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Reuters/Dado Ruvic
Hassrede und Spaltung

Bericht nimmt Facebook in die Mangel

Facebook gerät in der Debatte über Hassrede und spaltende Rhetorik immer weiter in die Defensive. Nach dem Werbeboykott vieler großer Firmen musste das Unternehmen am Mittwoch den nächsten Schlag einstecken. Ein von Facebook in Auftrag gegebener interner Bericht von Bürgerrechtlern wurde publik, der dem Unternehmen schwere Mängel beim Umgang mit Hassrede attestierte.

Der Bericht basiert auf einer zweijährigen Beobachtung von Facebook. Die Autorinnen und Autoren lobten einige Maßnahmen, kritisierten aber auch „ärgerliche und herzzerreißende“ Entscheidungen, die erhebliche Rückschritte für die Bürgerrechte bedeuten würden. Der Bericht bemängelt, dass trotz jahrelanger Kritik immer noch gefährliche und spalterische Rhetorik auf Facebook möglich sei.

Das Unternehmen habe nicht genug getan, um Nutzer und Nutzerinnen vor Diskriminierung, Unwahrheiten und Anstachelung zur Gewalt zu schützen. Zudem setze es Maßnahmen nur punktuell, heißt es. Der Bericht kritisierte, dass Facebooks Priorisierung von freier Meinungsäußerung in gewissen Fällen Diskriminierung begünstige und andere Bemühungen Facebooks ad absurdum führe. Dass das Unternehmen bei Politikerinnen und Politikern Faktencheck-Methoden nur lax anwende, wurde besonders kritisiert.

Kritik an Ausnahmen für Trump

Besonders kritisch beurteilen die Prüfer und Prüferinnen den Umgang mit umstrittenen Beiträgen von US-Präsident Donald Trump, die etwa aufgrund von Gewalt- oder Hassrede oder falschen Angaben zu Wahlen klar gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook verstoßen hätten. Anders als der Kurznachrichtendienst Twitter hatte Facebook die Beiträge nicht entfernt.

Facebook-CEO Mark Zuckerberg
Reuters/Andreas Gebert
Mark Zuckerberg und sein Soziales Netzwerk stehen aktuell wieder verstärkt in der Kritik

Die Autoren urteilten, damit werde ein „schlimmer Präzedenzfall“ geschaffen, „der andere Politiker und Nichtpolitiker veranlassen könnte, falsche Informationen über legale Abstimmungsverfahren zu verbreiten“. Das könne letztlich dazu führen, dass die „Plattform als Waffe zur Unterdrückung von Wahlen“ missbraucht werde. Die Autorinnen und Autoren sahen eine Weigerung Facebooks, dagegen vorzugehen.

„Keine schnellen Lösungen“

Den nun präsentierten Bericht kommentierte die für das Tagesgeschäft zuständige Managerin Sheryl Sandberg mit den Worten, für die darin diskutierten Probleme könne es „keine raschen Lösungen“ geben. Man werde nicht jeden Vorschlag, aber zumindest Teile umsetzen. Konzernchef Mark Zuckerberg hatte wiederholt erklärt, es sei nicht Facebooks Aufgabe, etwa den Wahrheitsgehalt politischer Werbeanzeigen zu prüfen.

Das Unternehmen kündigte die Schaffung eines „Aufsichtsgremiums“ an, dass unabhängig über die Entscheidung Facebooks zu Inhalten wachen und das Unternehmen überstimmen kann. Dieses teilte allerdings mit, es werde nicht vor dem Spätherbst starten – also womöglich noch nach der nächsten US-Wahl.

Facebook habe die interne Beobachtung im Mai 2018 beantragt, nachdem Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Zuge des Datenskandals rund um Cambridge Analytica vom US-Kongress befragt wurde, so die BBC. Die zweijährige Beobachtung hinterlasse nun viele Aktivisten „enttäuscht, frustriert und wütend“.

Aktivisten von Treffen enttäuscht

Die anhaltende Kritik am Unternehmen hat vor dem Hintergrund der „Black Lives Matter“-Proteste zu einem Werbeboykott geführt. Auf Initiative von Bürgerrechtsgruppen wollen zahlreiche Firmen für einen Monat keine Anzeigen mehr beim weltgrößten Spozialen Netzwerk schalten. Angeschlossen haben sich Konzerne wie Volkswagen, Henkel, Starbucks und Coca-Cola. Nach einer Videoschaltung mit Zuckerberg und Sandberg äußerten sich Aktivisten zuletzt unzufrieden: Das Unternehmen habe keine konkreten Schritte zugesagt.

Bei dem Treffen habe die Konzernspitze die Aktivisten nicht davon überzeugen können, „dass sie zu Taten schreiten“, sagte Jessica Gonzalez von der Gruppe Free Press, einer der Mitgliedsorganisationen der Kampagne. Der Boykott solle ausgeweitet werden, kündigte sie an. Rashad Robinson von der Gruppe Color of Change nannte das Treffen „eine Enttäuschung“.

Facebook sperrt Konten rund um Bolsonaro und Trump

Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Berichts gab Facebook bekannt, dass man gegen Mitarbeiter des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und gegen einen früheren Berater von US-Präsident Donald Trump vorgegangen sei. Das Netzwerk teilte mit, ein Desinformationsnetzwerk von brasilianischen Konten gesperrt zu haben, die spalterische politische Botschaften verbreitet hätten. Die Konten werden Personen zugeordnet, die für Bolsonaro sowie dessen Söhne Eduardo und Flavio gearbeitet haben sollen. Es gehe um mehr als 80 Konten auf Facebook und Instagram.

Außerdem gab Facebook bekannt, 50 persönliche und geschäftliche Seiten gelöscht zu haben, die mit dem langjährigen Trump-Berater Roger Stone in Verbindung gebracht werden. Stone und seine Partner hätten gefälschte Konten und Follower genutzt, um Stones Bücher und Beiträge anzupreisen. Trumps ehemaliger Wahlkampfberater wurde in Zusammenhang mit der Russland-Affäre nach der Präsidentenwahl 2016 wegen Falschaussage vor dem Kongress und Zeugenmanipulation zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er soll kommende Woche antreten. Facebooks Cybersicherheit-Chef Nathaniel Gleicher sagte, die Löschungen zeigten, dass Praktiken wie im Falle Stones nicht geduldet würden.