Aktenordner des Ibiza-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
Ganz oder Auszüge

Weiter Gerangel um „Ibiza-Video“

Seit Wochen wartet der „Ibiza“-U-Ausschuss auf das beschlagnahmte Videomaterial. Wann wird es geliefert? Und: Werden die Abgeordneten überhaupt das ganze Material zu sehen bekommen? Alles deutet darauf hin, dass nur Auszüge der Aufnahmen übermittelt werden. Die Opposition gibt sich damit allerdings nicht zufrieden. Die ÖVP übte indes Kritik an der Staatsanwaltschaft.

Vor der Sommerpause werden im „Ibiza“-U-Ausschuss Vertreter der Justiz befragt, allen voran Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek. Wann die Abgeordneten das 2017 in Ibiza aufgenommene Video erhalten, ist allerdings weiter unklar. Die erste Prüfung des Videomaterials haben die Staatsanwaltschaften (StA) Wien und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mittlerweile abgeschlossen, wie am Samstag bekanntwurde. Wie das Justizministerium erklärte, wurde geprüft, welche Passagen des stundenlangen Videomaterials für die Ermittlungen relevant sind.

Das bedeutet eine Extrarunde für die beim Bundeskriminalamt eingerichtete Sonderkommission „SoKo Ibiza“. Denn die Beamten und Beamtinnen, die im April das Material bei einer Hausdurchsuchung gefunden haben und wenig später medial präsentierten, müssen die Passagen inklusive Transkripte nochmals „gesondert aufarbeiten“, wie der „Kurier“ berichtete. Erst dann kommen die Beweismittel in den Akt und könnten in weiterer Folge dem U-Ausschuss vorgelegt werden. Wie schon von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) angedeutet, kommt wohl nicht das gesamte Videomaterial zu den Abgeordneten.

Justizministerin Alma Zadic
APA/Georg Hochmuth
Justizministerin Zadic deutete bereits an, dass dem U-Ausschuss nicht das gesamte Material zur Verfügung gestellt wird

Ablauf der Beweisvorlage

„Grundsätzlich, und das habe ich eingangs versucht festzuhalten, ist es so, dass die Entscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft obliegt, welche Beweismittel dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden und welche Beweismittel davon ausgenommen sind“, sagte Zadic bei ihrer Befragung im U-Ausschuss Anfang Juni. Die Staatsanwaltschaft habe zu prüfen, ob die Beweismittel Ermittlungen gefährden – oder nicht. Wenn eine Entscheidung gefallen ist, müsse diese zunächst der Oberstaatsanwaltschaft vorgelegt werden, die dann die Akten dem Ressort weiterleitet und schließlich dem U-Ausschuss.

Aus dem Justizministerium heißt es gegenüber ORF.at, dass die Staatsanwaltschaften nur das zum Akt nehmen, was für das Ermittlungsverfahren wirklich relevant ist. Das sei die gesetzliche Pflicht. Für den U-Ausschuss müsse dann geklärt werden, ob eine Übermittlung der im Akt liegenden Beweismittel die Ermittlungen gefährden könnte. Wenn das nicht der Fall ist, legt die Oberstaatsanwaltschaft die Akten direkt dem U-Ausschuss vor – gegebenenfalls mit Klassifizierungsstufen. Wenn eine Vorlage problematisch ist, kann die Justizministerin mit dem Ausschussvorsitzenden eine „konsensuale Lösung“ finden, um die Ermittlungen nicht zu gefährden, heißt es.

„Zensiertes“ Material

Am Samstag übte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim heftige Kritik daran, wenn der U-Ausschuss nur „zensiertes“ Material erhält. Dieses Vorgehen sei „inakzeptabel“. Es grenze an Zensur und sei damit eine Gefahr für die Demokratie. Zwar sei es nicht nötig, dass alle Passagen tatsächlich von den Abgeordneten gesehen werden müssen, so Yildirim. „Aber wenn sich aus dem bereits vorgesichteten und auf Relevanz gekennzeichneten Material noch Fragen ergeben, müsse es möglich sein, direkt auf das Gesamtvideo zurückzugreifen.“

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper fordert das gesamte sichergestellte Material und alle Rohdaten: „Schließlich muss die zentrale Frage geklärt werden, ob bei den Ermittlungen allen Hinweisen und Verdachtslagen gegen FPÖ- und ÖVP-Akteure gleich effizient nachgegangen wird oder ob politische Einflussnahme genommen wurde beziehungsweise wird.“ Für ÖVP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerstl ist hingegen „völlig klar, dass nur jene Videoteile geliefert werden sollen, die den Untersuchungsgegenstand betreffen und dass auch die Persönlichkeitsrechte geschützt werden müssen“. Er forderte die WKStA auf, die Lieferung nicht weiter hinauszuzögern.

Justizinterne Zusammenarbeit im Fokus

Die letzten beiden Ausschusstage am Mittwoch und Donnerstag steht die Brüskierung der WKStA, die erst Ende Mai durch die Medien von der Sicherstellung des „Ibiza-Videos“ erfuhr, und damit die justizinterne Zusammenarbeit auf der Tagesordnung. Neben Strafrechtssektionschef Pilnacek wird am Mittwoch Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien und WKStA-Staatsanwältin Christina Jilek befragt. Am Donnerstag stehen dann die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luisa Nittel und Gregor Adamovic von der WKStA den Abgeordneten Rede und Antwort.

NEOS wirf Schmid Falschaussage vor

Unterdessen wurde auch bekannt, dass NEOS-Fraktionsführerin Krisper eine Sachverhaltsdarstellung wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss gegen ÖBAG-Chef Thomas Schmid einbringen wird. Schmid hatte unter Wahrheitspflicht erklärt, dass Ex-FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs in alle Glücksspielagenden eingebunden gewesen sei. Dem habe Fuchs bei seiner Befragung aber vehement widersprochen, und auch die Aktenlage zeige Gegenteiliges.

Etwa, dass im ÖVP-regierten Finanzministerium bereits 2018 an einer massiven Liberalisierung des Glücksspielgesetzes gearbeitet wurde, wie Krisper erklärte: „Lange bevor es einen möglichen Deal FPÖ-Novomatic gegeben hat, gab es offenbar bereits einen Deal ÖVP-Novomatic.“ Die von Schmid und dem damaligen ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger geplante Liberalisierung hätte der Novomatic und anderen Glücksspielbetreibern in die Hände gespielt, so Krisper: „Zum Leidwesen der Spielsüchtigen.“

Der „ÖVP-Spin“, wonach „Ibiza“ und die Casinos-Causa ein reiner FPÖ-Skandal seien und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nichts davon gewusst habe, sei einmal mehr widerlegt. Schmid habe aber bei seiner Befragung unter Wahrheitspflicht an dem Spin festgehalten und genau das Gegenteil von Fuchs behauptet. „Einer der beiden sagt also nicht die Wahrheit und die Aktenlage spricht für Fuchs“, sagte die NEOS-Fraktionsführerin: „Für uns ein klarer Fall für die Justiz.“

Kritik auch von SPÖ

Kritik an der ÖVP kam angesichts der Berichte über die schon 2018 vorbereitete Glücksspielnovelle auch von den anderen Parteien. Der SPÖ-Fraktionschef im U-Ausschuss, Jan Krainer, sprach von einem „schmutzigen ÖVP-Deal mit Novomatic“, der aber letztlich schiefgegangen sei.

Die vom Finanzministerium geplanten Änderungen hätten die in Wien verbotenen Automatensalons wieder erlaubt, kritisierte Krainer. Und für seinen FPÖ-Kollegen Christian Hafenecker zeigen die Vorgänge, dass „sämtliche Spekulationen über einen freiheitlichen Deal (mit Novomatic, Anm.) jeder Grundlage entbehren“.

Verteidigt wurden die Liberalisierungspläne des Finanzministeriums von vor zwei Jahren von der ÖVP. Deren Abgeordneter Klaus Fürlinger verwies darauf, dass das türkis-blaue Regierungsprogramm 2017 Änderungen im Glücksspielgesetz vorgesehen habe. Die Angriffe der anderen Parteien hält er für eine „peinliche Skandalisierungsshow“.