Mitarbeiter des Roten Kreuzes nimmt mit einem Stäbchen einen Abstrich bei einer Person mit Verdacht auf Covid-19.
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Oberösterreich

CoV-Cluster schon mit rund 100 Erkrankten

Wie schon am Vortag ist am Donnerstag Oberösterreich Österreichs „Hotspot“ an Neuinfektionen mit dem Coronavirus gewesen. Der Cluster, in dessen Zentrum die freikirchliche Gruppe Gemeinde Gottes – Pfingstkirche steht, umfasste am Donnerstag bereits 99 Personen, hieß es seitens des Landes Oberösterreich.

Bei der Gruppe im Zentrum des oberösterreichischen Covid-Clusters handelt es sich laut dem Land Oberösterreich um eine eingetragene, nicht anerkannte Bekenntnisgemeinschaft mit vielen rumänischen Großfamilien. Der Kinderreichtum der Gruppierung bewegte die oberösterreichischen Behörden auch zu Kindergarten- und Schulschließungen.

Für Außenstehende sei auffällig, dass Gottesdienste, speziell der Pfingstgemeinden, emotionaler wirken und den Charakter eines „Happenings“ haben können, so Ulrike Schiesser, Psychologin und Psychotherapeutin der Bundesstelle für Sektenfragen. Es werde viel gesungen, getanzt und es würden Hände zur Heilung aufgelegt. Ein Faktor könne auch sein, dass gerade bei Erkrankungen Heilung im Glauben gesucht wird. So könnten Menschen mit ersten Symptomen Hilfe in der Gemeinschaft suchen und staatliche Verordnungen möglicherweise weniger ernst nehmen.

Für Verwirrung sorgte zudem, dass die Gruppe in Linz in Räumlichkeiten einer anderen Freikirche Gottesdienste gefeierte hatte. Diese wiederum, die „Freie Christengemeinde – Pfingstgemeinde in Österreich“ (FCGÖ), betonte in einer Aussendung, nicht betroffen zu sein und keine Covid-19-Fälle zu haben. Sie gehört zu den Freikirchen in Österreich (FKÖ), nach deren Angaben sind derzeit rund 160 Gemeinden mit insgesamt 20.000 Mitgliedern organisiert. Diese sind auch staatlich anerkannt.

„Beachtlicher Ansteckungsherd“

Vor allem mit den Neuinfektionen in Oberösterreich stieg die Zahl der bundesweit aktuell Erkrankten auf 722 an. Am Dienstag waren es noch 583 gewesen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach am Donnerstag von einem „durchaus beachtlichen“ Ansteckungsherd in Oberösterreich, wo u. a. mit Schul- und Kindergartenschließungen in mehreren Regionen Maßnahmen gesetzt wurden. Die oberösterreichischen Behörden hätten konsequent und rasch reagiert, sagte der Minister.

OÖ kündigt Ausweitung der Tests an

Das Land Oberösterreich kündigte an, die Covid-19-Testungen auszuweiten. Bereits am Mittwoch seien 1.400 Tests durchgeführt worden, hieß es in einer Presseaussendung von LH-Stv. Christine Haberlander (ÖVP). In den fünf besonders betroffenen Bezirken werde künftig der zu testende Personenkreis noch großzügiger angelegt. Das bedeute etwa, dass bei einem positiven Fall in einer Schulklasse alle Mitschüler in dieser Klasse getestet werden.

Auch in den Alters- und Pflegeheimen soll nochmals getestet werden. Montag und Dienstag seien zusätzlich die vier Landespflege- und -betreuungszentren Schloss Haus, Christkindl, Cumberland und Schloss Gschwendt mit ihren rund 400 Mitarbeitern an der Reihe. Das Rote Kreuz stocke die Drive-in-Kapazitäten auf das Doppelte auf, um mehr Proben rascher abnehmen zu können, hieß es.

Auch für die Bildungsdirektion kamen die Schulschließungen überraschend. Einige Fragen sind noch offen. Die neuerliche Schließung von Betrieben sei jedenfalls zu verhindern, heißt es von der Wirtschaftskammer – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Kritik an Schulschließungen

Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) kritisierte das „reflexartige“ Schließen von Schulen und Kindergärten und verwies auf vermehrte Berichte über Kollateralschäden und Langzeitfolgen durch soziale Isolation und Bildungsentgang. Die ÖGKJ trat dafür ein, dass weitere Schließungen von Bildungseinrichtungen nur mehr dann erfolgen, wenn diese wissenschaftlich begründbar sind und die Pandemiesituation das zwingend erfordert.

Kritik an den Schulschließungen in Oberösterreich kam auch von NEOS. Dass als erste Maßnahme ausgerechnet die flächendeckende Schließung von Schulen und Kindergärten durchgeführt wurde, lässt für Parteichefin Beate Meinl-Reisinger nichts Gutes für den Herbst erwarten. Für die Absage von Indoor-Veranstaltungen habe es hingegen nur eine Empfehlung gegeben. Meinl-Reisinger forderte bei einer Pressekonferenz zudem eine ordentliche Teststrategie und Transparenz.

Ähnlich forderte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner bei einer Pressekonferenz erneut mehr und schnellere Tests als „effiziente und schnelle Virusbremse“. „Einen neuerlichen ‚Shut-down‘ können wir uns schon rein wirtschaftlich nicht leisten“, sagte Rendi-Wagner. Angesichts der derzeitigen Situation mit steigenden Fallzahlen in einzelnen Clustern sei zwar keine Panik angebracht, sehr wohl aber „große Achtsamkeit“. „Ein österreichweiter Ausbruch muss verhindert werden.“

Stelzer wies Kritik zurück

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hatte am Mittwochabend im Interview mit der ZIB2 die Kritik zurückgewiesen, dass zu spät gehandelt worden sei. 1.383 Personen waren laut dem Land Oberösterreich am Donnerstag (Stand 8.00 Uhr) in Quarantäne.

„Wir hoffen, dass wir diesen Cluster eindämmen können“, so Stelzer. Man habe die Infektionen „ganz genau verfolgt“ und sei den Fällen bis in die Schulen und Kindergärten nachgegangen. Die Mitarbeiter des Landes sein „von Beginn weg“ jedem einzelnen Fall „konsequent“ nachgegangen.

Kurz: Keine bundesweiten Verschärfungen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte an, dass trotz regional steigender Fallzahlen keine österreichweiten Verschärfungen der Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie geplant seien. „Das Wichtigste ist, dass es ein regionaler Ausbruch bleibt“, hieß es in einem Pressestatement. Es gelte mit aller Kraft, eine „Ausbreitung darüber hinaus“ zu verhindern. Dafür müsse alles unternommen werden. Egal, wo solche Ausbrüche auftreten könnten, es sei immer vordringlich, „die Infektionsketten zu trennen“.