Peter Sidlo im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Sidlo skizzierte Weg zum Casinos-Vorstand

„Ich habe mir weder strafrechtlich noch moralisch etwas vorzuwerfen.“ Der ehemalige FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo hat am Mittwoch seine Bestellung zum CASAG-Finanzvorstand im März 2019 verteidigt. Im „Ibiza“-U-Ausschuss skizzierte Sidlo seinen Weg bis zum Casinos-Vorstand. Die Befragung stand aber auch im Zeichen einer „Erneuerung“.

Im Gegensatz zu den Befragungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) war jene von Sidlo sehr ruhig. Gründe dafür gibt es wohl mehrere: Sidlo verweigerte zwar in Fällen, die laufende Strafverfahren betreffen, die Aussagen, allerdings lieferte er immer eine Begründung mit. Sidlo konnte sich auch an seine Termine und Chatprotokolle erinnern, was zu einer fast friktionsfreien Befragung führte. Allerdings hatte wohl auch der Verfahrensrichter wesentlich Anteil an der ruhigeren Atmosphäre.

Nach dem Rücktritt von Ilse Huber als Verfahrensrichterin übernahm vorübergehend Stellvertreter Wolfgang Pöschl. Dieser legte die Rolle anders aus und erklärte strittige Fragen der Abgeordneten auch öfters für zulässig. Unter Huber beklagte sich allen voran die Opposition, dass sie auf der Seite der Auskunftspersonen gestanden sei. Es gipfelt im „Oasch“-Sager von NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper. Huber gab an, wegen der Respektlosigkeit zurückgetreten zu sein. NEOS legte allerdings vor der Sidlo-Befragung eine E-Mail-Konversation mit einem Stenografen des Parlaments vor, laut der sich Krispers Aussage gegen „alle“ bezog.

Peter Sidlo im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Ex-Casinos-Vorstand Sidlo gab sich im Ausschuss auskunftsfreudig und verteidigte seine damalige Bestellung

Sidlo nach eigener Ansicht vorstandstauglich

Inhaltlich ging es am Mittwoch um die Person Peter Sidlo und dessen Bestellung im Frühjahr 2019 zum Vorstand der CASAG. Laut der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) besteht der Verdacht, dass Sidlo über einen Deal zwischen der FPÖ und dem Glücksspielkonzern Novomatic, der damals drittgrößter Eigentümer der teilstaatlichen Casinos Austria AG (CASAG) war, in den Vorstand gehievt wurde. Der Novomatic sollen als Gegenleistung Glücksspiellizenzen angeboten worden sein. Alle Beteiligten bestreiten die gegen sie erhobenen Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Sidlo stellte zuerst seine Karriere in der Privatwirtschaft in die Auslage, die ihn für den Finanzvorstand in der CASAG qualifiziert habe. Auch das zuständige Finanzministerium habe seiner Bewerbung zugestimmt. Auf Hinweis von ÖVP-Fraktionschef Wolfgang Gerstl, dass das damals – wie heute – ÖVP-geführte Finanzministerium schriftlich lediglich „zur Kenntnis“ genommen habe, sagte Sidlo: „Wenn das Ministerium keine Bedenken hat, dann nimmt es die Bewerbung zur Kenntnis. Sonst gibt es eine Untersagung. Die gab es aber nicht, deshalb Zustimmung.“

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Wolfgang Pöschl übernahm für die Befragung am Mittwoch den Posten des Verfahrensrichters

Überhaupt verwehrte sich Sidlo gegen seiner Meinung nach geäußerte Unterstellungen, er sei ein Novomatic-Kandidat gewesen. „Ich habe vor meiner Bewerbung weder beruflich noch privat mit dem Unternehmen zu tun gehabt“, sagte der Jurist. Er gab aber auch an, er habe nach seiner Entscheidung, sich um den noch besetzten Vorstandsposten zu bewerben, das Gespräch mit den Eigentümern – Republik, Novomatic und Sazka Group – gesucht. „Es war so, dass die Novomatic meine Unterlagen in den Bewerbungsprozess eingebracht hat, nachdem sie sich von mir als Kandidaten überzeugt hatten.“

Gespräche in Nationalbank und mit Novomatic

Zu der Aussage von CASAG-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner, dass Sidlo ihn vor dessen Bestellung zum Vorstand bereits im Generalrat der Nationalbank (OeNB), wo beide Mitglieder waren, gefragt habe, ob es auch einen Job für die FPÖ in den Casinos gebe, entschlug sich Sidlo der Antwort. Er bestätigte aber, mit Rothensteiner und Bettina Glatz-Kremsner im Spätsommer 2018 über sein Vorhaben gesprochen zu haben. Glatz-Kremsner war zu dieser Zeit ebenfalls Mitglied des OeNB-Generalrats, Mitglied des CASAG-Vorstands und Vizechefin der ÖVP. Sie habe ihn unterstützt, sagte Sidlo.

Stephanie Krisper (NEOS) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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NEOS-Fraktionschefin Krisper war zuletzt von der ÖVP kritisiert worden, am Mittwoch stand wieder die Aufklärung im Vordergrund

Auch der damalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wusste seit Ende August 2018 über Sidlos angehende Bewerbung Bescheid. „Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich das gerne machen möchte und ob ich mit seiner Unterstützung rechnen kann“, so Sidlo, der sich nach eigenen Angaben aber aufgrund seiner „Fachexpertise“ beworben habe und nicht, weil er FPÖ-Politiker war. Strache kenne er seit 25 Jahren und laufe ihm in der Politik immer wieder über den Weg, sagte Sidlo weiter, aber es habe keinen Deal zwischen ihm und Strache gegeben. Der damalige FPÖ-Chef habe für Sidlos Unterstützung keine Bedingungen gestellt.

Dass Sidlo vor seiner Bestellung „mehrmals“ mit dem damaligen Novomatic-Vorstandsvorsitzenden Harald Neumann Kontakt hatte, wertete Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli als „kleines Netzwerk im Bereich Glücksspiel“. Der Ex-FPÖ-Bezirksrat quittierte die Aussage mit einem Lachen und sagte, dass er kein Netzwerk hinter sich habe. Er habe Neumann erst im Zuge seiner Bewerbung näher kennengelernt, zuvor auf Veranstaltungen. Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte, als Sidlo bei einer entsprechenden Frage nach Netzwerken zunächst pausierte, dass ein Netzwerk „noch nichts Unanständiges“ sei.

„Vorstellbar ist mir in der Casinowelt alles“

Dass Sidlo vor seiner Bestellung keine dreijährige Erfahrung in einem größeren Glücksspielunternehmen sammeln konnte, die im Gesetz vorgeschrieben ist, stellte für den Ex-FPÖ-Politiker kein Hindernis dar. Die Bestimmung im Gesetz sei eine Kann-Bestimmung, so Sidlo, es sei eine individuelle Eignungsprüfung vorgenommen worden. Er sei Bewerber gewesen: „Ich habe meine Karten auf den Tisch gelegt und gesagt: Das ist es.“ Die Frage, ob er mit Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und Bundeskanzler Kurz gesprochen habe, verneinte er.

Medienvertreter im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Die Zahl der Medienvertreter war geringer als vor einer Woche, als Kurz und Blümel befragt wurden

Vom Gutachten des Personalberaters Egon Zehnder zu seiner Person habe er erst nach dem Bewerbungsprozess erfahren. Was er vom Gutachten hält, sagte Sidlo nicht. Das sei eine Meinungsfrage, keine Faktenfrage, so Sidlo. Zehnder hielt den vormaligen FPÖ-Bezirksrat mangels Führungserfahrung in einem großen Unternehmen und mangels Expertise im Glücksspielgeschäft nur bedingt für qualifiziert. Der Aufsichtsrat unter Rothensteiner bestellte Sidlo trotzdem einstimmig, wiewohl unter Stimmenthaltung der Vertreter der tschechischen Sazka-Gruppe.

FPÖ-Mandatar Martin Graf fragte, ob er, Sidlo, sich vorstellen kann, dass die anonyme Anzeige, die zur Causa Casinos führte, von der Sazka-Gruppe stamme. „Vorstellbar ist mir in der Casinowelt alles, da ich sie jetzt kenne“, sagte Sidlo. „Ich muss hier sehr vorsichtig sein, aber auszuschließen ist nichts.“ Zur Erinnerung: Kurz nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ und Platzen der ÖVP-FPÖ-Koalition ging bei der WKStA eine anonyme Anzeige ein. In dieser Sachverhaltsdarstellung hieß es, es habe im Gegenzug zu Sidlos Bestellung eine Absprache zwischen der FPÖ und Novomatic zu Glücksspiellizenzen gegeben. Gerüchte, wonach die Anzeige aus dem Dunstkreis der Sazka-Gruppe stamme, wies Sazka zurück.

Witze erzählen und lächeln

Unterstützung bekam Sidlo von der Novomatic auch nach seiner Bestellung – konkret vom damaligen Novomatic-Pressesprecher Bernhard Krumpel. Die Hilfe sei aber rein „kommunikatorischer Natur“ gewesen, etwa für eine Vorstellungsrunde vor Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der CASAG, antwortete Sidlo. Krumpel habe ihm Tipps gegeben, wie jenen, während der Vorstellung einmal einen Witz zu machen oder hin und wieder zu lächeln. Krumpel und Sidlo waren wie der ehemalige FPÖ-Mandatar Markus Tschank an der Firma Polimedia beteiligt. Zur Polimedia nahm Sidlo aber nicht Stellung, da diese in Liquidation befindliche Firma Teil der CASAG-Ermittlungen sei.

Vorstandsvorsitzender und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Keine einzige Stehung zur Geschäftsordnung gab es bei der Sidlo-Befragung: Auch für Ausschussvorsitzenden Sobotka ein Novum

Sidlo wollte der NEOS-Mandatarin Krisper auch nicht sagen, über wen er Krumpel kennengelernt hat. Die Diskussion, ob Sidlo den Namen sagen muss, dauerte mehrere Minuten. Verfahrensrichter Pöschl empfahl Krisper, einen konkreten Namen zu nennen, um eine Antwort zu erhalten. Sie tippte auf Ex-FPÖ-Mandatar Tschank. Nein, der sei es nicht gewesen, so Sidlo. Es sei eine Person ohne politische Funktion und spiele in dem Verfahren keinerlei Rolle. Wer der gemeinsame Bekannte von Sidlo und Krumpel war, blieb offen.

TV-Hinweis

Das Wirtschaftsmagazin „Eco“ widmet sich Donnerstag um 22.30 Uhr in ORF2 der Frage, wie es bei den Casinos nach Übernahme der Mehrheit durch den tschechischen Sazka-Konzern weitergeht.

Sidlo: „Abberufung ungerechtfertigt“

Im Dezember berief die Mehrheit des CASAG-Aufsichtsrats Sidlo „aus wichtigem Grund“ ab, wie es damals hieß. Später wurde bekannt, dass die Abberufung offenbar auch wegen „grober Pflichtverletzung“ vollzogen wurde. Vertreter der Sazka-Gruppe hatten gemeint, dass Sidlo die „Vertrauensbasis unwiederbringlich zerstört“ habe, weil er „gegenüber dem Aufsichtsrat die Unwahrheit“ gesagt habe. Aufsichtsratschef Rothensteiner soll darauf Wert gelegt haben, dass in einer Presseaussendung klargestellt werde, dass der Aufsichtsrat sowohl bei der Bestellung Sidlos als auch bei dessen Abberufung „ordnungsgemäß gehandelt hat“.

Sidlo im „Ibiza“-Ausschuss: „Habe mir nichts vorzuwerfen“

Mit dem ehemaligen FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo ist heute eine der Hauptfiguren in der Causa Casinos am Mittwoch im Mittelpunkt des „Ibiza“-U-Ausschusses gestanden. Er bestritt die Vorwürfe: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“

Für Sidlo war die Abberufung jedenfalls „ungerechtfertigt, und das habe ich auf dem Zivilrechtsweg eingeklagt“. Ihm sei kein Fehlverhalten bewusst, sagte er im Ausschuss. Der „Standard“ berichtete bereits im Jänner 2020, dass Sidlo 2,3 Millionen Euro von den Casinos Austria fordert. Bis Vertragsende wären ihm noch für zwei Jahre und vier Monate 1,9 Millionen Euro an Fixgehalt (400.000 Euro jährlich) und Boni zugestanden, hieß es in dem Bericht. Hinzu kämen Sachbezüge und Pensionszusagen. Dem Ausschuss wollte er das nicht bestätigen.