Elefantenherde in Botswana
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Botsuana

Rätseln über Massensterben von Elefanten

Als „Naturschutzkatastrophe“ bezeichnen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, was sich seit mehreren Wochen im Okavango-Delta im Norden von Botsuana abspielt. Mehr als 350 Elefanten sind dort seit Mai verendet – und das Sterben droht weiterzugehen. Die Ursache ist nicht bekannt, Wilderei wird ausgeschlossen.

„Das ist ein Massensterben in einer Dimension, wie es seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr vorgekommen ist. Außer in Dürreperioden kenne ich kein ähnlich signifikantes Beispiel“, zitierte der „Guardian“ Niall McCann, den Direktor für Naturschutz bei der in Großbritannien ansässigen Organisation National Park Rescue.

Die Elefanten seien unabhängig von ihrem Alter und Geschlecht betroffen, berichteten lokale Medien und die Tierschutzorganisation Elephants Without Borders (EWB). Zeugen gaben an, dass die Elefanten vor ihrem Tod desorientiert wirkten und lahmten, was auf eine neurologische Beeinträchtigung hindeuten könnte. „Wir haben einen Elefanten beobachtet, der im Kreis herumlief und es auch trotz der Hilfe anderer Tiere aus seiner Herde nicht schaffte, die Richtung zu wechseln“, hielt etwa EWB-Chef Michael Case in einem Bericht fest.

Tod kam in vielen Fällen schlagartig

„Wenn man sich die Kadaver ansieht, sind einige von ihnen direkt auf ihr Gesicht gefallen, was darauf hindeutet, dass die Tiere sehr schnell gestorben sind. Andere sterben offensichtlich langsamer und wandern vorher ziellos herum. Es ist also sehr schwer zu sagen, was diese Krankheit ist“, sagte McCann dem „Guardian“. Mehrere lebende Elefanten wirkten bereits schwach und abgemagert, ein Zeichen, dass auch sie demnächst den Tod finden könnten. Die tatsächliche Zahl der verendeten Tiere dürfte schon jetzt höher sein als bekannt – Kadaver sind in dem sumpfigen Gelände schlecht auszumachen.

Elefant im Okavango Delta, Botswana
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Die Elefanten hatten vor ihrem Tod vielfach – vermutlich neurologisch bedingte – Orientierungsprobleme

Erste Alarmierung Anfang Mai

Bereits Anfang Mai alarmierten lokale Naturschützer die Regierung von Botsuana: „In einem dreistündigen Flug hatten sie 169 tote Tiere entdeckt“, zitierte die BBC McCann. „Es war außergewöhnlich, so viele in einem kurzen Flug sehen und zählen zu können.“ Bis Mitte Juni hatte sich die Zahl der Kadaver mehr als verdoppelt. Da alle toten Tiere noch ihre Stoßzähne hatten, schloss Botsuana Wilderei als Ursache für das Sterben von Beginn an aus.

Lange, Tierschützern zufolge viel zu lange, zögerte die Regierung aber mit Proben zur Analyse der Todesursache. McCann: „Wenn wir ein Massensterben von Elefanten in der Nähe menschlicher Behausungen haben, und das zu einer Zeit, in der die Übertragung von Krankheiten durch Wildtiere breit thematisiert wird, erscheint es seltsam, dass Proben nicht unverzüglich an ein seriöses Labor geschickt wurden.“

Cyril Taolo, der Leiter der für Wildtiere und Nationalparks zuständigen Behörde, sagte dem „Guardian“: „Wir sind uns der Problematik bewusst und haben bisher den Tod von 280 der gemeldeten 350 toten Tiere bestätigt. Und wir haben Proben nach Südafrika, Simbabwe und Kanada geschickt.“ Die Covid-19-Restriktionen hätten einen früheren Transport schwierig gemacht.

Eine Vergiftung als Todesursache wird ebenso wie Wilderei ausgeschlossen. Wäre den Tieren Zyanid verabreicht worden, was von vielen Wilderer eingesetzt wird, wären auch Aasfresser wie Geier verendet. „Aber es sind ausschließlich Elefanten, die sterben, sonst nichts“, sagte McCann. Viele Elefanten wurden an Wasserstellen gefunden, was auf eine mögliche Verunreinigung hindeuten könnte.

Wissenschaft tappt im Dunklen

Die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte am Donnerstag Keith Somerville, Professor für Tierschutz an der Universität Kent: Er hält es für möglich, dass während der zurückliegenden langen Dürreperiode die Kadaver von Zehntausenden gestorbenen Rindern das Trinkwasser der Elefanten verseuchten. „Aber dann stellt sich auch die Frage, warum nur Elefanten starben.“ Auch eine natürliche Anthraxvergiftung, die ursprünglich als die wahrscheinlichste Ursache angesehen wurde und durch die etwa im Vorjahr mindestens 100 Elefanten in Botsuana starben, wurde inzwischen ausgeschlossen.

Elefantenherde in Botswana
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Noch leben in Botsuana an die 130.000 Elefanten in freier Wildbahn

Sorge vor Übertragung

In Botsuana leben so viele Elefanten wie sonst nirgendwo auf der Welt. Allein im Okavango-Delta sind es rund 15.000 und damit etwa zehn Prozent der Gesamtzahl des Landes. Lange hatte das Land einen guten Ruf in Sachen Natur- und Tierschutz. 2019 aber erlaubte die Regierung nach Klagen von ländlichen Bewohnern, dass die Tiere ihre Felder überrennen und eine Bedrohung für Leib und Leben darstellen würden, wieder die kommerzielle Jagd auf Elefanten. Der Aufschrei von Tierschützern erfolgte prompt.

Der große Schock könnte allerdings noch bevorstehen, schrieb die BBC: „Ohne Kenntnis der Quelle des Massensterbens ist nicht auszuschließen, dass eine Krankheit auf die menschliche Bevölkerung übergreift – insbesondere, wenn die Ursache entweder in den Wasserquellen oder im Boden liegt.“