Michele Rubirola (Grüne)
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Schlappe für Macron

„Grüne Welle“ erfasst Frankreich

Die zweite Runde der Kommunalwahlen in Frankreich haben ein erwartetes und ein unerwartetes Ergebnis gebracht: Wie erwartet wurde die Partei von Präsident Emmanuel Macron, La Republique en Marche (LREM), abgestraft. Den Frust ließen viele Bürgerinnen und Bürger aber nicht in Form von Stimmen für die rechtsextreme Partei Rassemblement National aus. Vielmehr triumphierten die Grünen.

In wichtigen Städten wie Lyon, Straßburg, Bordeaux und Besancon setzten sich grüne Kandidatinnen und Kandidaten durch, wie französische Medien unter Berufung auf Hochrechnungen und Ergebnisse berichteten. Die Sprecherin der Partei Europe Ecologie – Les Verts (EELV), Eva Sas, sprach von einer „grünen Welle“. Bisher war Grenoble die einzige große Stadt mit einem grünen Bürgermeister. Französische Medien sprachen teils von einem „historischen“ Ergebnis. So wird die 25 Jahre lang konservativ regierte Metropole Marseille künftig von einem Linksbündnis geführt – voraussichtlich mit der grünen Bürgermeisterin Michele Rubirola.

Neben den schweren Versäumnissen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie haben vor allem die seit Monaten andauernden Proteste der „Gelbwesten“ Macrons Partei geschadet. Das Überraschende: Deren Anliegen decken sich nur sehr bedingt mit jenen der Grünen. Denn Umweltschutz und Einschränkungen für den Autoverkehr stehen nicht auf der Agenda der „Gelbwesten“, im Gegenteil.

Michele Rubirola feiern ihren Wahlerfolg
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Die Grüne Michele Rubirola (3. v. l.) jubelt über den Sieg ihres Bündnisses in Marseille

Grüne sehen Parallelen zu 1977

Trotzdem konnten die Grünen in vielen Kommunen – in größeren Städten, teils auch auf dem Land – punkten. Der Generalsekretär der Grünen, Julien Bayou, zog am Wahlabend gar Parallelen zu den Kommunalwahlen 1977. Der damalige Sieg der Linken kündigte den Sieg des Sozialisten Francois Mitterrand bei der Präsidentschaftswahl 1981 an.

Ein Teil des Erfolgs ist offenbar, dass es den Grünen am besten gelang, ihre Wählerinnen und Wähler zu motivieren, zu den Urnen zu gehen. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung hatte das entsprechend starke Folgen. Die Zeitung „L’Alsace“ betonte, es sei schwierig zu beantworten, ob es tatsächlich ökologische Anliegen waren, die den Ausschlag pro Grüne gaben.

Präsident unter Druck

Die beispiellosen Erfolge der Grünen und ihrer Verbündeten bei den Kommunalwahlen setzen Macron jedenfalls erheblich unter Druck. Sein Mitte-Lager erlebte bei der Endrunde am Sonntag ein Fiasko. Zwar konnte sich Regierungschef Edouard Philippe mit deutlichem Vorsprung in der Hafenstadt Le Havre durchsetzen. Die noch junge Präsidentenpartei LREM scheiterte aber mit ihrem ursprünglichen Vorhaben, Paris zu erobern und in anderen Städten für eine Überraschung zu sorgen. „Wir erleben natürlich an diesem Abend eine Enttäuschung“, räumte Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye am Sonntagabend im TV-Sender France 2 ein.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und  Premierminister Edouard Philippe
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Macron und sein Premier Philippe am Tag nach der Wahl bei der Ankunft zu einem Bürgertreffen zu Klimaschutz

Macron muss wohl grüne Anliegen aufnehmen

Nach dem Wahlergebnis ist es geradezu symbolträchtig: Macron kam am Montag zu einem schon länger geplanten Treffen mit den Mitgliedern eines Bürgerkonvents zur Klimapolitik zusammen. Zu den Empfehlungen des Gremiums gehören ein Tempolimit auf der Autobahn von 110 statt 130 Stundenkilometern und ein Verbot von gentechnisch verändertem Saatgut.

Einige Vorschläge könnten zu einem Referendum führen – zum Beispiel die Verpflichtung zum Kampf gegen die Klimaveränderung in der französischen Verfassung. Der Erfolg der Grünen ist jedenfalls auch ein Signal, ökologische Anliegen verstärkt anzugehen.

Von März auf Juni verschoben

Die Stichwahlen waren eigentlich für Ende März geplant, mussten aber wegen der Coronavirus-Pandemie verschoben werden. Überschattet waren sie von einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent. Noch vor sechs Jahren war die Beteiligung noch bei gut 62 Prozent gelegen.

Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo
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In Paris jubelt die Sozialistin Anne Hidalgo über ihre Wiederwahl

Paris bleibt sozialistisch

In Paris triumphierten die sozialistische Amtsinhaberin Anne Hidalgo und ihre Verbündeten, darunter auch die Grünen. Hidalgo ließ die konservative Herausforderin Rachida Dati weit hinter sich. Hidalgo ist in der Hauptstadt durchaus umstritten, denn sie kämpft mit harten Bandagen gegen den Autoverkehr. Paris plant 2024 die Olympischen Spiele. Die bürgerliche Rechte hielt Bastionen wie Nizza und Toulouse.

Regierung vor Umbildung

Macron hatte angekündigt, dass er im Juli seinen Landsleuten den politischen Kurs nach der Coronavirus-Pandemie erläutern will. Das Land wurde von der Pandemie hart getroffen, es gab rund 30.000 Tote. Ob der in Beliebtheitsumfragen gut platzierte Philippe bei der erwarteten Regierungsumbildung gehen muss, ist offen. Während der Coronavirus-Krise hatte es Spannungen mit Macron gegeben, der bei der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen aufs Tempo drückte.

Die Stichwahlen betrafen fast 5.000 Kommunen, darunter waren die größten Städte des Landes. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren gut 16 Millionen Wählerinnen und Wähler – das entspricht etwa einem Drittel der Wahlberechtigten in Frankreich.