Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
APA/Georg Hochmuth
Bundesheer-Kasernen

Schließungen für Tanner doch vorstellbar

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ist am Wochenende ausgerückt, um in der Diskussion über die Pläne für das Bundesheer Stellung zu beziehen. In mehreren Interviews machte sie klar, dass es entgegen vorheriger Aussagen sehr wohl zu Kasernenschließungen kommen könne. Lediglich ganze Garnisonen, bestehend aus mehreren Kasernen, sollen nicht aufgelöst werden, sagte sie am Samstag im Ö1-Interview „Im Journal zu Gast“.

„Garnisonen werden keinesfalls geschlossen“, betonte Tanner. Zu Kasernenschließungen könne es aber trotzdem kommen – etwa in Kärnten, wo zwei alte Kasernen wegfallen und eine neue gebaut werden soll. Für den städtischen Bereich, zum Beispiel in Wien, plane Tanner ein „Verdichtungsprogramm“, sagte sie. „Ich habe allerdings vor, viel Geld für die Renovierung von Kasernen in die Hand zu nehmen“, sagte sie zum „Kurier“.

Dass die Landesverteidigung keine Kernkompetenz des Heeres mehr sein solle, bezeichnete Tanner im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Presse“ als „absurd“. Das Regierungsprogramm werde sie „auf Punkt und Beistrich umsetzen“, kündigte die Ministerin an. Medien hatten nach einem Hintergrundgespräch am Donnerstag berichtet, dass die militärische Landesverteidigung für unwahrscheinlich erachtet werde. Diese Fähigkeit wolle man behalten, aber nicht in dem Umfang, so etwa auch die APA.

„Sonderinvestpakete vereinbart“

Dass sie den angekündigten Reformprozess teilweise wieder zurückgenommen habe, bestritt Tanner in der „Presse“ und meinte: „Ich rudere niemals zurück. Ich bin es gewohnt, durchzumarschieren.“ Von der Aufbietung der Miliz während der Coronavirus-Krise werde man „viel lernen“, sagte Tanner weiters – etwa dass regelmäßige Übungen notwendig seien. Diese Übungen – „für die Freiwilligen, da alle zwei Jahre“ – sollen ebenso Teil eines Milizpakets sein wie Investitionen in die Ausstattung, so Tanner.

Grafik zum Bundesheer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Bundesheer

Zur Finanzierung meinte Tanner im „Kurier“, dass es mit einem Regelbudget nicht möglich sein werde, „den Investitionsrückstau der vergangenen Jahrzehnte“ abzubauen. Daher habe sie mit dem Finanzministerium Sonderinvestpakete vereinbart, mit einem Schwerpunkt auf Kasernen und Miliz. „Bei der Miliz sind wir am Ausarbeiten der Pakete, für heuer und das nächstes Jahr insgesamt 110 Millionen Euro zu bekommen. Die Zusage dafür habe ich bereits“, sagte die Ministerin.

Hintergrundgespräch sorgte für Aufregung

Tanners Kabinett hatte in einem Hintergrundgespräch (ohne die Ressortchefin) am Dienstagabend Pläne einer weitgehenden Reduktion der militärischen Landesverteidigung bekanntgegeben – die Ministerin musste daraufhin zum Rapport bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ruderte insofern zurück, als sie die Ideen nur noch als „Startschuss für einen Prozess zur Weiterentwicklung des Bundesheeres“ verstanden wissen wollte.

Am Freitag bat Tanner Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) um die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates. Damit werde man diesen Weiterentwicklungsprozess auch auf politischer Ebene starten, so Tanner in einer Aussendung. „Am Ende werden wir unser Heer in das 21. Jahrhundert geführt haben“, sagte sie. „Dabei ist klar: Die militärische Landesverteidigung ist und bleibt die Kernaufgabe des Bundesheeres“, daneben müsse man sich auf neue Bedrohungen vorbereiten.

Milizsoldaten kontrolliert die Körpertemperatur von Personen an der Grenze in Bad Radkersburg.
APA/Erwin Scheriau

Kritik reißt nicht ab

Die Kritik an der Ministerin reißt seit Mittwoch nicht mehr ab.
SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch sprach am Samstag von einer „Verunsicherungsministerin". Tanner macht alles falsch, was man als Ministerin nur falsch machen kann“, so Deutsch. Dass Tanner die Schließung von Kasernen zuletzt dezidiert ausgeschlossen hatte, eine solche nun aber doch wieder für möglich halte, sorge „für große Verunsicherung“. SPÖ-Landesverteidigungssprecher Robert Laimer schloss sich der Kritik an. „An einem Tag spricht Tanner von einer Standortgarantie für die Kasernen, am nächsten Tag davon, nur die Garnisonen zu erhalten“, kritisierte er per Aussendung und schließt daraus: „Die Ministerin ist offensichtlich völlig überfordert.“ Man werde über das Parlament auch eine Onlinepetition einbringen, kündigte Laimer an.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz nannte sie eine „völlig inkompetente“ Ministerin und forderte ihren Rücktritt. Schnedlitz vermutete, dass die „ÖVP als Ziel die Vernichtung des österreichischen Bundesheeres hat und damit unsere Neutralität opfert“, wie er per Aussendung mitteilte. FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch hatte Tanner „dringend“ aufgefordert, in der Nationalratssondersitzung eine Erklärung abzugeben und den Abgeordneten im Plenum Rede und Antwort zu stehen. Tanners Vorschläge bedeuteten de facto die Abschaffung der militärischen Landesverteidigung und damit einen Bruch der Bundesverfassung.

Die Wehrsprecher Reinhard Bösch, Robert Laimer Douglas Hoyos
APA/Herbert Neubauer
FPÖ-Wehrsprecher Bösch mit seinen Kollegen Laimer (SPÖ) und Hoyos (NEOS, v. l.): Die Opposition sei „in Sorge um unsere Heimat“

Laut NEOS geht es Tanner es weniger um eine Reform und mehr um ein Ablenkungsmanöver von für die ÖVP unangenehmen Themen, etwa im „Ibiza-U-Ausschuss“. „Anstatt dem Heer, der Opposition und den Bürgerinnen und Bürgern permanent über die Medien Stehsätze auszurichten, sollte Tanner einen echten Reformprozess anregen“, forderte NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos am Samstag per Aussendung.

ÖVP-Wehrsprecher für „unaufgeregte Diskussion“

Sogar der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) forderte am Freitag die Erhaltung der Kasernenstandorte – mehr dazu in ooe.ORF.at. ÖVP-Wehrsprecher Michael Hammer sah in der Diskussion eine „unnötige Panikmache“ und forderte vor allem die Opposition dazu auf, „zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren“. Die militärische Landesverteidigung sei und bleibe die Kernaufgabe des Bundesheeres, es würden keine Garnisonen aufgelassen und keine Beschäftigten gekündigt. Man stehe am Anfang eines „Ideen- und Reformprozesses“. Die Ministerin werde erste Informationen über den startenden Prozess im Nationalen Sicherheitsrat präsentieren und mit den Abgeordneten besprechen.