Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Coronavirus-Strategie

Bis zu 30.000 freiwillige Tests pro Woche

Österreich startet mit kommender Woche in allen Bundesländern ein großes Screeningprogramm auf SARS-CoV-2. Gezielt sollen Personen- und Berufsgruppen angesprochen werden, in denen die Situation genauer beobachtet werden soll. Die Kosten können bis Ende 2020 rund 240 Millionen Euro betragen, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Donnerstag.

„Wir gehen von einer zusätzlichen benötigten Kapazität von 25.000 bis 30.000 Tests pro Woche aus. Die Kostenschätzungen belaufen sich auf 160 Millionen Euro an Laborkosten und 80 Millionen Euro für die Organisation“, sagte Ulrich Herzog, stellvertretender Sektionsleiter für Verbrauchergesundheit und Veterinärwesen im Gesundheitsministerium. Untersucht werden sollen Personen ohne Symptome in potenziellen Risikobereichen.

Das Programm sei gemeinsam mit den Bundesländern erstellt und akkordiert worden. Prophylaktisch will man besonders in potenzielle Risikobereiche „hineinschauen“, wie auch Anschober feststellte. Grob definiert: Pflege- und Altersheime mit Personal und Bewohnern, sonstige Gesundheitseinrichtungen (Arztpraxen, Krankenhäuser etc.) und Logistikunternehmen sowie beispielsweise große Betriebe der Fleischverarbeitungsbranche.

Ulrich Herzog, Rudolf Anschober und Roman Winkler
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Bei der Pressekonferenz am Mittwoch kündigte Anschober die neue Teststrategie an

Hinzu kämen Personen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen. Ebenso werden mit kommender Woche SARS-CoV-2-Tests verstärkt Personen angeboten, die enge (Reise-)Kontakte mit Ländern des Westbalkans haben. Schließlich will man an Obdachlose herankommen. Das alles könne rechtlich nur auf freiwilliger Basis erfolgen, hieß es bei der Pressekonferenz. Anders sei das bei der Untersuchung von Kontaktpersonen im Rahmen von Erhebungen zu SARS-CoV-2-Clustern bzw. Covid-19-Ausbrüchen.

Rendi-Wagner forderte schnellere Tests

Das neue Screeningprogramm auf SARS-CoV-2 wurde per Beschluss im Ministerrat genehmigt. Eingebunden werden laut Herzog zunehmend auch Labors, die bisher nicht im Gesundheitsbereich tätig waren: „Die Ausschreibungen laufen“, sagte Herzog.

Im Endeffekt wird das neue Projekt für Österreich flächendeckend mit jeweils lokaler Adaptierung jene Strategie verfolgen, die in Wien schon vor einigen Wochen angegangen worden ist. Zusätzliche Virustests werde es etwa in potenziell stark betroffenen Personengruppen geben, die nicht „medizinaffin“ sind und zum Teil in prekären Jobs tätig sind. Diese Vorwärtsstrategie wird seit mehreren Jahren zum Beispiel auch bei der Tuberkulose verfolgt, wie überhaupt viele der „seuchenhygienischen“ Maßnahmen historisch aus diesem Bereich kommen.

SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner hatte bei ihrer Pressekonferenz am Donnerstag eine „effiziente und schnelle Virusbremse“ gefordert. Als zentrale Forderung urgierte Rendi-Wagner erneut mehr und schnellere Tests. „Einen neuerlichen Shut-down können wir uns schon rein wirtschaftlich nicht leisten“, sagte die Klubobfrau. „Wer aufmacht, muss testen.“ Als Minimum sollten 15.000 Tests am Tag durchgeführt werden. Beim „Contact-Tracing“ sollten zudem sämtliche Personen auf das Virus getestet werden, die mit einem Infiziertem Kontakt hatten.

Anschober: Regionale Ausbrüche erwartet

Zu Beginn der Pressekonferenz ging Anschober näher auf den Anstieg von Infektionen in den vergangenen Tagen ein. „Es hat sich wieder normalisiert. Aber es ist noch immer ein Wert, der mir persönlich zu hoch ist“, so der Minister. Nach dem Zuwachs von 107 Fällen am Mittwoch lag der Anstieg am Donnerstag bei 68. 42 dieser neuen Fälle werden einem bereits identifizierten Cluster in Oberösterreich zugerechnet.

Anschober präsentierte neues Testprogramm

Am Donnerstag hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) das neue Coronavirus-Testprogramm vorgestellt. Es sei bereits eine Maßnahme für den kommenden Herbst, so Anschober.

Den neuen Fällen stellte er 23 neu von Covid-19 Genesene gegenüber. Aber auch „in Summe ist eine leichte Steigerung zu erkennen“, und das sei „nichts, was uns freut“. Das neuerliche deutliche Plus bei den Neuinfektionen sei eine Folgewirkung des „durchaus beachtlichen“ Ansteckungsherds in Oberösterreich. Die Behörden hätten konsequent und rasch reagiert, sagte der Minister. Seit Mittwoch beobachte er eine „im regionalen Bereich von uns erwartete, aber durchaus mit Sorge zu sehende Entwicklung“.

„Wir können eine zweite Welle verhindern“

Die Daten aus Oberösterreich seien eine Zuspitzung, generell sei mit einer Erhöhung der Fallzahlen in der aktuellen Phase drei im Kampf gegen das Coronavirus aber gerechnet worden. Ziel sei es, den Anstieg rasch wieder „einzufangen“. Er verwies auf rasches Kontaktpersonenmanagement. „Wir können es schaffen, eine zweite Welle zu verhindern“, sagte Anschober. Nach den strikten Eindämmungsmaßnahmen bis 14. April und ab da schrittweisen Teilöffnungen alle 14 Tage – in Summe in zehn Tranchen – seien zunächst keine großen Fallzunahmen oder Clusterbildungen zu sehen gewesen.

Nun, in Phase drei, dem Sommer, müsse es das Ziel sein, eine Stabilisierung zu erreichen, auch wenn durch die Lockerungen, den Tourismus und Grenzöffnungen „in Summe mehr Bewegung“ und damit „eine gewisse Erhöhung des Risikos“ bestehe. Die große Herausforderung sei die Phase vier, der Herbst, wenn vieles wieder innen stattfinde, was die Ansteckungsgefahr vergrößere. Der Gesundheitsminister richtete einen Appell an die Bevölkerung, die Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten.

„Auf Basis der Erfahrungen von gestern und der Vortage und mit Blick auf die internationale Ebene“ müssten alle „wieder Verantwortung übernehmen.“ Das umfasse die grundlegenden Hygienemaßnahmen vom Händewaschen bis zum Verzicht auf Händeschütteln, den Mindestabstand und das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, der in vielen Bereichen noch verpflichtend sei, etwa im öffentlichen Verkehr – „auch der Bahnhof zählt dazu“. Grundsätzlich solle die Maske überall dort getragen werden, „wo es ein bissl dichter wird“, so die Empfehlung Anschobers.