Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/Herbert Neubauer
Angriffe auf Kurdendemos

Regierung will Vereine durchleuchten

Seit Mitte vergangener Woche sind in Wien-Favoriten mehrere kurdische bzw. linke Kundgebungen abgehalten worden. Dabei kam es zu Ausschreitungen – Grund dafür waren Angriffe von türkischen Nationalisten und Rechtsextremen. Die Regierung kündigte Maßnahmen an – so soll im Sommer eine Dokumentationsstelle für den politischen Islam die Arbeit aufnehmen. Damit sollen Netzwerke und Vereine durchleuchtet werden.

Man dulde nicht, dass „türkische Konflikte auf österreichischem Boden ausgetragen“ werden, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und dem Wiener Landespolizeivizepräsidenten Franz Eigner. Raab sagte, dass man „jeglichen Einfluss aus der Türkei ablehnt“, Österreich sei „kein Austragungsort für türkische Politik“.

Nehammer sagte, dass die Türkei auf in Österreich ansässige Vereine einwirken müsse. Entsprechend will die Regierung nun diese Vereine in den Fokus nehmen. Ziel sei es, auf wissenschaftlicher Grundlage die Netzwerke und Vereine zu durchleuchten, die der Nährboden „für die extremistische Ideologie des politischen Islam“ seien, so Raab.

Botschafter in Ankara und Wien zu Gesprächen eingeladen

Bei einem Treffen am Freitag habe man bereits türkische und kurdische Vereine um Kooperation gebeten. Der türkische Botschafter Ozan Ceyhun wurde für Montag ins Außenministerium eingeladen, von ihm erwarte man sich eine „klare Verurteilung“. Indes lud die Türkei den österreichischen Botschafter ins Außenministerium in Ankara ein. Der Besuch werde aus terminlichen Gründen aber nicht von Botschafter Johannes Wimmer selbst, sondern vom Geschäftsträger der Botschaft wahrgenommen, hieß es.

Die Ereignisse der letzten Tage seien „nur die Spitze des Eisbergs“. Vereine würden den „Nährboden für Gewalteskalationen“ bilden, sie versuchten, die „Verbundenheit von Jugendlichen zur Türkei zu stärken“, so Raab. Einzelne Gruppen würden sich abschotten. Anlässlich der Ereignisse werde nun sichtbar, „wie starr Parallelgesellschaften ausgeprägt sind“. Zugleich hielt Raab fest, dass es ihr nicht um Pauschalverurteilungen gehe.

Wolfsgruß als „Provokationsmittel“ eingesetzt

Der Wiener Landespolizeivize Eigner sprach von sehr vielen jungen Menschen – einer „subkulturellen Jugendkultur“ –, die die kurdischen Demos angegriffen haben. Nehammer ergänzte, dass der in Österreich seit 2019 verbotene Wolfsgruß auch als „Provokationsmittel“ eingesetzt worden sei. Der Wolfsgruß, also der Gruß der ultranationalistischen Grauen Wölfe, ein Handzeichen, ist in Österreich seit 2019 verboten. Dass man die Grauen Wölfe unterschätzt habe, stellte Nehammer in Abrede – der Verfassungsschutz beobachte die Szene „sehr genau“.

Es gelte nun zu klären, ob der Wolfsgruß von den gewaltbereiten Männern nur eingesetzt worden sei, um Kurden zu provozieren, oder ob tatsächlich die Organisation der Grauen Wölfe dahinterstecke. Nehammer kündigte darüber hinaus einen runden Tisch mit der Integrationsministerin, dem Verfassungsschutz, dem Integrationsfonds und dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit an.

Die Grauen Wölfe sind Anhänger der rechtsextremen türkischen Partei MHP, die als Koalitionspartner der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der türkischen Regierung sitzt. Nach anfänglichen Vorwürfen, die Polizei würde nicht gegen die angreifenden Faschisten vorgehen, sagte Nehammer: „Wir gehen mit demselben Maß vor im Kampf gegen Graue Wölfe und Anhänger der (in der EU als Terrororganisation eingestuften, Anm.) PKK vor“.

„Massive Angriffe“

An vier Tagen hintereinander war es vergangene Woche in Wien-Favoriten zu gewaltsamen Angriffen türkischer Extremisten auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kurdendemos und die Polizei gekommen, die Beamten, die zu Hunderten im Einsatz waren, wurden aber auch von linker Seite bedroht. Es flogen Steine, Böller und Glasflaschen. Die Bilanz laut Nehammer: sieben verletzte Polizistinnen und Polizisten sowie ein verletzter Diensthund, elf Festnahmen, 57 Anzeigen und 220 Identitätsfeststellungen.

Eigner zeigte sich überrascht vom hohen, raschen Mobilisierungsgrad der gewaltbereiten, vorwiegend jungen Männer. Er sprach von einem „Phänomen, (…) das uns so noch nicht so oft begegnet ist“, nämlich dass ein harter Kern von ein paar hundert Jugendlichen rasch und kurzfristig an einen Ort beordert werden könne. Wegen der „massiven Angriffe“ mit Eisenstangen, Pyrotechnik und Glasflaschen sei es sehr schwierig gewesen, die Versammlung (der Kurden und Linken, Anm.) zu schützen, so Eigner. Derzeit seien keine weiteren Demos angekündigt.