch immer gefragt worden sei, ob sie übernehme. Schließlich würde der „Ibiza“-Ausschuss ja mit Sobotkas Ansatz unter ständigem ÖVP-Vorsitz stattfinden.

Sobotka ließ schließlich nachfragen – sowohl Bures als auch der Dritte Präsident, Norbert Hofer (FPÖ), hätten so kurzfristig keine Zeit. Hofer hatte sich ohnedies als befangen erklärt. Krainer verwies darauf, dass die Zweite Präsidentin bei ausreichendem Vorlauf sich das sicher einteilen hätte können. Schließlich übernahm Hanger den Vorsitz.

„Was war denn Ihre Frage?“

Abgesehen von Streitigkeiten solcher Art verlief insbesondere die Befragung von Blümel sehr zäh – es zeigte sich ein Muster im Frage-Antwort-Prozedere bei der Befragung: Die Feststellung einer Abgeordneten bzw. eines Abgeordneten: „Das war nicht meine Frage“ beantwortete der Minister gerne mit den Worten: „Das war aber meine Antwort“ oder „Was war denn Ihre Frage?“

Abwandlungen gab es zur Genüge: „Ich habe meine Antwort bereits gegeben, wie es meiner Wahrnehmung entspricht“, „Sie dürfen fragen, wie Sie fragen, ich darf antworten, wie ich antworte“, „Ich habe Ihnen meine Wahrnehmung dazu bereits mitgeteilt“ und „Wenn Sie damit nicht zufrieden sind, muss ich das zur Kenntnis nehmen.“

An dieser Stelle ging es um die Frage, ob Blümel Wahrnehmungen zu den Angelegenheiten habe, auf denen die Verfahren gegen den Chef der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), Thomas Schmid, basieren (Causa Casinos und der Vorwurf des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz, Schmid weist die Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung).

Die SPÖ erinnerte Blümel an seine Wahrheitspflicht. Die Antwort „kann eigentlich nur sein: Ja, ich habe Wahrnehmungen dazu, oder nein, ich habe keine.“ Nach langem Geplänkel sagte Blümel am Ende, er habe die Umstände aus den Medien erfahren bzw. sei vom ÖBAG-Aufsichtsrat über die Befassung der Compliance-Abteilung mit dieser Angelegenheit informiert worden.

Vieles „aus Medien erfahren“

Inhaltlich ging es bei der Blümel-Befragung etwa um die Bestellung von FPÖ-Mann Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria und die „Schredderaffäre“. Beides habe Blümel nur „aus den Medien erfahren“. Auf wen die abrupte Rücknahme einer Novelle des Glücksspielgesetzes 2018 namentlich zurückging, ließ Blümel offen. Er meinte lediglich, dass es „Unstimmigkeiten“ innerhalb der türkis-blauen Koalition gegeben habe. Näheres war nicht zu erfahren.

Auch als die SPÖ Blümel eine E-Mail vorlegte, der zufolge der damalige Kabinettschef des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP), der nunmehrige ÖBAG-Chef Schmid, das Zurückziehen der Novelle „angeordnet“ habe (wie die Opposition vermutet), meinte Blümel lediglich, dass er keine andere Wahrnehmung dazu habe, als dass es auf Wunsch der Koalitionskoordinierung geschehen sei.

Gernot Blümel vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss
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Blümel: „Ich glaube, ich hatte gar keinen Laptop, ich habe über das Handy gearbeitet“

In einem anderen Bereich orteten Abgeordnete der Opposition, aber auch der Grünen teils grobe Erinnerungslücken bei Blümel: Fragen zu seiner Funktion als Kassier beim ÖVP-nahen Verein Pro Patria beantwortete er etwa so: „Österreich ist ein Land der vielen Vereine“, da wisse man nicht, wie oft man welche Funktion in verschiedenen Vereinen ausgeübt habe. Das sei „über 15 Jahre her“, „manchmal hat man eine Funktion, manchmal keine“, so Blümel.

„Kenne nur ‚Evolution Volkspartei‘“

Sinnbildlich verlief auch die Befragung durch ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl – hier wurde Blümel ausführlich. Kein Wunder, der Parteikollege fragte Blümel zu seinen Tagesabläufen als Kanzleramtsminister. Blümel holte weit aus, erzählte von dem EU-Vorsitz Österreichs – viel Vorbereitungsbedarf sei dafür nötig gewesen. Auch führte er aus, dass er zudem für den Bereich Kunst und Kultur zuständig war – auch hier erzählte er ausführlich über seine Aufgaben.

Zum Abschluss wurde noch für Lacher gesorgt: Krainer fragte Blümel, ob der das „A.-Mock-Institut“ (Krainer sprach es „Amok“ aus) kenne. Blümel verneinte und wähnte sich in einer „komödiantischen Veranstaltung“. Er kenne nur den Namen Alois-Mock-Institut, und es könne sein, dass er von diesem einmal zu einer Veranstaltung eingeladen worden sei, so Blümel. Krainer fragte nach dem „Projekt Ballhausplatz“ – Blümel antwortete, nur „Evolution Volkspartei“ zu kennen. An mehr könne er sich nicht erinnern.

Rothensteiner erwog Rückzug

Nach Blümel stand noch Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner Rede und Antwort. Ein Deal zwischen FPÖ und dem Glücksspielkonzern Novomatic sei ihm nicht bekannt, doch erzählte er freimütig, dass er anfangs die Bestellung von Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG (CASAG) nicht gut fand. Vor seinem Sinneswandel habe er überlegt, sich von seiner Funktion – nach 25 Jahren – zurückzuziehen.

Im Vorfeld der Bestellung hätte es mit Sidlo „Begegnungen“ gegeben, bei denen ihm „die Art und Weise, wie Herr Sidlo mit mir sprach“, als unpassend erschienen war. Sidlo habe ihn etwa gefragt, ob es für die FPÖ auch einen Job in der CASAG gebe. „Da bin ich ausgeflippt“, so Rothensteiner. Später sei dann Novomatic-Chef Harald Neumann zu ihm gekommen, um ihn über die Bestellung in Kenntnis setzen. Seine Reaktion damals: „Ich glaub, ich spinn.“