Polens Präsident Andrzej Duda
Reuters/Kacper Pempel
Polen

Präsident Duda muss in Stichwahl

Bei der Präsidentenwahl in Polen hat der nationalkonservative Amtsinhaber Andrzej Duda laut Prognosen die für eine Wiederwahl nötige absolute Stimmenmehrheit verpasst. Er muss sich in zwei Wochen einer Stichwahl gegen den oppositionellen Kandidaten Rafal Trzaskowski stellen. Duda kam am Sonntag auf 41,8 Prozent der Stimmen, Trzaskowski auf 30,4 Prozent. Trotz der deutlichen Differenz werden dem liberalen Herausforderer für die Stichwahl einige Chancen eingeräumt.

Die Wahlbeteiligung war trotz der Coronavirus-Pandemie hoch. Sie lag bei 62,9 Prozent – bei der Präsidentschaftswahl 2015 hatten sich nur knapp 49 Prozent der Stimmberechtigten beteiligt. Duda dankte am Sonntagabend seinen Wählern in Lowicz für die Unterstützung. Wichtig sei, dass das Land so geführt werde, wie es die Mehrheit der Bevölkerung wolle, sagte Duda unter Jubelrufen seiner Anhänger. Er gratulierte seinem Herausforderer Trzaskowski zu dessen Erfolg.

Trzaskowski sagte vor Anhängern in Warschau, das Ergebnis zeige, dass ein hoher Prozentsatz der Polen den Wechsel wolle. „Wir haben immer noch die Chance zu siegen.“ Die zweite Wahlrunde werde darüber entscheiden, ob Polen einen Präsidenten bekomme, der der Regierung genau auf die Finger sehe, oder jemanden, der seine eigene Unterschrift nicht achte.

Für Regierungspartei steht viel auf dem Spiel

Die Wahl galt auch als eine Art Volksabstimmung über die Politik der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit 2015 den Präsidenten stellt und über die absolute Mehrheit im Parlament verfügt. Eine zweite Amtszeit Dudas würde das Machtmonopol der Partei bis zur nächsten Parlamentswahl im Jahr 2023 untermauern.

Das Amt des polnischen Staatspräsidenten ist nicht rein repräsentativ, der Präsident hat weitreichende Vollmachten und kann Gesetze nicht nur mit einem Veto blockieren, sondern auch eigene Gesetzesinitiativen anstoßen.

Offenes Rennen bei Stichwahl erwartet

Trzaskowski repräsentiert das größte Oppositionsbündnis, die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO). Sollte er die Stichwahl gewinnen, hieße das, dass die PiS bei fast allen Gesetzesvorhaben damit rechnen muss, dass der Präsident von seinem Vetorecht Gebrauch macht und die Initiativen stoppt. Trzaskowski hat bereits angekündigt, dass er die umstrittene Justizreform der PiS rückgängig machen will.

Polens Präsidentschaftskandidat Rafal Trzaskowski
Reuters/Aleksandra Szmigiel
Herausforderer Trzaskowski hat sein erstes Wahlziel erreicht – er ist in der Stichwahl

Trzaskowski werden tatsächlich Chancen eingeräumt, in zwei Wochen als Sieger aus der Wahl hervorzugehen. An dritter Stelle des elfköpfigen Kandidatenfelds landete am Sonntag der Fernsehmoderator Szymon Holownia mit 13 Prozent. Auch er vertritt ein liberales Programm, seine Wählerinnen und Wähler werden wohl großteils ins Lager Trzaskowskis wechseln. Holownia kündigte am Wahlabend an, dass er in zwei Wochen nicht für Duda stimmen werde.

Trzaskowski stieg erst nach Verschiebung in die Wahl ein

Die erste Runde der Wahl war ursprünglich für der 10. Mai geplant. Da zu diesem Zeitpunkt wegen der Pandemie das öffentliche Leben praktisch lahmgelegt war, wurde der Termin nach einem heftigen politischen Streit kurzfristig verschoben. Genau das kostete die PiS auch den Wahlsieg: Duda war in Umfragen bei 60 Prozent gelegen.

Doch dann trat Trzaskowski auf den Plan. Erste Mitte Mai legte er seine Kandidatur fest, nachdem die zunächst von der Bürgerplattform aufgestellte Bewerberin Malgorzata Kidawa-Blonska ihre Kandidatur wegen schlechter Umfragewerte zurückgezogen hatte. Schnell landete er in Umfragen auf Platz zwei. Trzaskowski setzt den Rechtsnationalen schon seit geraumer Zeit schwer zu. 2018 schaffte er bei der Kommunalwahl in Warschau einen Erdrutschsieg gegen die PiS.

Minister unter Tusk

Trzaskowski kommt aus einer sozial engagierten Familie von Intellektuellen in Warschau. Sein Vater war in den 1950er Jahren ein bekannter Jazz-Pianist. Der Politologe gilt als einer der profilierten Köpfe innerhalb des liberalkonservativen Lagers. Er hat in Paris und Oxford studiert. Während Duda schon mit Englisch hadert, beherrscht Trzaskowski fünf Fremdsprachen.

An Polens Beitritt zur Europäischen Union wirkte Trzaskowski mit. Er wurde Berater der Delegation der Bürgerplattform im Europäischen Parlament und wurde 2009 selbst als Abgeordneter ins Europaparlament gewählt. Der Aufstieg gipfelte 2013 in seiner Berufung in die Regierung von Donald Tusk, der später EU-Ratspräsident wurde.

Sexuelle Orientierung als Wahlkampfthema

Am deutlichsten wurden die Unterschiede zwischen Trzaskowski und Duda in der Frage der Homosexualität: Trzaskowski will eingetragene Partnerschaften einführen – auch für gleichgeschlechtliche Paare. Im Sommer 2019 unterschrieb er als Warschauer Bürgermeister die „LGBT+“-Charta, die Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-Menschen unterstützen soll. In dem katholisch geprägten Land befremdet das manchen.

Weil Trzaskowski in der Mitte punktete, bemühte sich Duda verstärkt um die Gunst erzkonservativer und extrem rechter Wähler. Bei einem Wahlkampfauftritt in Niederschlesien sagte er über sexuelle Minderheiten: „Man versucht uns einzureden, dass das Menschen sind. Aber es ist einfach nur eine Ideologie.“ Zuletzt versuchte Duda kurz vor der Wahl mit einem Besuch bei US-Präsident Donald Trump zu punkten: Dieser lobte seinen polnischen „Freund“ und erklärte, auf Bitten Warschaus „wahrscheinlich“ einen Teil der in Deutschland stationierten US-Soldaten nach Polen zu verlegen.

Amtszeit im Einklang mit Regierung

Bis zu seiner Kandidatur als Präsidentschaftskandidat 2015 war Duda kaum bekannt: Er machte seine Karriere in der PiS der Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski. Er war ein enger Mitarbeiter des im Jahr 2010 bei einer Flugzeugkatastrophe in Russland ums Leben gekommenen Staatschefs Lech Kaczynski.

Als 2005 Kaczynskis PiS an die Macht kam, wurde Duda Vizejustizminister. Drei Jahre später gab er das Amt wieder ab, um für Lech Kaczynski zu arbeiten. Noch heute sieht er sich als dessen „geistigen Erben“. 2011 wurde Duda PiS-Abgeordneter im Parlament. 2014 errang er als PiS-Kandidat ein Mandat im Europaparlament.

In den vergangenen fünf Jahren widersprach Duda dem mächtigen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski selten. Nur 2017 legte er sein Veto gegen zwei Justizreformen ein. Ansonsten winkte er umstrittene Gesetzesänderungen und großzügige Sozialleistungen durch.