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Reuters/Lisi Niesner
„Presse“

Ex-Wirecard-Vorstand war FPÖ-Informant

Laut einem Bericht der „Presse“ soll der untergetauchte ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek geheimer Informant der FPÖ gewesen sein. So soll er über einen Mittelsmann vertrauliche Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und dem Innenministerium an die FPÖ weitergegeben haben, so die „Presse“ am Donnerstag. Die FPÖ dementiert vehement.

Der deutsche Finanzdienstleister Wirecard hatte im Juni eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro auf asiatischen Treuhandkonten verbuchte Firmengelder sehr wahrscheinlich nicht existieren – und hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. Eine Schlüsselfigur ist neben Ex-Vorstandschef Markus Braun der früher im Wirecard-Vorstand für das Tagesgeschäft zuständige Manager Marsalek. Der wie Braun aus Österreich stammende Manager ist derzeit untergetaucht. Ermittelt wird nun gegen Braun, Marsalek und andere wegen Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation.

Zukünftig dürften das wohl aber nicht die einzigen Ermittlungen sein, die sich gegen Marsalek richten. Im Zuge der Untersuchungen zur „Ibiza-Affäre“ seien der „Presse“ zufolge Chats zwischen Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und seinem Informanten Florian S. gefunden worden. S. habe Gudenus „heikle Informationen“ sowohl aus dem Innenministerium als auch aus dem Amt für Verfassungsschutz zukommen lassen. S. soll seine Informationen wiederum von Marsalek erhalten haben. „Ein Mann, der auch gerne mit seinen internationalen Geheimdienstkontakten prahlte“, so die Presse.

Johann Gudenus
ORF.at/Lukas Krummholz
Gudenus soll laut „Presse“ Kontakt mit dem Mittelsmann gehabt haben

Gudenus: „Keine Gegenleistungen“

Laut Angaben aus dem Innenministerium und dem BVT soll Marsalek zwar nicht offiziell als Informant gearbeitet haben, der „Presse“ zufolge müsse er jedoch Quellen im BVT und im Innenministerium gehabt haben. Den Vorwürfen werde nun im Zuge der BVT-Ermittlungen nachgegangen.

„Tatsache ist jedenfalls“, so die „Presse“, „dass Marsaleks Informationen das Misstrauen der FPÖ gegen die ÖVP schürten. Tatsache ist auch, dass dieses Misstrauen zu der engen Kooperation von Ex-FPÖ-Innenminister Herbert Kickls Kabinett mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und schließlich zur Hausdurchsuchung im BVT inklusive internationalem Skandal geführt hat.“

Als Gegenleistung soll Marsalek von Gudenus etwa um einen Termin mit OMV-Chef Rainer Seele gebeten haben. Tatsächlich habe es aber keine Gegenleistungen gegeben, so Gudenus gegenüber der „Presse“, und als Politiker Informationen aus verschiedensten Bereichen zu erhalten sei „das Normalste der Welt“.

Mittelsmann mit Verbindungen zu Russland

Auch der Mittelsmann S. scheint einige interessante biografische Details aufzuweisen. So ist er wie auf der Website ersichtlich nicht nur der Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG), sondern soll laut dem „Presse“-Bericht auch eine Firma mit Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser (Russia GmbH) gehabt haben.

Die „Presse“ schreibt: „Längst gilt er als Türöffner für die FPÖ nach Russland. Und umgekehrt vernetzt er Russen mit heimischen Politikern.“ In den Chats mit Gudenus sei über russische Geschäftsinteressen geschrieben worden, auch der Name des Mannes von Ex-Außenministerin Karin Kneissl sei von S. als Kontakt genannt worden. Ein Thema sei etwa auch der Verkauf des burgenländischen Mineralwasserabfüllers Güssinger gewesen.

„Munition besorgen, damit ÖVP in Koalition bleibt“

Im März 2018 soll S. weitere Informationen aus dem Innenministerium an Gudenus folgendermaßen kommentiert haben: Man müsse bis Ende des Jahres „Munition für die FPÖ besorgen, damit die ÖVP in der Koalition bleibt“.

Laut „Presse“ waren viele dieser Insiderinformationen allerdings „nachweislich falsch“. Und weiter: „Viele Details sind nun Inhalt neuer Ermittlungen. Ermittlungen, die mittlerweile drei Riesenskandale umfassen oder zumindest streifen. Den Ibiza-Skandal, die BVT-Affäre und die Wirecard-Milliardenpleite.“ Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

FPÖ: „Spekulative Interpretation von Akten“

Die FPÖ dementierte gegenüber ORF.at die Vorwürfe. Aus den der „Presse“ offenbar vorliegenden Akten gehe in keiner Weise hervor, dass die über Umwege übermittelten Informationen von Gudenus an FPÖ-Mitglieder weitergegeben worden wären, so Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss.

„Wenn Herr Marsalek diese Informationen, sofern sie überhaupt stimmen, im Wege des Amtsmissbrauchs erhalten hat, dann ist dem nachzugehen. Jedenfalls war er aber kein FPÖ-Informant, und insbesondere ist der behauptete Bezug zur Causa BVT nicht einmal ansatzweise erkennbar“, sagte Hafenecker. Bei dem gesamten Bericht handle es sich um eine „durch und durch spekulative Interpretation“ von U-Ausschuss-Akten, gegen die sich die FPÖ verwehre.

FPÖ-Obmann Norbert Hofer sagte in der „ZIB2“, er kenne Marsalek nicht. Ein Mitarbeiter des früheren Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) habe ihm versichert, dass es auch dort keinen Kontakt mit dem Mann gegeben habe. Kickl selbst habe er nicht befragen können, so Hofer.