Plansee in Tirol
Getty Images/EyeEm/Alexander Wild
Not als Tugend

Österreich-Urlaub mit grünem Nebeneffekt

Bad Aussee statt Buenos Aires, Sankt Gilgen statt St. Tropez und Copa Beach statt Copacabana – die Coronavirus-Krise hat sich auch stark auf die Urlaubsplanung ausgewirkt. Denn obwohl vielerorts die Grenzen wieder offen sind, entscheidet sich laut einer aktuellen Umfrage ein Großteil aller Österreicher und Österreicherinnen für einen Heimaturlaub. Nicht zuletzt dürfte dabei wohl auch ein gestiegenes Klimabewusstsein eine Rolle spielen.

65 Prozent der Befragten planten heuer ursprünglich eine Reise ins Ausland. Nur rund ein Viertel wollte in Österreich Urlaub machen, so das Ergebnis der Onlineumfrage „Reisen nach Corona“ des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Doch dann kam die Coronavirus-Pandemie und machte vielen einen Strich durch die Rechnung. Nun weiche beinahe die Hälfte aller Befragten auf eine alternativ mögliche Destination wie zum Beispiel Österreich aus. 20 Prozent gaben an, den Urlaub zu verschieben, 23 Prozent wollen den Urlaub zu Hause verbringen, 6 Prozent ganz auf ihn verzichten.

In der Umfrage spiegelt sich auch wider, dass ein immer wichtiger werdender Faktor bei der Wahl des Reiseziels Nachhaltigkeit ist: So lassen sich unter den ersten vier Plätzen gleich drei nachhaltigkeitsrelevante Merkmale finden: An erster Stelle steht „intakte natürliche Gegebenheiten, wie Naturlandschaften oder Nationalparks“, gefolgt von „Ruhe“ und „die Destination positioniert sich selbst als nachhaltig“. In Auftrag gegeben wurde die Umfrage vom Umweltministerium, um herauszufinden, wie der Urlaub in Österreich umweltfreundlicher gestaltet werden könne, heißt es gegenüber ORF.at.

Der Vordere Gosausee
ORF.at/Roland Winkler
Urlaub im „Land der Berge“ ist nun für rund die Hälfte aller Österreicher und Österreicherinnen eine Option

„Stärkeres Bewusstsein“ für Nachhaltigkeit im Tourismus

War im „Nachhaltigkeit im Tourismus“-Report 2013 noch zu lesen, dass Nachhaltigkeit kein zentrales Motiv der Reiseentscheidung ist, scheint sich das sieben Jahre später, zumindest ein Stück weit, geändert zu haben: „Es gibt mittlerweile ein stärkeres Bewusstsein zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus – sowohl in der Reisebranche als auch bei den Reisenden selbst“, so Otto Fichtl, Verantwortlicher der VKI-Studie und Projektleiter beim Umweltzeichen für Tourismus, gegenüber ORF.at.

Das Interesse der Anbieter sei gestiegen, das ließe sich auch in deren Angeboten erkennen. Ebenso seien seitens der Reisenden Nachhaltigkeitsthemen bedeutend geworden, „auch, wenn sie noch nicht dezidiert danach suchen“, so Fichtl. Die Umfrage zeige etwa, dass Regionalität, ob bei der Unterkunft oder bei der Verpflegung, sehr geschätzt werde.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Grafik zur Urlaubsumfrage
Grafik: ORF.at; Quelle: VKI
Grafik zur Urlaubsumfrage
Grafik: ORF.at; Quelle: VKI
Grafik zur Urlaubsumfrage
Grafik: ORF.at; Quelle: VKI
Grafik zur Urlaubsumfrage
Grafik: ORF.at; Quelle: VKI
Grafik zur Urlaubsumfrage
Grafik: ORF.at; Quelle: VKI
Grafik zur Urlaubsumfrage
Grafik: ORF.at; Quelle: VKI

„Vom Massen- zum Nulltourismus“

Oftmals wurde in der Umfrage auch „kein Massentourismus“ als Kriterium bei der Auswahl des Urlaubsziels genannt. Eine Rolle dabei dürften wohl auch die Bilder der vergangenen Jahre aus überfüllten Urlaubshotspots wie Venedig, Barcelona oder Dubrovnik sein. Doch hat der Massentourismus wirklich ausgedient, oder wird der Ökotourismus zum neuen Massentourismus?

Gerade die Pandemie habe gezeigt, wie schnell es vom Massen- zum Nulltourismus kommen kann, so Fichtl, der von einem „Umdenken“ in der Branche spricht. Er hoffe, dass auch in Zukunft Qualität und Nachhaltigkeit beim Reisen stärker berücksichtigt würden – ein Ende des Massentourismus sieht er aber nicht, einfach weil „sehr viele Leute reisen möchten und wahrscheinlich auch wieder reisen werden“.

Grüner Heimaturlaub als Phänomen 2020

Dass jedoch Ökotourismus zum neuen Massentourismus werde, glaubt Fichtl nicht. „Das würde sich ad absurdum führen“, so der Experte. Selbst wenn der Tourismus allgemein grüner werde, werde die Masse nicht auf grünen Tourismus setzen. Skeptisch zeigt sich Fichtl auch, was den Trend des Urlaubs in Österreich betrifft. Durch die Pandemie und die entsprechende Bewerbung sei natürlich ein Trend ausgelöst worden – „gerade, weil Auslandsreisen nach wie vor ein bisschen mit Unsicherheit verbunden sind, findet das jetzt statt.“

Ob es ein längerfristiger Trend bleibt, wage er jedoch zu bezweifeln. Aktuelle Zahlen scheinen ihm recht zu geben. Laut Statistik Austria bevorzugen Österreicher und Österreicherinnen Auslandsdestinationen. So waren im Jahr 2018 über 68 Prozent der Haupturlaubsreisen Aufenthalte im Ausland. Und: Für rund ein Viertel der in der Umfrage Befragten stellt das „Kennenlernen fremder Länder und Kulturen“ das wichtigste Urlaubsmotiv dar. Ob das in Bad Aussee, Sankt Gilgen und am Copa Beach möglich ist, erscheint eher fraglich.

Touristen am Markusplatz
Reuters/Manuel Silvestri
Bilder wie diese wirken in Zeiten von Social Distancing irritierend – an Massentourismus ist, zumindest derzeit, nicht zu denken

Frage der Kostenwahrheit

Nachhaltigkeit hat jedoch nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Komponente. Viele Österreicher und Österreicherinnen werden sich heuer ohnehin keinen Urlaub leisten können, etwa weil sie aufgrund der Pandemie ihren Job verloren haben. Dazu kommt, dass eine Pauschalreise ins Ausland oftmals sogar günstiger ist als Urlaub in Österreich. Ein nachhaltiger Urlaub müsse allerdings nicht zwingend teurer sein, so Fichtl.

Billigreisen werfen für ihn indes die Frage der Kostenwahrheit auf: „Wenn ein Flugticket in ein viel weiter entferntes Ziel günstiger ist als ein Bahnticket innerhalb Österreichs, dann stimmt irgendwas nicht ganz.“ Hierbei müsse man sich immer selbst fragen, wer da „draufzahlt“. Möglicherweise sei dann etwa die Entlohnung der Mitarbeiter vor Ort eine andere als in Österreich. Und die scheint für Österreicher und Österreicherinnen wichtig zu sein. Immerhin wurden laut Umfrage „zufriedene und freundliche Mitarbeiter“ bei der Sparte Unterkunft an zweite Stelle gereiht.

Österreich-Werbung
ÖW/Peter Burgstaller
Durch die starke Bewerbung wie auch durch die Pandemie sei ein Trend zum Heimaturlaub ausgelöst worden, so der Experte

Mobilität als ausschlaggebender Faktor

Doch was macht eine Tourismusregion überhaupt nachhaltig? Ein Beispiel dafür seien zertifizierte Unterkünfte, so Fichtl. Das Umweltzeichen etwa klassifiziert umweltfreundlich wirtschaftende Tourismusbetriebe. Fichtl rät Touristen und Touristinnen zudem, beim Reisen auf Regionalität zu achten und „vielleicht auf kleinere, regional geführte Unterkünfte zu setzen, damit die Wertschöpfung auch in der Region bleibt“. Gleiches gelte bei der Verpflegung – auch hier könne man regionale Gerichte und Produkte forcieren.

Neben einem Angebot an sanften Freizeitmöglichkeiten wie Wandern, Schwimmen oder Radfahren spiele bei grünem Tourismus vor allem aber auch Mobilität eine ausschlaggebende Rolle. Gerade was die Erreichbarkeit einzelner Regionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln betreffe, gebe es allerdings „noch viel Luft nach oben“.

Ähnlich verhält es sich mit der Ticketbeschaffung: „Wenn ich eine Bahnreise buchen möchte, in ein Land, das weiter entfernt ist, wird es schon sehr kompliziert. Im Gegensatz kann ich ein ‚Around-The-World‘-Ticket mit wenigen Klicks haben.“ Es müsse leichter werden, kombinierte Tickets zu buchen, „idealerweise von Tür zu Tür“, sagt Fichtl. Das würde wiederum dann auch zu Erholung und Entspannung beitragen – dem wichtigsten Urlaubsmotiv der Österreicher und Österreicherinnen.

Untersberg
ORF.at/Christian Öser
Für viele gipfelt der Sommerurlaub heuer wohl auf dem Berg

„Tourismus leidet unter Klimakrise“

Die Relevanz des Themas begründet Bundesministerin Eleonore Gewessler (Grüne) gegenüber ORF.at folgendermaßen: „Die Klimakrise spüren wir aktuell sehr deutlich: Trockene Wiesen und Felder, immer extremere Hitzetage, unterbrochen von Unwettern und Überschwemmungen. Auch der Tourismus leidet darunter, wenn beispielsweise der Wasserstand im Neusiedlersee so niedrig wird, dass man dort nicht mehr schwimmen oder segeln kann.“ Wer also nachhaltig reise, schütze Umwelt und Klima – und nicht zuletzt den Tourismus selbst.