Laboruntersuchung zur Abklärung des Coronavirus
APA/Hans Punz
600 Erkrankte

„Sorge“ im Gesundheitsministerium

In den vergangenen Tagen ist die Zahl der an Covid-19 Erkrankten deutlich gestiegen: Vor dem Wochenende galten nach Daten des Gesundheitsministeriums rund 470 Menschen als erkrankt – am Montag sind es nun 600. Das ist ein neuer Höchststand im Juni. Im Gesundheitsministerium beobachte man „die regionalen Ausbrüche mit Sorge“ – Maßnahmen wurden bisher aber nicht in Aussicht gestellt.

600 Kranke – so viele gab es laut Zahlen des Ministeriums zuletzt Ende Mai. Schon in den letzten Tagen stieg die Zahl der als erkrankt Gemeldeten, obwohl in der Vergangenheit an Wochenenden die Zahlenlage oft relativ stabil war. Insgesamt gab es somit am Montag 124 Erkrankte mehr als am Freitag.

Auch die epidemiologische Kurve, die die Zahl der täglich positiv Getesteten zeigt, schaut in den vergangenen Tagen anders aus. Übers Wochenende wurden täglich durchschnittlich über 60 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet. Das ist ein Dreitagesschnitt, den es laut Ministeriumszahlen so nicht mehr seit Mitte Mai, genau zur Verkündung der zweiten Öffnungsstufe, gegeben hat.

Anschober: „Virus ist nicht auf Urlaub“

In einer Stellungnahme gegenüber ORF.at verwies Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vor allem auf die Cluster in Salzburg und Oberösterreich: „Die aktuellen regionalen Ausbrüche erfüllen mich mit Sorge. Wir werden daher in den nächsten Tagen die Clusterbildungen besonders genau kontrollieren.“

Anschober sagte, dass man „derzeit eine Abnahme des Risikobewusstseins bei einem Teil der Bevölkerung“ bemerke. Er appellierte „daher genau an diesen Teil der Bevölkerung, sich durch die wochenlangen guten Zahlen nicht täuschen zu lassen. Das Virus ist nicht auf Urlaub, es ist weiterhin unter uns und es ist hochgefährlich.“ Neue Maßnahmen kündigte Anschober nicht an – und wies auf das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes (MNS) hin: „Und wichtig ist: Die teilweise Aufhebung des Mund-Nasen-Schutzes ist kein Verbot des MNS. Es macht Sinn, den MNS in Eigenverantwortung weiter zu tragen.“

Reproduktionszahl liegt wieder über 1

Vor allem im April und Mai wurde oft auf die Entwicklung der effektiven Reproduktionszahl (R(eff)) verwiesen – diese basiert auf einer Modellrechnung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und besagt, wie viele hypothetische Personen eine einzelne infizierte Person im Modell anstecken konnte.

Am Freitag veröffentlichte die AGES die neueste dieser Modellberechnungen – dabei wurde ein Wert von 1,1 erreicht. Das bedeutet, dass eine Person laut AGES-Modell 1,1 weitere ansteckt. Zum Vergleich: Zur ersten Öffnungsstufe lag die Zahl bei ungefähr 0,65, zur zweiten Öffnungsstufe bei 0,7 und mit der Öffnung der Gastronomie bei rund 1,0.

Der Anstieg ist laut Bericht der AGES auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. So habe etwa in Salzburg das Treffen der Rotarier zu einem Anstieg geführt. Mitverantwortlich für Fallhäufungen sind laut AGES auch Reiserückkehrer aus den Westbalkan-Ländern. Auch die Fälle, die bei Zusammenkünften einer Glaubensgemeinschaft in Oberösterreich entstanden, spielten bei der Entwicklung eine Rolle.

Experte: „Sorglosigkeit ist nicht angebracht“

Infektiologe Heinz Burgmann von der Meduni Wien sagte gegenüber ORF.at, dass die Reproduktionszahl immer gemeinsam mit der Zahl der Neuinfektionen betrachtet werden müsse, da etwa bei einer niedrigen Infektionszahl die Kontaktverfolgung („Contact Tracing“) einfacher beherrschbar sei. „Angenehm“ sei die aktuelle Entwicklung jedenfalls „nicht“, so Burgmann. „Sorglosigkeit ist nicht angebracht“, sagte der Experte. Maßnahmen wie Social Distancing müssten beibehalten werden, so Burgmann. Wenn man mit „hohen Zahlen in den Herbst“ gehe, dann werde es schwierig, die Situation unter Kontrolle zu haben.

Nachtgastronomie wird diese Woche Thema

Die aktuellen Zahlen werden wohl auch die Regierung diese Woche beschäftigen – denn schon in den nächsten Tagen soll ein Plan zur Regelung der Nachtgastronomie vorgestellt werden. Auf APA-Anfrage hieß es vergangene Woche aus dem Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober (Grüne), dass man ein „Paket mit Lösungsvorschlägen“ präsentieren werde.

Es gehe um einen „pragmatischen Weg in Balance mit dem Gesundheitsschutz“, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. „Dazu werden aktuell auch internationale Modelle geprüft.“ Ob und wie sich der Anstieg der letzten Tage auf diese Lösungsansätze auswirken wird, ist unklar.

Kurz verwies zuletzt auf „dreistelligen Bereich“

Von konkreten Maßnahmen könnte man jedoch noch entfernt sein: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verteidigte Mitte Juni die Lockerungen, weil man auf eine gute Entwicklung von damals „30 bis 40“ Neuerkrankungen pro Tag verwies. Sollte man da wieder „in den dreistelligen Bereich kommen“, werde die Politik „sehr wachsam“ sein müssen, so Kurz damals. Mit maximal 67 Ansteckungen am Freitag liegt man zwar rund doppelt so hoch wie damals, Dreistelligkeit ist aber bisher nicht in Sicht.

Mitarbeiter im Tourismus werden getestet

Zuletzt wurden unterdessen im Tourismus Beschäftigte auf das Coronavirus getestet. Vielerorts fielen die Tests negativ aus, etwa im Montafon in Vorarlberg – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Auch am Wörthersee wurden bisher rund 1.000 Menschen getestet, ebenfalls ohne positives Ergebnis – mehr dazu in kaernten.ORF.at. In der Region Wagrain-Kleinarl in Salzburg wurden hingegen ein paar Fälle gemeldet – mehr dazu in salzburg.ORF.at.