Womöglich HIV-Heilung ohne Stammzellentransplantation

In Brasilien ist womöglich erstmals ein HIV-positiver Mensch ohne Knochenmarktransplantation geheilt worden. Sein Patient weise seit über einem Jahr keine HIV-Antikörper mehr auf und könne daher als geheilt betrachtet werden, sagte Ricardo Diaz, Experte für Infektionskrankheiten an der Universität von Sao Paulo heut der Nachrichtenagentur AFP. Der 34-jährige Brasilianer wäre der dritte Mensch, der jemals von HIV geheilt wurde.

Diaz zufolge war bei dem Mann 2012 HIV diagnostiziert worden. Im Rahmen einer Studie wurden ihm mehrere starke antivirale Medikamente verabreicht, darunter Maraviroc und Dolutegravir. Die Behandlung sei vor gut 57 Wochen eingestellt worden, aber der Mann weise weiterhin keine HIV-Antikörper auf. „Wir können das Virus nicht nachweisen, und er verliert die spezifische Reaktion auf das Virus“, sagte der Mediziner.

Bisher gelten zwei Männer – bekannt als der „Berliner“ und der „Londoner Patient“ – als von der Krankheit geheilt. Beide hatten sich einer risikoreichen Stammzellentransplantation unterzogen.

Mediziner: Ethisch vertretbarer

Diaz sagte, seine Behandlungsmethode bedürfe zwar noch weiterer Forschung, sei aber bei schwer kranken HIV-Patienten ethisch vertretbarer als der Weg über eine Knochenmarktransplantation. Denn diese sei „mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden“.

Die Ergebnisse des brasilianischen Forschers wurden im Rahmen der Internationalen Aids-Konferenz veröffentlicht, die dieses Jahr aufgrund der Coronavirus-Pandemie ausschließlich online abgehalten wurde. Die international anerkannte HIV-Expertin Sharon Lewin vom australischen Doherty Institute bezeichnete den Fall aus Brasilien als „sehr interessant“, mahnte jedoch zur Vorsicht, da die Studie nur begrenzt aussagekräftig sei.

Sie merkte an, dass der Antikörpertest der brasilianischen Patienten mit der Zeit schwächer ausgefallen sei, was auf eine nachlassende Immunreaktion schließen lasse. „Das ist sehr ungewöhnlich, wenn jemand keine antiviralen Medikamente einnimmt“, sagte sie. „Diese sehr provokanten Daten müssen tiefergehend untersucht werden.“