Facebook-CEO Mark Zuckerberg
Reuters/Charles Platiau
Werbeboykott

Facebook in der Defensive

Eine der Erfolgsformeln von Facebook, Twitter und anderen Soziale Netzwerken wird in den USA nun zunehmend zu einem Bumerang: Sie alle haben sich – wegen des Aufwands und aus juristischen Gründen – stets geweigert, sich als Medien zu definieren. Sie seien nur Plattformen, aber für die Inhalte nicht verantwortlich, betonten sie vielmehr stets. Diese Position wird angesichts des Werbeboykotts immer schwieriger durchzuhalten – mit potenziell weitreichenden Folgen.

Die Sozialen Netzwerke, allen voran Facebook und Youtube, haben mittlerweile große Teile des Werbemarktes erobert – und dabei Medienunternehmen, egal ob Print, TV oder Online, insbesondere in den USA, ihre Existenzgrundlage oft entzogen. Ein bis heute andauerndes beispielloses Mediensterben und eine starke Konzentration waren die Folgen.

Die US-weiten Proteste gegen systemischen Rassismus legen für viele klar offen, dass sich die Betreiber der globalen Sozialen Netzwerke nicht weiter als nichtzuständig für die hetzerischen, verleumderischen oder schlicht falschen Inhalte erklären können, die auf ihren Plattformen publiziert werden. Unter dem Druck des Werbeboykotts hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Wochenende erste Schritte weg von seiner bisher gegen jahrelangen – auch hochrangigen politischen – Widerstand durchgehaltene Position gemacht.

Boykott-Kampagne trifft wunden Punkt

Mehr als 90 Unternehmen und Konzerne, darunter Riesen wie Coca-Cola und Unilever, haben bisher einen Werbestopp auf Facebook angekündigt. Die meisten davon schlossen sich explizit dem entsprechenden Boykottaufruf der Allianz „#StopHateforProfit“ mehrerer Bürgerrechtsorganisationen an.

Als Folge des Boykotts fielen die Facebook-Aktien am Freitag um 8,3 Prozent. Facebook macht fast seinen gesamten Umsatz mit Werbeeinnahmen. Der Marktwert des Unternehmens sank um 56 Mrd. US-Dollar (50 Mrd. Euro). Zuckerbergs Privatvermögen gab damit laut dem Wirtschaftsdienst Bloomberg schlagartig um 7,2 Mrd. Dollar nach. Er wurde damit von Louis-Vuitton-Boss Bernard Arnault überholt und ist demnach nun „nur“ noch die viertreichste Person der Welt.

Coca-Cola fordert „mehr Verantwortlichkeit“

Nach Unilever und Honda kündigten auch der Getränkekonzern Coca-Cola und der Jeans-Hersteller Levi’s an, vorerst keine Werbung mehr auf Facebook zu schalten. Unilever zieht sich gleich bis Jahresende zurück – und neben Facebook auch von Instagram und Twitter. Interessant dabei: Das Werbebudget soll nicht gekürzt werden, sondern für Marketing bei anderen Medien oder Plattformen verwendet werden.

Der Getränkeriese Coca-Cola kündigte am Freitag an, für mindestens 30 Tage auf allen sozialen Plattformen weltweit seine Werbung auszusetzen. Eine Konzernsprecherin sagte allerdings laut der Zeitung „The New York Times“, dass sich Coca-Cola nicht dem offiziellen Boykottaufruf anschließe.

Der Konzern werde während dieser Werbepause seine Werbestrategien überprüfen und über nötige Änderungen beraten, teilte Präsident und Geschäftsführer James Quincey in einer Mitteilung mit. „Wir erwarten auch mehr Verantwortlichkeit und mehr Transparenz von unseren Social-Media-Partnern“, sagte er zudem.

Screenshot www.stophateforprofit.org
www.stophateforprofit.org
Der Aufruf von „#StopHateForProfit“

Riesige Werbebudgets

Allein bei Coca-Cola habe der Werbeetat in den USA 2019 geschätzte 22 Millionen Dollar (knapp 21 Millionen Euro) ausgemacht, berichtete die „New York Times“ mit Verweis auf Daten des Branchenanalysten Pathmatics. Bei Unilever seien es rund 42 Millionen Dollar gewesen.

Auch Hershey, einer der weltweit führenden Schokoladenproduzenten, bestätigte der Zeitung „USA Today“ am Freitag, sich dem Boykottaufruf anzuschließen und im Juli keine Anzeigen zu schalten. Zudem wolle das Unternehmen seine Ausgaben für Facebook und Instagram für den Rest des Jahres um ein Drittel kürzen.

Alte Kontroverse mit voller Wucht zurück

US-Bürgerrechtsorganisationen hatten Firmen Mitte Juni zu dem Boykott gegen Facebook aufgerufen, um den Konzern an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen. Die US-Protestwelle gegen Rassismus und Polizeigewalt hat die Kritik an Facebook, zu nachlässig mit kontroversen Beiträgen umzugehen, wieder stark aufflammen lassen.

Dazu trug auch Konzernchef Zuckerberg selbst wesentlich bei, weil er sich weigerte, gegen umstrittene Aussagen von US-Präsident Donald Trump einzuschreiten. Dafür gab es sogar Kritik von eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Zuckerberg kündigt erste Schritte an

Zuckerberg kündigte nun am Freitag in einem Livestream an, künftig stärker gegen Hassnachrichten vorzugehen, Falschmeldungen unmittelbar vor der US-Präsidentschaftswahl zu löschen sowie die Standards für Werbung zu erhöhen. „Ich stehe gegen Hass und alles, was zu Gewalt anstachelt“, sagte Zuckerberg am Firmensitz in Palo Alto, in dem er die geplanten Maßnahmen seines Unternehmens ankündigte.

Außerdem sollen auch in der Werbung abwertende und hasserfüllte Botschaften bezüglich ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sexueller Vorlieben blockiert werden. Zuckerberg sagte zudem, einige Facebook-Inhalte, die eigentlich gegen die Richtlinien des sozialen Netzwerks verstoßen, aber zum Beispiel aufgrund eines prominenten Absenders nachrichtenrelevant sind, künftig mit Hinweisen zu flankieren.

Konzerne zweifeln laut an Absichten

Doch einige Unternehmen äußerten Medienberichten zufolge anschließend Zweifel daran. „Wir glauben nicht, dass Facebook gewalttätige und spalterische Reden auf seinen Plattformen effizient verwalten wird“, schrieb Hershey in einer von der US-Zeitung „USA Today“ zitierten Erklärung. „Trotz wiederholter Zusicherungen von Facebook, Maßnahmen zu ergreifen, haben wir keine bedeutsamen Veränderungen gesehen.“ Dass Hershey dies öffentlich ausspricht, deutet darauf hin, dass es tiefergehende Verwerfungen zwischen Facebook und seinen Werbekunden geben dürfte.

Zuvor hatten sich bereits etliche andere Unternehmen, darunter der US-Mobilfunk-Gigant Verizon und die bekannten Outdoor-Marken The North Face und Patagonia der Initiative #StopHateForProfit angeschlossen. Unilever – dessen Eiscreme-Marke Ben & Jerry’s ebenfalls schon mit dabei war – geht nun aber noch einen Schritt weiter – denn eigentlich ging es bei der Aktion zunächst nur um einen Werbeboykott im Juli.

Für Initiatoren nicht ausreichend

Für jene, die den Boykott initiierten, reichen die angekündigten Maßnahmen jedenfalls nicht. Rashad Robinson, Präsident der Bürgerrechtsorganisationen Color of Change sagte, Zuckerbergs Ankündigungen seien ein „Eingeständnis des Scheiterns“, den durch Facebook „verursachten Schaden an unserer Demokratie und unseren Bürgerrechten“ zu erkennen. „Wenn das seine Antwort an jene Werbekunden ist, die Millionen Dollar von dem Unternehmen abziehen, dann können wir ihm nicht vertrauen“, so Robinson auf Twitter. Er forderte eine „komplette Überprüfung seiner Entscheidungen“:

Zurückhaltung in Sachen Trump

Facebook stand zuletzt in der Kritik, weil es, anders als Twitter, nicht auf Äußerungen von US-Präsident Donald Trump reagierte, die von Twitter als gewaltverherrlichend eingestuft wurden. Erst vor Kurzem hatte Zuckerberg noch seine Position unterstrichen, Trumps häufig umstrittene Beiträge nicht zu beschränken. Wegen Zuckerbergs Weigerung, Beiträge von Trump zu kennzeichnen, hatte es auch in der Belegschaft des Konzerns Proteste gegeben.