Der amerikanische Rapper Kanye West.
AP/Michael Wyke
Kanye West

Kandidatur zwischen PR, Trump und Gott

Der milliardenschwere Rapper Kanye West hat am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, bekanntgegeben, für die US-Wahl 2020 kandidieren zu wollen. Die Reaktionen darauf fielen wertschätzend bis belächelnd aus. Bei realistischer Betrachtung der Idee stellt sich aber vor allem eine Frage: Was muss West tun, um Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden?

Zunächst einmal: Er muss es in 50 Bundesstaaten plus dem District of Columbia auf den Wahlzettel schaffen. Dafür bleiben dem Musiker, der auch Modedesigner ist und hobbymäßig christliche Predigten hält, nicht einmal mehr vier Monate. Bis zum Wahltag am 3. November wären noch einige Hürden zu nehmen.

Doch auch wenn sich Wests Plan wie eine surreale Episode von „Keeping Up With The Kardashians“, der Reality-Soap seiner Ehefrau Kim Kardashian, anhört, ist seine Absicht offenbar ernst gemeint. Einen Namen hat seine Partei jedenfalls schon: Birthday Party, Geburtstagspartei also. Der Name ist im Englischen ein Wortspiel, da „Party“ auf Englisch sowohl Partei als auch Feier bedeuten kann. West dazu: „Weil wenn wir gewinnen, dann hat jeder Geburtstag.“

Zu einer richtigen Kampagne gehört freilich auch noch ein Wahlkampfslogan. Dieser lautet dem Magazin „Forbes“ zufolge schlicht „Yes!“. Darüber hinaus dürfte das Wahlprogramm sehr viel mit Gott zu tun haben. So wolle der Rapper „Gottes Staat, Gottes Land, die Gottesfurcht und die Liebe Gottes“ wiederherstellen. In sämtlichen offenen Fragen wolle er ebenfalls noch Gott kontaktieren, so West zu „Forbes“ am Mittwoch.

„Trete als unabhängiger Kandidat an“

Doch konkrete Schritte in Richtung einer Kandidatur setzte West, der eigenen Angaben zufolge noch nie zuvor gewählt hat, bisher keine. Hierzu müsste er zuallererst viele Formulare ausfüllen, die offiziell eine Kandidatur erklären, was laut US-amerikanischer Medien noch nicht passiert ist. West konterte allerdings, er sei gerade dabei, die letzten Schritte zu organisieren. „Ich spreche mit Experten. Ich werde mit Jared Kushner (Chefberater und Trumps Schwiegersohn, Anm.), dem Weißen Haus, mit (dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe) Biden sprechen“, sagte West zu „Forbes“.

West, der bis vor Kurzem noch offen den republikanischen US-Präsidenten Donald Trump unterstützt hatte, erklärte dem Magazin gegenüber außerdem, dass er das ab sofort nicht mehr tun werde. „Ich würde für die Republikaner antreten, wenn Trump nicht hier wäre. Weil Trump aber hier ist, trete ich als unabhängiger Kandidat an“, so der Musiker.

Fristen und Einreichungen

Dafür müsste die Geburtstagspartei aber Registrierungsfristen einhalten, von denen viele in einigen Staaten schon abgelaufen sind, darunter in Indiana, Maine, New Mexico, Texas und dem wichtigen Swing State North Carolina. Obwohl die Fristen für die verbleibenden Staaten noch nicht abgelaufen sind, ist der Weg dennoch kompliziert und vor allem von Staat zu Staat unterschiedlich. In Colorado zum Beispiel mussten laut Ballotpedia alle potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten entweder bis zum 9. Juli 5.000 Unterschriften sammeln oder bis zum 5. August 1.000 Dollar zahlen.

Kanye West zu Gast bei Donald Trump im weißen Haus.
APA/AFP/Sebastian Smith
West war vor Kurzem noch Unterstützer von Trump

Währenddessen müssen Kandidatinnen und Kandidaten in Arizona eine Anzahl von Unterschriften mitbringen, die drei Prozent aller registrierten Wählerinnen und Wählern des Staates entspricht. In Michigan benötigen sie mindestens 30.000 Unterschriften, wobei wenigstens 100 davon aus zumindest der Hälfte der Kongresswahlbezirke des Bundesstaates kommen müssen.

„Gott hat mir Klarheit gegeben“

Ein weiteres mögliches Hindernis ist die Einreichung bei der Bundeswahlkommission (FEC). West hat sich öffentlichen Aufzeichnungen zufolge bisher nicht als Kandidat registriert. Die einzige Liste, die mit seinem Namen in Verbindung steht, ist jene aus 2015. Damals gab er nämlich schon einmal seine Absicht bekannt, 2020 kandidieren zu wollen, während er eine Auszeichnung bei den MTV Video Music Awards erhielt. Warum er es dieses Mal ernst meine? „Gott hat mir Klarheit gegeben und gesagt, es sei Zeit“, so West zu „Forbes“.

Für den Rapper gibt es überdies noch die Option der Vorzugsstimmen. In den USA kann eine Person auf den Wahlzettel geschrieben werden, auch wenn sie nicht offiziell zur Wahl steht. Ob diese Stimmen am Wahltag jedoch tatsächlich zählen, ist in US-amerikanischen Medien zum jetzigen Zeitpunkt umstritten. Einem Bericht der „Washington Post“ („WP“) aus 2016 zufolge müssen in 32 Bundesstaaten auch jene Kandidatinnen und Kandidaten, die auf die Vorzugsstimmen setzen, vor dem Wahltag Formulare einreichen.

Mit Predigerin, Ehefrau und Tesla-Gründer

Außerdem müsste West auch Personal einstellen und Freiwillige rekrutieren, um schnell viele Zehntausende Unterschriften im ganzen Land zu sammeln – eine Aufgabe, die durch die Coronavirus-Pandemie erschwert wird. Doch zumindest seine Kandidatin für die Vizepräsidentschaft hat West schon bekanntgegeben: Michelle Tidball, eine Predigerin aus dem US-Bundesstaat Wyoming, die sich selbst als „biblische Lebenslehrerin“ bezeichnet.

Kim Kardashian
Reuters/Mario Anzuoni
West will auch Ehefrau Kardashian in seine Kandidatur involvieren

Auch SpaceX- und Tesla-Erfinder Elon Musk wurde bereits als Unterstützer genannt. „Ich habe ihm vorgeschlagen, die Leitung unseres Raumfahrtprogramms zu übernehmen“, wird der Rapper von „Forbes“ zitiert. Dem Magazin zufolge soll auch Wests Ehefrau Kim Kardashian eine Rolle im Wahlkampfteam spielen. „Wir sprechen seit Jahren darüber“, so West.

Millionen aus Coronavirus-Hilfsfonds für Label

Kritikerinnen und Kritiker vermuten einen PR-Stunt und behaupten, West würde nur versuchen, sein neues Album zu bewerben. Zudem schloss der Rapper und Designer mit seinem Label Yeezy LLC erst letzte Woche einen Zehnjahresvertrag mit dem Modegeschäft Gap ab. Nebenbei pikant ist überdies, dass Yeezy LLC zwei bis fünf Millionen US-Dollar (1,8 bis 4,4 Mio. Euro) aus dem Coronavirus-Hilfsfonds der USA erhalten haben soll, wie der „Guardian“ am Dienstag berichtete. Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten stehen in den USA in der Coronavirus-Krise Kredite zur Verfügung. West leitet die in Kalifornien ansässige Yeezy LLC, die 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt und im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,5 Mrd. Dollar verzeichnet hatte.

Kritik an West wurde vor allem von demokratischer Seite laut, da er Joe Biden, dem potenziellen Kandidaten der Demokraten, die Stimmen der afroamerikanischen US-Bürgerinnen und -Bürger abschöpfen könnte und somit indirekt Trump stärken würde. Auf diese Vorwürfe hin schoss West prompt zurück: „Zu sagen, eine schwarze Stimme sei automatisch demokratisch, ist eine Form von Rassismus und weißer Vorherrschaft.“

„Lasst uns sehen, ob die Berufung 2020 oder 2024 erfolgt“

Selbst mit einer ernsthaften Kampagne würde West wahrscheinlich sowohl Trump als auch Biden bloß wenige Stimmen entziehen können, so die Einschätzung von Larry Sabato, Direktor des Zentrums für Politik an der Universität von Virginia. „Es gibt eine Möglichkeit, als Außenseiter zu kandidieren, aber es ist hart und teuer, und ich glaube, dass West oder irgendjemand anderer die Gelegenheit verpasst hat, einen bedeutenden Einfluss zu nehmen“, sagte auch Nathan Gonzales, Herausgeber von „Inside Elections“, einer US-Wahlanalyseplattform.

Trump kommentierte die Ankündigung Wests indes als „sehr interessant“. Der Rapper habe eine „echte Stimme“. Als Rivalen scheint er den Musiker allerdings nicht zu fürchten: „Sollte er (für 2020) kandidieren, müsste er das als Testlauf dafür sehen, was in vier Jahren (bis zur nächsten Präsidentenwahl) passiert“, sagte Trump dem Nachrichtenportal RealClearPolitics. Wenn also nicht 2020, dann vielleicht 2024. So verkündete der Rapper auch selbst gegenüber „Forbes“: „Lasst uns sehen, ob die Berufung 2020 oder 2024 erfolgt – denn Gott bestimmt den Präsidenten. Wenn ich im Jahr 2020 gewinne, dann war es die Berufung durch Gott. Wenn ich 2024 gewinne, dann war es die Berufung durch Gott.“