Maskierte Polizisten
Reuters/Lisi Niesner
Symptomerfassung

Kritik an Ausweitung der Polizeibefugnisse

Im Parlament hat am Dienstag die Marathonwoche im Nationalrat begonnen. Doch schon vor den Debatten im Plenum gab es scharfe Kritik an einer Entscheidung von ÖVP und Grünen. Im Wirtschaftsausschuss wurde eine Änderung des Epidemiegesetzes beschlossen, wonach Polizisten und Polizistinnen auch Krankheitssymptome etwa von Coronavirus-Verdachtsfällen erheben sollen.

Bereits jetzt müssen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes laut Epidemiegesetz die Gesundheitsbehörden über deren Ersuchen etwa bei der Absonderung von Kranken und der Verhinderung großer Menschenansammlungen unterstützen. „Erforderlichenfalls“ ist es der Polizei erlaubt, Zwangsmittel anzuwenden. Mit der Gesetzesänderung sollen die Beamten und Beamtinnen die Gesundheitsbehörden nicht nur bei der Erhebung von Identitäts- und Kontaktdaten, sondern auch von allfälligen Krankheitssymptomen von Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen helfen.

Gemäß Antrag muss die Polizei die erhobenen Daten den zuständigen Behörden „unverzüglich“ über eine „gesicherte Leitung“ übermitteln. Nach der Weitergabe sind die Informationen „unverzüglich zu löschen“. Schon am Montag, als der Antrag im Wirtschaftsausschuss eingebracht und mit ÖVP- und grünen Stimmen beschlossen wurde, kritisierten NEOS und SPÖ die Maßnahme als inakzeptabel und absurd. Die Polizei werde verpflichtet, Arzt zu spielen, hieß es. Am Dienstag äußerte die FPÖ verfassungsrechtliche Bedenken. Die Ärztekammer ließ in einer Aussendung wissen, dass die medizinische Diagnose keine Aufgabe der Polizei sei, „sondern nach wie vor Aufgabe eines Arztes“.

Ausschussantrag am Montag

Der Antrag wurde – zumindest für die Opposition – überraschend von den Abgeordneten Peter Haubner (ÖVP) und Elisabeth Götze (Grüne) dem Wirtschaftsausschuss vorgelegt, das Vorhaben wurde jedenfalls nicht angekündigt. Die Ausweitung der Mitwirkungspflichten wurde im Zuge des Konjukturstärkungsgesetzes eingebracht – hier bestehe ein inhaltlicher Zusammenhang, weil beide Vorhaben die Coronavirus-Krise betreffen.

Kritisiert wurde die Ausweitung der Polizeibefugnisse nicht nur deshalb, weil die Beamten und Beamtinnen Aufgaben von medizinischem Personal übernehmen. Mit der Änderung des Epidemiegesetzes würde die Exekutive zusätzlich belastet, sagte etwa SPÖ-Mandatar Reinhold Einwallner im Nationalrat – im Zuge der Debatte zu den Steuererleichterungen.

Die neue Aufgabe der Polizei kann am Dienstag nämlich nicht beschlossen werden. Denn um eine entsprechende Ergänzung der Tagesordnung vorzunehmen, hätte es einer Zweidrittelmehrheit bedurft. Die war bei der entsprechenden Abstimmung im Nationalrat jedoch nicht gegeben. So muss gemäß Geschäftsordnung eine 24-Stunden-Frist eingehalten werden, bis über die Materie abgestimmt werden kann. Das könnte bereits am Mittwoch oder Donnerstag der Fall sein.

Senkung des Eingangssteuersatzes beschlossen

Das Konjunkturstärkungsgesetz, das Dienstagmittag vom Plenum des Nationalrates einstimmig beschlossen wurde, sieht vor, dass der Eingangsatz bei der Einkommenssteuer von 25 auf 20 Prozent rückwirkend ab 1. Jänner gesenkt wird. Für diejenigen, die so wenig (bis 11.000 Euro) verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen und von der Steuersenkung nichts haben, gibt es 100 Euro mehr Negativsteuer. Der SPÖ-Pensionistenverband beklagte bereits vor der Abstimmung, dass 1,2 Millionen Pensionisten mit kleinen Pensionen unter der Steuerfreigrenze von dieser Entlastung ausgeschlossen seien.

Änderungen gibt es auch bei der Flugticketabgabe. Für Kurzstreckenflüge bis 350 Kilometer soll künftig eine Abgabe von 30 Euro pro Ticket anfallen, bei sonstigen Flügen soll die Steuer zwölf Euro betragen. Die neuen Tarife sollen für Abflüge nach dem 31. August gelten. Eine weitere Neuerung betrifft die Abschreibung: Unternehmen sollen die Möglichkeit bekommen, Investitionen degressiv statt linear abzuschreiben. Bei größeren Investitionen bringt das zu Beginn Steuervorteile und damit eventuell mehr Liquidität. Ein Wechsel in die lineare Abschreibung ist zulässig, nicht aber umgekehrt. Gelten wird die Regelung für nach dem 30. Juni angeschaffte oder hergestellte Güter.

Die degressive Abschreibung soll nach einem unveränderlichen Prozentsatz von 30 Prozent erfolgen, also 30 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten im ersten Jahr und in den Folgejahren 30 Prozent des jeweiligen Restbuchwertes. Zudem sollen Firmen die Möglichkeit eines Verlustrücktrags bekommen. Die Voraussetzungen sollen grundsätzlich dieselben sein wie beim Verlustvortrag: Er soll für negative betriebliche Einkünfte zustehen. Schließlich ist noch ein Bauernpaket enthalten. Für Landwirte ist unter anderem eine Dreijahresverteilung für Gewinne vorgesehen.

Neue Forschungsfinanzierung steht

Nach über zehn Jahren der Diskussion gibt es eine neue Struktur für die Forschungsfinanzierung. Die entsprechende Vorlage wurde gegen die Stimmen von NEOS angenommen. Wesentlichster und akklamierter Fortschritt: Durch Dreijahresverträge sollen Forschungseinrichtungen und Förderagenturen Planungssicherheit bekommen. Konkrete Geldbeträge werden allerdings erst Ende des Jahres feststehen.

Basis der künftigen Forschungsfinanzierung soll ein FTI (Forschung, Technologie und Innovation)-Pakt sein. Dieser geht ebenfalls über einen Dreijahreszeitraum und soll „unter Berücksichtigung einer langfristigen, wachstumsorientierten Finanzierung“ erstellt werden. Darin festgelegt werden etwa neben den zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem Bundesfinanzrahmengesetz strategische Schwerpunkte der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen mit den einzelnen Institutionen.

Telekommunikationsgesetz-Novelle angenommen

Auf Basis des Pakts sollen ab 2021 die einzelnen Dreijahresverträge mit den Institutionen geschlossen werden. Welche das sind, ist bereits im Gesetz festgelegt – als Forschungseinrichtungen genannt werden das Austrian Institute of Technology (AIT), das Institute of Science and Technology (IST) Austria, die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Silicon Austria Labs (SAL) und die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG), als Förderagenturen die Austria Wirtschaftsservice (AWS), die Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG), der Wissenschaftsfonds (FWF), der Österreichische Austauschdienst (OeAD) und die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Sogar einstimmig angenommen wurde eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes. In einem kommenden Vergabeverfahren für Funkfrequenzen soll die Stundung und Ratenzahlung des Versteigerungsergebnisses ermöglicht werden. Damit soll für die Bieter zusätzliche Liquidität trotz der Verpflichtung zur Leistung des Frequenznutzungsentgelts gesichert und ihre Investitionskraft gestärkt werden. Wirksam werden kann das bereits bei der von Frühling auf August verlegten Versteigerung der 5G-Frequenzen.

Grundlage für neuen Hochschultyp

Zudem wurde die gesetzliche Grundlage für einen neuen Hochschultyp geschaffen, die sogenannten Privathochschulen. Auch für das Studieren im Vereinigten Königreich wurde Vorsorge getroffen. Ein weiterer Beschluss bringt die Möglichkeit, befristete Anstellungsverhältnisse an Hochschulen coronavirusbedingt einmal zu verlängern.

Die Privathochschulen treten neben die schon etablierten Privatuniversitäten, brauchen im Gegensatz zu diesen aber kein entsprechendes Doktoratsprogramm anzubieten, so die mit Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS angenommene Regelung. Notwendig ist ein Mindeststudienangebot von zwei dreijährigen Studien sowie zwei weiterführenden, zweijährigen Masterstudiengängen.

Änderungen gibt es auch an den Fachhochschulen. Unter anderem wird es künftig erlaubt sein, dass Unternehmen eine bestimmte Zahl an Studienplätzen an FHs finanzieren, um ihren Mitarbeitern dort Plätze zu reservieren. Studenten erhalten das Recht auf einmalige Wiederholung eines Studienjahrs, bisher lag das im Ermessen der FH. An den Pädagogischen Hochschulen büßen wiederum die Hochschulräte, eine Art Aufsichtsgremien, Kompetenzen ein und bekommen Unvereinbarkeitsregeln.