Lady Gaga
APA/AFP/Getty Images/Theo Wargo
Der Krise zum Trotz

Pop wird heiterer und schneller

Stars wie Dua Lipa, Doja Cat oder Lady Gaga machen Tempo: Laut einer BBC-Auswertung ist die Popmusik aktuell so schnell wie seit Jahren nicht mehr. Und auch Heiterkeit zieht wieder. Das könnte mit der außergewöhnlichen Gesamtsituation zusammenhängen.

Laut der BBC-Auswertung warten die britischen Top-20-Hits des laufenden Jahres mit 122 Beats pro Minute auf. Die Geschwindigkeit von Popsongs ist damit seit einem Tief im Jahr 2017 kontinuierlich gestiegen und mittlerweile auf dem höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren. 2017, das Jahr von „Despacito“, Ed Sheeran und einer starken Hip-Hop-Dominanz, war musikalisch aber nicht nur das langsamste, sondern auch das positivste Jahr der Dekade, wie die unter anderem auf Spotify-Metadaten basierende Analyse zeigte.

In den letzten Jahren konnte Popmusik dann mitunter zunehmend eine melancholische Angelegenheit sein. Künstlerinnen und Künstler wie Billie Eilish, Lorde oder Mark Ronson hielten zwar in Sachen Beats pro Minute das Tempo hoch, widmeten sich aber gleichzeitig Themen wie Depression, Einsamkeit und Verlust. Viele riefen das Zeitalter des „Sad Bangers“ aus – also des Hits, der sowohl tieftraurig als auch tanzbar ist.

Grafik zeigt die verschiedenen Tempi der Top-20-Songs in den letzten zehn Jahren
Grafik: ORF.at; Quelle: Offizielle Charts/Spotify/BBC

Dieser langfristige Trend wird laut BBC auch durch eine Untersuchung der Mathematikerin Natalia Komarova untermauert. Ihr Team analysierte 500.000 Popsongs zwischen 1985 und 2015 und stellte dabei fest, dass diese nicht nur an Fröhlichkeit und Euphorie verloren haben, sondern auch Trauer als Thema an Bedeutung gewann. Zudem ließ sich feststellen, dass die Themen von Pop immer egozentrischer werden – die Verwendung des Wortes „Ich“ gegenüber „Wir“ stieg stark, ebenso als antisozial klassifizierte Themen wie „hassen“ oder „töten“. Gleichzeitig wurden Hits immer schneller und partytauglicher, so die Studie.

Dua Lipa
Reuters/Mario Anzuoni
Dua Lipa hat mit Tempo, Disco-Anleihen und Tanzbarem Erfolg

Eskapismus ist Trumpf

Aktuell ist das Weltgeschehen offenbar auch ohne herunterziehenden Soundtrack herausfordernd genug – und vielleicht gefällt auch deswegen explizit heitere Musik wieder besser. Lockere Sommerpop-Titel wie „Watermelon Sugar“ von Harry Styles, die Disco-Anleihen von Doja Cat und Dua Lipa oder doch öfters positive K-Pop-Nummern wurden zwar nicht für die Krise produziert, sie scheinen aber ein willkommener Eskapismus von CoV und Co. zu sein. Gleichzeitig liefert die Musik Partystimmung in Zeiten, in denen die Clubs geschlossen haben, so die „Washington Post“ zum neuen Album von Lady Gaga.

Dass Musik grundsätzlich eine Entlastungsfunktion in Krisenzeiten annimmt, lässt sich seit jeher beobachten, so der australische Musikwissenschaftler Tim McKenry gegenüber dem Sender ABC. In außergewöhnlichen Zeiten sei Musik „eine Quelle der Katharsis, etwas, das uns dabei helfen kann, unsere Emotionen zu verarbeiten“.

Der Geschmack kann sich dabei auch adaptieren, glaubt Produzent Bonnie McKee in einem „Rolling Stone“-Interview zum langsamen Musiktempo von 2017. Während die Finanzkrise von 2008 zu „viel mehr Uptempo-Musik“ geführt habe, habe die eher stetige moralische und soziale Krise der vergangenen Jahre den Bedarf nach intimer, langsamer, dunkler Musik verstärkt. Nun, so die BBC, habe sich dieser Trend wieder umgekehrt. Wie sehr Covid-19 den Geschmack, aber auch das Songwriting an sich verändert, wird sich aber erst weisen.